Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Hier ist der betreffende Paragraph s§ 1) der alten, jetzt wieder allseitig "Die Schillerstiftung hat den Zweck, deutsche Schriftsteller und Schrift¬ "Sollten es die Mittel erlauben, und Schriftsteller oder Schriftstellerinnen, Es ist schon bei der ersten Gründung auf die Gefahren aufmerksam gemacht 41*
Hier ist der betreffende Paragraph s§ 1) der alten, jetzt wieder allseitig „Die Schillerstiftung hat den Zweck, deutsche Schriftsteller und Schrift¬ „Sollten es die Mittel erlauben, und Schriftsteller oder Schriftstellerinnen, Es ist schon bei der ersten Gründung auf die Gefahren aufmerksam gemacht 41*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0303" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283656"/> <p xml:id="ID_848"> Hier ist der betreffende Paragraph s§ 1) der alten, jetzt wieder allseitig<lb/> anerkannten Sahungen:</p><lb/> <p xml:id="ID_849"> „Die Schillerstiftung hat den Zweck, deutsche Schriftsteller und Schrift¬<lb/> stellerinnen, welche für die Nationalliteratur (mit Ausschluß der strengen Fach¬<lb/> wissenschaften) verdienstlich gewirkt, vorzugsweise solche, die sich dichterischer<lb/> Formen bedient haben, dadurch zu ehren, daß sie ihnen oder ihren Nächstange¬<lb/> hörigen Hinterlassenen in Fällen über sie verhängter schwerer Lebenssorge Hilfe<lb/> und Beistand darbietet.</p><lb/> <p xml:id="ID_850"> „Sollten es die Mittel erlauben, und Schriftsteller oder Schriftstellerinnen,<lb/> auf welche obige Merkmale nicht sämmtlich zutreffen, zu Hilfe und Beistand<lb/> empfohlen werden, so bleibt deren Berücksichtigung dem Ermessen des Verwal-<lb/> tungsraths überlassen."</p><lb/> <p xml:id="ID_851" next="#ID_852"> Es ist schon bei der ersten Gründung auf die Gefahren aufmerksam gemacht<lb/> worden, welche Stiftungen dieser Art in ihrem Schooße bergen. Ohne Zweifel<lb/> fehlt es uns in Deutschland nicht an Personen, welche ansprechende Gedichte<lb/> machen, obschon sie nicht eigentlichen Dichterberuf haben, und obschon sie und<lb/> die Ihrigen sich ohne jene Fertigkeit weit besser befinden würden. Die Enge<lb/> unsrer politischen Verhältnisse und die große Verbreitung von allerlei im Leben<lb/> uicht immer verwerthbaren ästhetischen Kenntnissen sorgen dafür, daß nach wie<lb/> bor das deutsche Gemüth sich mit Vorliebe, wenn auch häufig ohne alle Hörer,<lb/> im Blasen der Pansflöte gefällt. Diese friedliche Beschäftigung ist nun leider<lb/> weniger harmlos, als es scheinen möchte. Goethe sagt einmal in seinem Brief¬<lb/> wechsel mit Schiller: „Die poetische Thätigkeit ist doch nun einmal der beste<lb/> Zustand, den Gott den Menschen hat gönnen wollen". Es braucht niemand<lb/> Goethe zu sein, um sich der Gunst der Musen mit gleich gehobener Empfindung<lb/> Zu erfreuen. Dem Gestalt zu geben, was in unsrer Seele lebt, ist in der<lb/> That ein Endbinden unsrer besten Kräfte, ein Freiwerden vom Drucke des<lb/> Stoffes, und wer athmete nicht gern einmal in dem feinen Aether des idealen<lb/> Schaffens? Dennoch wird nicht ungestraft vom Tische der Götter gespeist. Die<lb/> gewöhnliche Tageskost verliert an Reiz. Die Nüchternheiten der Berufspflichten<lb/> beginnen abstoßender zu wirken. Unmerklich spannen sich Saiten ab, welche<lb/> einen kräftigen, wenn auch rauhen Ton versprachen, und andere straffen sich,<lb/> deren vielverheißender Klang bald genug sich als trügerisch und ohne auf-<lb/> haltende Dauerfähigkcit erweist. Aber die neue Lebensbahn ist einmal be¬<lb/> teten, die alten Gleise lassen sich nicht wiederfinden. Kleine Erfolge reizen<lb/> zum Erstreben großer. Die goldnen Ernten der Mittelmäßigkeit erwecken.