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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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die Sache damals zur Ausführung. Es ist sehr bezeichnend, daß selbst die
heftige frankfurter Gegenschrift, welche gleich darauf die Rechte der Stiftung
gegen Major Scrre -- jetzt auf einmal ihr vermeintlicher Becintrcichtigcr --
zu verfechten unternahm, sich lediglich mit der Frage beschäftigte, ob Major
Serie die 300,000 Thlr. nicht ohne weiteres an jene sieben Herren (einer war
in Frankfurt) zu überantworten habe, daß diese Schrift aber gegen den Aka¬
demieplan auch nicht einen einzigen Pfeil zu verschießen für nöthig fand. Der
weitere Vorschlag Serres. die Oeffentlichkeit einzuführen, verletzte in gleicher
Weise. Wohl hatte sich das Heimlichkcitsverfahren bereits als nur mangelhaft
durchführbar erwiesen, und die Mehrheit der Stiftungsmitglieder hätte sich gern
durch Einführung der Oeffentlichkeit unter die Controle der Nation gestellt;
aber als Bedingung des Major Serre trug dieser Vorschlag den Charakter des
Mißtrauens und erbitterte die Gemüther. Inzwischen hatte der Verwaltungs-
rath die Abhaltung einer außerordentlichen Generalversammlung ausgeschrieben
und sich, wie um einen Mittelweg zu finden, des verketzerten dresdner Akade-
mieprojects in folgender Weise bemächtigt: es sollten etwa SO Ehrenmitglieder
ernannt werden; von diesen wären 10 bis 12, ohne Rücksicht auf Bedürftigkeit,
zu besolden und zwar mit 600 Thalern jährlich. Herr v. Dingelstedt hat sich
einige Monate später in einem bereits anderweitig veröffentlichten Schreiben
an Major Serre (October 1862) sehr rückhaltslos über diesen Gegenstand aus¬
gesprochen. Der Verwaltungsrath, heißt es darin, habe sich selbst bereits mit
dem Akadcmicplan seit längerem beschäftigt gehabt. Ein sehr ausgeführter
Plan zu einer Akademie sei fertig gewesen, so daß also die An- und Absichten
des Hauptvcreins und des Verwaltungsraths auf das Erfreulichste sich begegnen.
"Leider," fährt das Schreiben fort, "war es mit der Generalversammlung nicht
derselbe Fall. Abgesehen davon, daß dieselbe von vornherein festhielt an der
einen formellen Bestimmung der Geschäftsordnung, laut welcher nur Zwcig-
stiftungen Anträge an die Generalversammlung zu bringen berechtigt sein sollten,
glaubt sie u. s. w. Mit den Satzungen," schließt er, "mag dann aller¬
dings weder der Akademicgcdanke, noch das Oeffentlichkeitsprincip leicht in
Einklang zu bringen sein . . ." Diese letztere Ansicht des Vorsitzenden
des Verwaltungsraths hat sich, wie bekannt, im Verlauf seiner weitern Ge¬
schäftserfahrungen geändert.

Es bleibt hier nun noch des Compromisses zu erwähnen, welcher zwischen
dem Hauptvercin der Nationallottcrie und dem Verwaltungsrath am 15. Juli
1862 vereinbart wurde, insofern der, wie oben gezeigt worden ist. beiden
Contrahirenden gemeinsam gehörende Gedanke einer deutschen Akademie darin
ausdrücklich als einer künftigen Verwirklichung vorbehalten hingestellt worden
ist. Der betreffende Paragraph 3 lautet folgendermaßen: "Sollte die vom
Lotteriehauptverein beantragte Abzweigung eines Capitals bon 100,000 Thlrn.


die Sache damals zur Ausführung. Es ist sehr bezeichnend, daß selbst die
heftige frankfurter Gegenschrift, welche gleich darauf die Rechte der Stiftung
gegen Major Scrre — jetzt auf einmal ihr vermeintlicher Becintrcichtigcr —
zu verfechten unternahm, sich lediglich mit der Frage beschäftigte, ob Major
Serie die 300,000 Thlr. nicht ohne weiteres an jene sieben Herren (einer war
in Frankfurt) zu überantworten habe, daß diese Schrift aber gegen den Aka¬
demieplan auch nicht einen einzigen Pfeil zu verschießen für nöthig fand. Der
weitere Vorschlag Serres. die Oeffentlichkeit einzuführen, verletzte in gleicher
Weise. Wohl hatte sich das Heimlichkcitsverfahren bereits als nur mangelhaft
durchführbar erwiesen, und die Mehrheit der Stiftungsmitglieder hätte sich gern
durch Einführung der Oeffentlichkeit unter die Controle der Nation gestellt;
aber als Bedingung des Major Serre trug dieser Vorschlag den Charakter des
Mißtrauens und erbitterte die Gemüther. Inzwischen hatte der Verwaltungs-
rath die Abhaltung einer außerordentlichen Generalversammlung ausgeschrieben
und sich, wie um einen Mittelweg zu finden, des verketzerten dresdner Akade-
mieprojects in folgender Weise bemächtigt: es sollten etwa SO Ehrenmitglieder
ernannt werden; von diesen wären 10 bis 12, ohne Rücksicht auf Bedürftigkeit,
zu besolden und zwar mit 600 Thalern jährlich. Herr v. Dingelstedt hat sich
einige Monate später in einem bereits anderweitig veröffentlichten Schreiben
an Major Serre (October 1862) sehr rückhaltslos über diesen Gegenstand aus¬
gesprochen. Der Verwaltungsrath, heißt es darin, habe sich selbst bereits mit
dem Akadcmicplan seit längerem beschäftigt gehabt. Ein sehr ausgeführter
Plan zu einer Akademie sei fertig gewesen, so daß also die An- und Absichten
des Hauptvcreins und des Verwaltungsraths auf das Erfreulichste sich begegnen.
„Leider," fährt das Schreiben fort, „war es mit der Generalversammlung nicht
derselbe Fall. Abgesehen davon, daß dieselbe von vornherein festhielt an der
einen formellen Bestimmung der Geschäftsordnung, laut welcher nur Zwcig-
stiftungen Anträge an die Generalversammlung zu bringen berechtigt sein sollten,
glaubt sie u. s. w. Mit den Satzungen," schließt er, „mag dann aller¬
dings weder der Akademicgcdanke, noch das Oeffentlichkeitsprincip leicht in
Einklang zu bringen sein . . ." Diese letztere Ansicht des Vorsitzenden
des Verwaltungsraths hat sich, wie bekannt, im Verlauf seiner weitern Ge¬
schäftserfahrungen geändert.

Es bleibt hier nun noch des Compromisses zu erwähnen, welcher zwischen
dem Hauptvercin der Nationallottcrie und dem Verwaltungsrath am 15. Juli
1862 vereinbart wurde, insofern der, wie oben gezeigt worden ist. beiden
Contrahirenden gemeinsam gehörende Gedanke einer deutschen Akademie darin
ausdrücklich als einer künftigen Verwirklichung vorbehalten hingestellt worden
ist. Der betreffende Paragraph 3 lautet folgendermaßen: „Sollte die vom
Lotteriehauptverein beantragte Abzweigung eines Capitals bon 100,000 Thlrn.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/306>, abgerufen am 15.01.2025.