Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Kosten für den Hof steigen, und in demselben Maße nimmt auch ihr verhält¬ Noch mehr tritt der Uebelstand deutscher Kleinstaaterei an der Tabelle der Grenzboten III. 1865. 43
Kosten für den Hof steigen, und in demselben Maße nimmt auch ihr verhält¬ Noch mehr tritt der Uebelstand deutscher Kleinstaaterei an der Tabelle der Grenzboten III. 1865. 43
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Kosten für den Hof steigen, und in demselben Maße nimmt auch ihr verhält¬
nißmäßiger Antheil an den allgemeinen Staatsausgaben zu. Jeder Nassauer
zahlt also, wie wir sahen. 0,?. der Bürger der größeren Mittelstaaten 0,4. der
Preuße nur 0,2 Thaler für den Hofhalt des regierenden Hauses. Während in
England nicht ganz ein volles Procent der eigentlichen Regierungsausgaben zu
diesem Zwecke verwendet wird und in Preußen etwa 3 Procent genügen, ver¬
schlingen in den Mittelstaaten Hofhaltung, Civilliste und Apanagen bis zu 12
Procent sämmtlicher Regierungsausgaben. Wenn wir dann weiter bemerken,
daß in Anhalt 22, in Schwarzburg 24, in Mecklenburg-Strelitz 34 und in
Reuß 35 Procent der jährlichen Gesammtciusgaben für den Hof gemacht wer¬
den, so mag dies Anlaß geben zu höchst lehrreichen Schlüssen, besonders auch
in Betreff der staatlichen Zersplitterung des Landes der Deutschen.
Noch mehr tritt der Uebelstand deutscher Kleinstaaterei an der Tabelle der
Ausgaben für auswärtige Angelegenheiten hervor. Wenn der Mittel- und
Süddeutsche sich Rechenschaft darüber zu geben sucht, welchen Vortheil er aus
der Vertretung seines Octav- oder Duodezstaates im Auslande zieht und dieser
ganze Vortheil sich dann vielleicht auf eine Einladung zu einem Hoffest in den
Tuilerien oder der wiener Burg beschränkt, die einem bevorzugten Landsmann
durch Vermittelung seiner Gesandtschaft zu Theil wird, und wenn der Sachse,
Würtenberger oder Hannoveraner dem entgegenhält, wie sorgsam und kräftig
die Interessen eines jeden Engländers und Franzosen selbst in den entferntesten
Gegenden gewahrt werden, und wie die consularische Thätigkeit dieser Staaten
sich nicht darauf beschränkt, dem Einzelnen den nöthigen Schutz zu verschaffen,
sondern auch den ganzen auswärtigen Handel eifrig zu fördern sucht, so muß
selbst dem verhärtetsten Particularisten ein Licht aufgehen über die Kläglichkeit
solcher Zustände. Und dabei kostet diese mangelhafte, beinahe unnütze Einrich-
tung den deutschen Mittclstaaten im Verhältniß zur Bevölkerung fast ebenso
viel, als die Leitung und Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten Eng¬
lands und Frankreichs. Preußen und Oestreich leisten selbstverständlich auf
diesem Felde weit mehr als die Mittelstaaten, aber weil sie Großstaaten sind,
leisten sie dies mit der Hälfte der Kosten, die jene aufwenden. Und die Schweiz,
welche sich auf ein weises Maß beschränkte und durch ihre Vertretung im Aus¬
lande nicht den Glanz einer Krone zu erhöhen, nicht hungrigem Adel Sine-
curen zu schaffen hatte, sondern ihr Hauptaugenmerk darauf richtete, die Handels¬
und Verkehrinteresscn zu fördern, konnte die auswärtigen Angelegenheiten mit
noch weit weniger Aufwand bestreiten als die deutschen Mittelstaatcn. Die
meisten Ausgaben hat in dieser Beziehung das Herzogthum Nassau, welches
für seine Vertretung im Auslande mehr als noch einmal so viel wie England,
fast dreimal so viel wie Frankreich, über fünfmal so viel wie Preußen und gerade
sechsundzwanzigmal so viel ausgiebt wie die Schweiz. Von den vier kleinen
Grenzboten III. 1865. 43
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