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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Vortheil cntschiedner Anziehungskraft geltend zu machen. Denn da jedes seiner
Mitglieder wieder in dem Vorstande seiner Zweigstistung Sitz und Stimme hat,
und in den meisten Fällen, schon wegen seines fortwährenden Zusammenhanges
mit den täglichen Stiftungsobliegcnheiten, als das geschäftskundigste, also ein¬
flußreichste Mitglied seiner Zweigstistung zu betrauten ist. so hat bisher wenig¬
stens die Erfahrung gelehrt, daß der Verwaltungsrath diejenigen Zweigstiftungen,
aus welchen er selbst gebildet ist, zu seinen unbedingten Anhängern zählen
kann. Nun sind bisher aber vorzugsweise die größeren Stiftungen im Ver-
Waltungsrath vertreten gewesen -- Dresden. Berlin, Frankfurt, München,
Stuttgart, Weimar -- jetzt wieder Wien, so daß die Anhänger des Ver¬
waltungsraths zugleich die größeren Stiftungen umfaßten. Durch das unbe¬
dingte Eintreten dieser für ihre im Verwaltungsrath sitzenden Kollegen finden
sich also schon sechs ministeriell gesinnte Stimmen zusammen, denen das Ge-
bahren des Verwaltungsraths ein ganz festes Programm bietet. Ferner be¬
willigen die Statuten auch Verwaltungsmitgliedern und namentlich dem Vor¬
orte das Recht, andere Stiftungen zu vertreten, und zwar kann jedes Vor¬
standsmitglied eine Zweigstiftung und ebenso jedes Verwaltungsrathsmitglied
sogar (§ 96) durch solche Uebertragungen zur Führung von zwei Stimmen
gelangen. Der Vorstand Weimars (der Vvrortsstiftung also) besteht aber aus
nicht weniger als 10 Personen; der Verwaltungsrath, wie schon erwähnt,
aus 7. Umfaßt der letztere nun, wie es in der ersten Periode der Fall war,
so ziemlich alle bedeutenderen Stiftungen -- nur Wien, das aber keine Oppo¬
sition machte, war ja noch draußen geblieben -- hat ferner der Vorort durch
den nur ihm möglichen Ueberblick über die in der Stiftung auftauchenden
Meinungen, Begehrlichkeiten, Persönlichkeiten und durch deren gewandte Be¬
nutzung oder Umstimmung sich einen entscheidenden Einfluß gesichert, so wird
es begreiflicherweise keine großen Anstrengungen kosten, sich die wenigen Stim¬
men noch zu sichern, durch deren Beistand eine ministerielle Majorität die
etwaige Opposition lahm legt. Bei Fragen, welche nicht Statutenveränderungen
betreffen, braucht diese Majorität im ungünstigsten Falle, nämlich wenn alle
22 Zweigstiftungen vertreten sind, nur aus 12 Stimmen zu bestehen. Doch
räumt der 100. Paragraph der (Neschäftsordnung auch hier dem Vorort noch
eine nicht zu verachtende Begünstigung ein. "Bei Stimmengleichheit." besagt
dieser Paragraph, "entscheidet die Stimme der vorörtlichen Zweigstistung".
Wenn man schließlich noch die leicht zur Regel werdende Sitte, den Vorsitzenden
der Stiftung zugleich durch die Übertragung der Präsidcntenwürde bei den
Generalversammlungen zu ehren, berücksichtigt, so bedarf es keines Nachweises,
daß der Opposition eine ziemlich schwere Rolle zufällt.

Es braucht das Capitel der Orden- und Titelverleihungen hier natürlich
Nur insofern verübrl zu werden, als die besondern Verhältnisse der Stiftung


Grenzboten III. 136ö. 42

Vortheil cntschiedner Anziehungskraft geltend zu machen. Denn da jedes seiner
Mitglieder wieder in dem Vorstande seiner Zweigstistung Sitz und Stimme hat,
und in den meisten Fällen, schon wegen seines fortwährenden Zusammenhanges
mit den täglichen Stiftungsobliegcnheiten, als das geschäftskundigste, also ein¬
flußreichste Mitglied seiner Zweigstistung zu betrauten ist. so hat bisher wenig¬
stens die Erfahrung gelehrt, daß der Verwaltungsrath diejenigen Zweigstiftungen,
aus welchen er selbst gebildet ist, zu seinen unbedingten Anhängern zählen
kann. Nun sind bisher aber vorzugsweise die größeren Stiftungen im Ver-
Waltungsrath vertreten gewesen — Dresden. Berlin, Frankfurt, München,
Stuttgart, Weimar — jetzt wieder Wien, so daß die Anhänger des Ver¬
waltungsraths zugleich die größeren Stiftungen umfaßten. Durch das unbe¬
dingte Eintreten dieser für ihre im Verwaltungsrath sitzenden Kollegen finden
sich also schon sechs ministeriell gesinnte Stimmen zusammen, denen das Ge-
bahren des Verwaltungsraths ein ganz festes Programm bietet. Ferner be¬
willigen die Statuten auch Verwaltungsmitgliedern und namentlich dem Vor¬
orte das Recht, andere Stiftungen zu vertreten, und zwar kann jedes Vor¬
standsmitglied eine Zweigstiftung und ebenso jedes Verwaltungsrathsmitglied
sogar (§ 96) durch solche Uebertragungen zur Führung von zwei Stimmen
gelangen. Der Vorstand Weimars (der Vvrortsstiftung also) besteht aber aus
nicht weniger als 10 Personen; der Verwaltungsrath, wie schon erwähnt,
aus 7. Umfaßt der letztere nun, wie es in der ersten Periode der Fall war,
so ziemlich alle bedeutenderen Stiftungen — nur Wien, das aber keine Oppo¬
sition machte, war ja noch draußen geblieben — hat ferner der Vorort durch
den nur ihm möglichen Ueberblick über die in der Stiftung auftauchenden
Meinungen, Begehrlichkeiten, Persönlichkeiten und durch deren gewandte Be¬
nutzung oder Umstimmung sich einen entscheidenden Einfluß gesichert, so wird
es begreiflicherweise keine großen Anstrengungen kosten, sich die wenigen Stim¬
men noch zu sichern, durch deren Beistand eine ministerielle Majorität die
etwaige Opposition lahm legt. Bei Fragen, welche nicht Statutenveränderungen
betreffen, braucht diese Majorität im ungünstigsten Falle, nämlich wenn alle
22 Zweigstiftungen vertreten sind, nur aus 12 Stimmen zu bestehen. Doch
räumt der 100. Paragraph der (Neschäftsordnung auch hier dem Vorort noch
eine nicht zu verachtende Begünstigung ein. „Bei Stimmengleichheit." besagt
dieser Paragraph, „entscheidet die Stimme der vorörtlichen Zweigstistung".
Wenn man schließlich noch die leicht zur Regel werdende Sitte, den Vorsitzenden
der Stiftung zugleich durch die Übertragung der Präsidcntenwürde bei den
Generalversammlungen zu ehren, berücksichtigt, so bedarf es keines Nachweises,
daß der Opposition eine ziemlich schwere Rolle zufällt.

