Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.und ihre herben Ansprüche hinter die nebelhaften Schleier einer traumartig Eine Stiftung, welche die Zahl dieser verfehlten Existenzen vermehren hälfe, Man hat sich daher mit Recht gefragt: Wird die Schillerstiftung nicht Und weiter hat man sich gefragt: entgeht die Stiftung dieser Gefahr nicht Aus Erwägungen solchen Charakters ist der weitere Gedanke hervorgegangen, Wir behalten uns vor, unsere Meinung über dieses Thema der weitern Insoweit der Veranstalter der Nationallotterie vor allem für den Geld¬ und ihre herben Ansprüche hinter die nebelhaften Schleier einer traumartig Eine Stiftung, welche die Zahl dieser verfehlten Existenzen vermehren hälfe, Man hat sich daher mit Recht gefragt: Wird die Schillerstiftung nicht Und weiter hat man sich gefragt: entgeht die Stiftung dieser Gefahr nicht Aus Erwägungen solchen Charakters ist der weitere Gedanke hervorgegangen, Wir behalten uns vor, unsere Meinung über dieses Thema der weitern Insoweit der Veranstalter der Nationallotterie vor allem für den Geld¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0304" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283657"/> <p xml:id="ID_852" prev="#ID_851"> und ihre herben Ansprüche hinter die nebelhaften Schleier einer traumartig<lb/> krankhaften Lebensauffassung, die mit der einen Hand streichelt und mit der<lb/> andern ins Elend stößt.</p><lb/> <p xml:id="ID_853"> Eine Stiftung, welche die Zahl dieser verfehlten Existenzen vermehren hälfe,<lb/> wäre ein Fluch und kein Segen.</p><lb/> <p xml:id="ID_854"> Man hat sich daher mit Recht gefragt: Wird die Schillerstiftung nicht<lb/> eine Pflanzschule der Mittelmäßigkeit werden? Wird sie und ihre Prämien die<lb/> Kunst des bloßen Versemachens nicht noch epidemischer machen? Werden Leute,<lb/> die das Zeug zu etwas Besserem als zum schlechten Poeten in sich tragen, nicht<lb/> durch diese Versorgungsanstalt bei der Wahl ihres Lebensberufs auf die Wege<lb/> Apolls abgeleitet werden, unbekümmert darum, ob diese Wege in einen Sumpf<lb/> auslaufen?</p><lb/> <p xml:id="ID_855"> Und weiter hat man sich gefragt: entgeht die Stiftung dieser Gefahr nicht<lb/> am einfachsten dadurch, daß sie sichs zur wesentlichen Aufgabe macht, das Loos<lb/> solcher Dichter zu verschönern, welche sich bereits als Geister bevorzugter Art<lb/> bewährt haben? kaun sie nicht, indem sie denselben annehmbar große Jah»<lb/> gehalte aussetzt, die vielleicht zeitweilig erwerbsmäßige Thätigkeit dieser Erlesenen<lb/> wieder in freies dichterisches Schaffen verwandeln und solcher Art der deutschen<lb/> Dichtung zu neuem Aufblühen verhelfen? — Rückert, Geibel, Paul Hevse,<lb/> Bodenstedt und andere Dichter deutscher Zunge erfreuen sich mehr oder minder<lb/> ansehnlicher Pensionen aus Fürstenhänden. Sollte die Ehre, hat man gefragt,<lb/> durch die Hand des Volkes als Dichter über die Sorge des Lebens hinausge¬<lb/> hoben zu werden, eine geringere, eine zweifelhaftere sein können?</p><lb/> <p xml:id="ID_856"> Aus Erwägungen solchen Charakters ist der weitere Gedanke hervorgegangen,<lb/> durch Gründung einer Akademie die Finanzseite des Gegenstandes in die zweite<lb/> Linie zurückzudrängen, und vor allem „Akademiker" zu ernennen, eine Würde,<lb/> an welche sich dann in weniger neu scheinender Form der Bezug eines ent¬<lb/> sprechenden Jahrgehalts anknüpfen ließ.</p><lb/> <p xml:id="ID_857"> Wir behalten uns vor, unsere Meinung über dieses Thema der weitern<lb/> historischen Darstellung folgen zu lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_858" next="#ID_859"> Insoweit der Veranstalter der Nationallotterie vor allem für den Geld¬<lb/> zuwachs der Stiftung von entscheidender Bedeutung gewesen ist, mag hier er¬<lb/> wähnt werden, daß der verstorbene Major Serre der Gründung einer Akademie<lb/> im angedeuteten Sinne mit großer Begeisterung das Wort redete, wennschon<lb/> nach glaubwürdiger Versicherung der Gedanke selbst nicht sein Eigenthum war.<lb/> Harmlos und zugleich phantastisch erregt, wie man in den ersten Jahren der<lb/> werdenden Stiftung und ihren Aufgaben gegenüberstand, hatte sich wohl aller¬<lb/> dings in vielen poetischen Gemüthern der schöne Traum einer neuen Literatur¬<lb/> epoche aus dem bunten Durcheinander der mannigfachsten Hoffnungen heraus¬<lb/> gesponnen, und schon der erste Anreger des ganzen Schillerstiftungsplanes trug</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0304]
und ihre herben Ansprüche hinter die nebelhaften Schleier einer traumartig
krankhaften Lebensauffassung, die mit der einen Hand streichelt und mit der
andern ins Elend stößt.
