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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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vor allem einen allgemein deutschen, keinen blos provinziellen Charakter zu
sichern. Als diejenige Stadt, an welche Dresden die Vorortswürde nach der
Beendigung seiner eigenen provisorischen Thätigkeit für die nächste fünfjährige
Periode verliehen zu sehen wünschte, schlug der dresdner Vorstand selber dann
Weimar vor. Dies geschah in der Form eines Antrags an die constitnirende
Versammlung von 1859, welche in Dresden abgehalten wurde.

Es geht ziemlich augenfällig aus diesen Thatsachen hervor -- einmal: daß
Weimars Verdienst um die Stiftung ein geringeres ist als dasjenige Dresdens,
dann aber auch, daß Dresden die Stiftung nicht im specifisch sächsischen In¬
teresse festhalten wollte, eine damals wohl kaum sehr schwierige Sache.

Wir haben schon erwähnt, daß die während des ersten Jahres dieser Ver¬
waltungsperiode ohne das Verdienst der Schillerstiftung sich ins Riesige ent¬
wickelnde Nationallotterie dem Akademicgedanten neue Nahrung gab; daß er
immer und immer wieder empfohlen wurde, bis Major Serra sich desselben
endlich als kategorische Bedingung bemächtigte; daß er dann in dieser wenig
anheimelnden Form durchfiel, von dem Verwaltungsrath indessen wenigstens
in das schließliche Cvmpromiß hinübergerettet wurde. Dies geschah 1862,
nachdem man ein hervorragendes Mitglied des dresdner Vorstandes durch die
Creirung der Generalsekretariatsstelle nach Weimar herübergezogen hatte. Das
Akademieproject war nun zwar, als mit dem Statut der Stiftung nicht ver¬
einbar, von der Generalversammlung von 1862 abgelehnt worden, doch hatten
die Begünstiger dieses Plans ihn damals wohl nur aus der Besorgnis;. die
Verständigung über die Lotterieerträgnisse durch tiefgreifendere Erörterungen zu
erschweren, ohne ernsten Kampf beseitigen lassen. Nun der Vertrag über die
jährlich an den Vorort zu entrichtenden Zinsraten abgeschlossen worden war,
empfahl sich für die dem Akademieproject Geneigter ein allmäliges aus dem
Wege Räumen der ihm entgegenstehenden Hindernisse.

Diese waren im Grunde nicht sehr groß. Derjenige Paragraph, welcher
den Grundgedanken der Stiftung ausdrückte, bediente sich allerdings zu zweien
Malen der Worte "Hilfe und Beistand"; von Vergabungen an Nichthilfsbe¬
dürftige konnte also nicht wohl die Rede sein. Aber § 11 der nämlichen Sta¬
tuten enthielt die Bestimmung: die Generalversammlung entscheidet in höchster
Instanz über alle Angelegenheiten der Stiftung. Sie konnte also den Para¬
graphen 1, sagte man sich, Andern. Es kam nur darauf an, eine Mehrheit
zusammenzubringen, welche ^ des Gesammtvermögens besitze.

Was diese diplomatische Aufgabe betrifft, so standen auch hierfür einige
Hebel zu Gebote, die nicht wohl versagen konnten. Zuerst: Wenn der Ver¬
waltungsrath in sich nur einig ist -- und Dresden, die vermögendste Stiftung,
gehörte ja zum Verwaltungsrath -- so bildet er bei der Generalversammlung
schon einen hinreichend festen Kern, um gegen eine etwaige Opposition den


vor allem einen allgemein deutschen, keinen blos provinziellen Charakter zu
sichern. Als diejenige Stadt, an welche Dresden die Vorortswürde nach der
Beendigung seiner eigenen provisorischen Thätigkeit für die nächste fünfjährige
Periode verliehen zu sehen wünschte, schlug der dresdner Vorstand selber dann
Weimar vor. Dies geschah in der Form eines Antrags an die constitnirende
Versammlung von 1859, welche in Dresden abgehalten wurde.

Es geht ziemlich augenfällig aus diesen Thatsachen hervor — einmal: daß
Weimars Verdienst um die Stiftung ein geringeres ist als dasjenige Dresdens,
dann aber auch, daß Dresden die Stiftung nicht im specifisch sächsischen In¬
teresse festhalten wollte, eine damals wohl kaum sehr schwierige Sache.

Wir haben schon erwähnt, daß die während des ersten Jahres dieser Ver¬
waltungsperiode ohne das Verdienst der Schillerstiftung sich ins Riesige ent¬
wickelnde Nationallotterie dem Akademicgedanten neue Nahrung gab; daß er
immer und immer wieder empfohlen wurde, bis Major Serra sich desselben
endlich als kategorische Bedingung bemächtigte; daß er dann in dieser wenig
anheimelnden Form durchfiel, von dem Verwaltungsrath indessen wenigstens
in das schließliche Cvmpromiß hinübergerettet wurde. Dies geschah 1862,
nachdem man ein hervorragendes Mitglied des dresdner Vorstandes durch die
Creirung der Generalsekretariatsstelle nach Weimar herübergezogen hatte. Das
Akademieproject war nun zwar, als mit dem Statut der Stiftung nicht ver¬
einbar, von der Generalversammlung von 1862 abgelehnt worden, doch hatten
die Begünstiger dieses Plans ihn damals wohl nur aus der Besorgnis;. die
Verständigung über die Lotterieerträgnisse durch tiefgreifendere Erörterungen zu
erschweren, ohne ernsten Kampf beseitigen lassen. Nun der Vertrag über die
jährlich an den Vorort zu entrichtenden Zinsraten abgeschlossen worden war,
empfahl sich für die dem Akademieproject Geneigter ein allmäliges aus dem
Wege Räumen der ihm entgegenstehenden Hindernisse.

Diese waren im Grunde nicht sehr groß. Derjenige Paragraph, welcher
den Grundgedanken der Stiftung ausdrückte, bediente sich allerdings zu zweien
Malen der Worte „Hilfe und Beistand"; von Vergabungen an Nichthilfsbe¬
dürftige konnte also nicht wohl die Rede sein. Aber § 11 der nämlichen Sta¬
tuten enthielt die Bestimmung: die Generalversammlung entscheidet in höchster
Instanz über alle Angelegenheiten der Stiftung. Sie konnte also den Para¬
graphen 1, sagte man sich, Andern. Es kam nur darauf an, eine Mehrheit
zusammenzubringen, welche ^ des Gesammtvermögens besitze.

Was diese diplomatische Aufgabe betrifft, so standen auch hierfür einige
Hebel zu Gebote, die nicht wohl versagen konnten. Zuerst: Wenn der Ver¬
waltungsrath in sich nur einig ist -- und Dresden, die vermögendste Stiftung,
gehörte ja zum Verwaltungsrath — so bildet er bei der Generalversammlung
schon einen hinreichend festen Kern, um gegen eine etwaige Opposition den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/308>, abgerufen am 15.01.2025.