<lb/> Wenn nicht den Neid, so doch, im Bewußtsein reinerer Ziele und edlerer Be¬<lb/> gabung, den Zorn des Anerkennungerzwingenwollens, den Wahn des Siegen-<lb/> wüssens auf Grund des besseren Könnens. Eine Hoffnung vertröstet die andere,<lb/> eine Selbsttäuschung belügt die andere, und endlich versinkt die Wirklichkeit</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 41*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0303]
Hier ist der betreffende Paragraph s§ 1) der alten, jetzt wieder allseitig
anerkannten Sahungen:
„Die Schillerstiftung hat den Zweck, deutsche Schriftsteller und Schrift¬
stellerinnen, welche für die Nationalliteratur (mit Ausschluß der strengen Fach¬
wissenschaften) verdienstlich gewirkt, vorzugsweise solche, die sich dichterischer
Formen bedient haben, dadurch zu ehren, daß sie ihnen oder ihren Nächstange¬
hörigen Hinterlassenen in Fällen über sie verhängter schwerer Lebenssorge Hilfe
und Beistand darbietet.
„Sollten es die Mittel erlauben, und Schriftsteller oder Schriftstellerinnen,
auf welche obige Merkmale nicht sämmtlich zutreffen, zu Hilfe und Beistand
empfohlen werden, so bleibt deren Berücksichtigung dem Ermessen des Verwal-
tungsraths überlassen."
Es ist schon bei der ersten Gründung auf die Gefahren aufmerksam gemacht
worden, welche Stiftungen dieser Art in ihrem Schooße bergen. Ohne Zweifel
fehlt es uns in Deutschland nicht an Personen, welche ansprechende Gedichte
machen, obschon sie nicht eigentlichen Dichterberuf haben, und obschon sie und
die Ihrigen sich ohne jene Fertigkeit weit besser befinden würden. Die Enge
unsrer politischen Verhältnisse und die große Verbreitung von allerlei im Leben
uicht immer verwerthbaren ästhetischen Kenntnissen sorgen dafür, daß nach wie
bor das deutsche Gemüth sich mit Vorliebe, wenn auch häufig ohne alle Hörer,
im Blasen der Pansflöte gefällt. Diese friedliche Beschäftigung ist nun leider
weniger harmlos, als es scheinen möchte. Goethe sagt einmal in seinem Brief¬
wechsel mit Schiller: „Die poetische Thätigkeit ist doch nun einmal der beste
Zustand, den Gott den Menschen hat gönnen wollen". Es braucht niemand
Goethe zu sein, um sich der Gunst der Musen mit gleich gehobener Empfindung
Zu erfreuen. Dem Gestalt zu geben, was in unsrer Seele lebt, ist in der
That ein Endbinden unsrer besten Kräfte, ein Freiwerden vom Drucke des
Stoffes, und wer athmete nicht gern einmal in dem feinen Aether des idealen
Schaffens? Dennoch wird nicht ungestraft vom Tische der Götter gespeist. Die
gewöhnliche Tageskost verliert an Reiz. Die Nüchternheiten der Berufspflichten
beginnen abstoßender zu wirken. Unmerklich spannen sich Saiten ab, welche
einen kräftigen, wenn auch rauhen Ton versprachen, und andere straffen sich,
deren vielverheißender Klang bald genug sich als trügerisch und ohne auf-
haltende Dauerfähigkcit erweist. Aber die neue Lebensbahn ist einmal be¬
teten, die alten Gleise lassen sich nicht wiederfinden. Kleine Erfolge reizen
zum Erstreben großer. Die goldnen Ernten der Mittelmäßigkeit erwecken.
Wenn nicht den Neid, so doch, im Bewußtsein reinerer Ziele und edlerer Be¬
gabung, den Zorn des Anerkennungerzwingenwollens, den Wahn des Siegen-
wüssens auf Grund des besseren Könnens. Eine Hoffnung vertröstet die andere,
eine Selbsttäuschung belügt die andere, und endlich versinkt die Wirklichkeit
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