Eine Stiftung, welche die Zahl dieser verfehlten Existenzen vermehren hälfe,
wäre ein Fluch und kein Segen.
Man hat sich daher mit Recht gefragt: Wird die Schillerstiftung nicht
eine Pflanzschule der Mittelmäßigkeit werden? Wird sie und ihre Prämien die
Kunst des bloßen Versemachens nicht noch epidemischer machen? Werden Leute,
die das Zeug zu etwas Besserem als zum schlechten Poeten in sich tragen, nicht
durch diese Versorgungsanstalt bei der Wahl ihres Lebensberufs auf die Wege
Apolls abgeleitet werden, unbekümmert darum, ob diese Wege in einen Sumpf
auslaufen?
Und weiter hat man sich gefragt: entgeht die Stiftung dieser Gefahr nicht
am einfachsten dadurch, daß sie sichs zur wesentlichen Aufgabe macht, das Loos
solcher Dichter zu verschönern, welche sich bereits als Geister bevorzugter Art
bewährt haben? kaun sie nicht, indem sie denselben annehmbar große Jah»
gehalte aussetzt, die vielleicht zeitweilig erwerbsmäßige Thätigkeit dieser Erlesenen
wieder in freies dichterisches Schaffen verwandeln und solcher Art der deutschen
Dichtung zu neuem Aufblühen verhelfen? — Rückert, Geibel, Paul Hevse,
Bodenstedt und andere Dichter deutscher Zunge erfreuen sich mehr oder minder
ansehnlicher Pensionen aus Fürstenhänden. Sollte die Ehre, hat man gefragt,
durch die Hand des Volkes als Dichter über die Sorge des Lebens hinausge¬
hoben zu werden, eine geringere, eine zweifelhaftere sein können?
Aus Erwägungen solchen Charakters ist der weitere Gedanke hervorgegangen,
durch Gründung einer Akademie die Finanzseite des Gegenstandes in die zweite
Linie zurückzudrängen, und vor allem „Akademiker" zu ernennen, eine Würde,
an welche sich dann in weniger neu scheinender Form der Bezug eines ent¬
sprechenden Jahrgehalts anknüpfen ließ.
Wir behalten uns vor, unsere Meinung über dieses Thema der weitern
historischen Darstellung folgen zu lassen.
Insoweit der Veranstalter der Nationallotterie vor allem für den Geld¬
zuwachs der Stiftung von entscheidender Bedeutung gewesen ist, mag hier er¬
wähnt werden, daß der verstorbene Major Serre der Gründung einer Akademie
im angedeuteten Sinne mit großer Begeisterung das Wort redete, wennschon
nach glaubwürdiger Versicherung der Gedanke selbst nicht sein Eigenthum war.
Harmlos und zugleich phantastisch erregt, wie man in den ersten Jahren der
werdenden Stiftung und ihren Aufgaben gegenüberstand, hatte sich wohl aller¬
dings in vielen poetischen Gemüthern der schöne Traum einer neuen Literatur¬
epoche aus dem bunten Durcheinander der mannigfachsten Hoffnungen heraus¬
gesponnen, und schon der erste Anreger des ganzen Schillerstiftungsplanes trug
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