Es braucht das Capitel der Orden- und Titelverleihungen hier natürlich
Nur insofern verübrl zu werden, als die besondern Verhältnisse der Stiftung


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[0309] Vortheil cntschiedner Anziehungskraft geltend zu machen. Denn da jedes seiner Mitglieder wieder in dem Vorstande seiner Zweigstistung Sitz und Stimme hat, und in den meisten Fällen, schon wegen seines fortwährenden Zusammenhanges mit den täglichen Stiftungsobliegcnheiten, als das geschäftskundigste, also ein¬ flußreichste Mitglied seiner Zweigstistung zu betrauten ist. so hat bisher wenig¬ stens die Erfahrung gelehrt, daß der Verwaltungsrath diejenigen Zweigstiftungen, aus welchen er selbst gebildet ist, zu seinen unbedingten Anhängern zählen kann. Nun sind bisher aber vorzugsweise die größeren Stiftungen im Ver- Waltungsrath vertreten gewesen — Dresden. Berlin, Frankfurt, München, Stuttgart, Weimar — jetzt wieder Wien, so daß die Anhänger des Ver¬ waltungsraths zugleich die größeren Stiftungen umfaßten. Durch das unbe¬ dingte Eintreten dieser für ihre im Verwaltungsrath sitzenden Kollegen finden sich also schon sechs ministeriell gesinnte Stimmen zusammen, denen das Ge- bahren des Verwaltungsraths ein ganz festes Programm bietet. Ferner be¬ willigen die Statuten auch Verwaltungsmitgliedern und namentlich dem Vor¬ orte das Recht, andere Stiftungen zu vertreten, und zwar kann jedes Vor¬ standsmitglied eine Zweigstiftung und ebenso jedes Verwaltungsrathsmitglied sogar (§ 96) durch solche Uebertragungen zur Führung von zwei Stimmen gelangen. Der Vorstand Weimars (der Vvrortsstiftung also) besteht aber aus nicht weniger als 10 Personen; der Verwaltungsrath, wie schon erwähnt, aus 7. Umfaßt der letztere nun, wie es in der ersten Periode der Fall war, so ziemlich alle bedeutenderen Stiftungen — nur Wien, das aber keine Oppo¬ sition machte, war ja noch draußen geblieben — hat ferner der Vorort durch den nur ihm möglichen Ueberblick über die in der Stiftung auftauchenden Meinungen, Begehrlichkeiten, Persönlichkeiten und durch deren gewandte Be¬ nutzung oder Umstimmung sich einen entscheidenden Einfluß gesichert, so wird es begreiflicherweise keine großen Anstrengungen kosten, sich die wenigen Stim¬ men noch zu sichern, durch deren Beistand eine ministerielle Majorität die etwaige Opposition lahm legt. Bei Fragen, welche nicht Statutenveränderungen betreffen, braucht diese Majorität im ungünstigsten Falle, nämlich wenn alle 22 Zweigstiftungen vertreten sind, nur aus 12 Stimmen zu bestehen. Doch räumt der 100. Paragraph der (Neschäftsordnung auch hier dem Vorort noch eine nicht zu verachtende Begünstigung ein. „Bei Stimmengleichheit." besagt dieser Paragraph, „entscheidet die Stimme der vorörtlichen Zweigstistung". Wenn man schließlich noch die leicht zur Regel werdende Sitte, den Vorsitzenden der Stiftung zugleich durch die Übertragung der Präsidcntenwürde bei den Generalversammlungen zu ehren, berücksichtigt, so bedarf es keines Nachweises, daß der Opposition eine ziemlich schwere Rolle zufällt. Es braucht das Capitel der Orden- und Titelverleihungen hier natürlich Nur insofern verübrl zu werden, als die besondern Verhältnisse der Stiftung Grenzboten III. 136ö. 42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/309>, abgerufen am 15.01.2025.