Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Bei den zu jener Zeit und mit geringen Ausnahmen noch jetzt herrschenden Man wird das Gesagte nicht übertrieben finden, wenn man sich z. B. nur Ebenso wurden bei der Stephanskirche die einzelnen Giebel, einzelne Ka¬ Bei den zu jener Zeit und mit geringen Ausnahmen noch jetzt herrschenden Man wird das Gesagte nicht übertrieben finden, wenn man sich z. B. nur Ebenso wurden bei der Stephanskirche die einzelnen Giebel, einzelne Ka¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0292" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283645"/> <p xml:id="ID_819"> Bei den zu jener Zeit und mit geringen Ausnahmen noch jetzt herrschenden<lb/> Ansichten war es ganz natürlich, daß man jede Verfügung der Regierung,<lb/> mochte die Sache auch durch die Nothwendigkeit geboten oder gar von<lb/> der früheren Negierung beschlossen und begonnen worden sein, als einzige Folge<lb/> allerhöchster Huld und Gnade darstellte und die Masse der Bevölkerung von der<lb/> Nichtigkeit dieser Anschauung durch verschiedene gewöhnlich sehr kostspielige<lb/> Mittel zu überzeugen suchte. Daher wurde die Grund- und Schlußsteinleguug<lb/> selbst geringfügiger Bauten mit Pomp in Scene gesetzt, ja es geschah,<lb/> daß, obgleich man bei einem Gebäude schon eine Grundsteinlegung gefeiert<lb/> hatte und auch eine Schlußstcinlegung vorbereitet wurde, auch noch die<lb/> einzelnen Theile des Gebäudes oder bestimmte Räume desselben, z. B. Kapelle,<lb/> Empfangsaal u. tgi. feierlich eingeweiht oder eröffnet wurden, worauf es zum<lb/> Schlüsse unter irgend einem Vorwande noch eine letzte außer dem Programm<lb/> stehende Cardinalfestlichkeit gab. Auch kam es vor, daß man die Jahrestage<lb/> derartiger Festivitäten auf gleiche Weise feierte.</p><lb/> <p xml:id="ID_820"> Man wird das Gesagte nicht übertrieben finden, wenn man sich z. B. nur<lb/> daran erinnert, daß im Jahee 18S6 im Mai die Grundsteinlegung der Votiv-<lb/> kirche, im Juni die Schlußsteinlegung des Arsenals, einige Wochen später die<lb/> Einweihung der Kirche, dann die Eröffnung des Sitzungssaales des Arsenals<lb/> und — wenn wir nicht irren — die Grundsteinlegung des Karlsmonumcntes<lb/> stattfand. Gleichwohl stehen noch die feierliche Eröffnung des Museums in dem<lb/> Arsenal und die Enthüllung der Bildsäule des Kaisers Franz Joseph bevor.</p><lb/> <p xml:id="ID_821" next="#ID_822"> Ebenso wurden bei der Stephanskirche die einzelnen Giebel, einzelne Ka¬<lb/> pellen und schließlich der Adler auf dem Thurme geweiht und selbst die Besich¬<lb/> tigung eines oder des andern noch im Bau begriffenen Theiles machte man zum<lb/> Gegenstand einer besondern Festlichkeit. Bei dem Bau dieser beiden Kirchen,<lb/> mit welchen die Regierung eigentlich nichts zu schaffen hatte, zeigte sich das<lb/> Bestreben der „Gutgesinnten", alles Verdienst nur der einen Sonne zuzuwenden<lb/> und alles Glück und Heil nur von dort empfangen zu wollen, in auffälligster<lb/> Weise. Für die Stephanskirche bestand ein eigener Dombaufond, welcher aus<lb/> den Erträgnissen einiger noch aus früherer Zeit datirenden Stiftungen und aus<lb/> freiwilligen Beiträgen gebildet wurde. Der Bau war also eine Angelegenheit<lb/> des Dombaucomites oder höchstens der Gemeinde, und wenn auch der Kaiser<lb/> einen Beitrag aus den Staatskassen anweisen ließ, so war diese Summe streng<lb/> genommen nur der Gabe jedes andern Privatmannes gleichzurichten. In noch<lb/> höherem Grade war dieses bei der Votivkirehe der Fall, deren Bau ganz von<lb/> den durch Sammlung zusammengebrachte» Geldern bestritten werden sollte.<lb/> Freilich war diese Quelle ziemlich bald erschöpft, worauf der erlauchte Patron<lb/> des Unternehmens andere Fonds zu eröffnen suchte und den Bau des auf seine<lb/> Anregung begonnenen Gotteshauses wenigstens nicht ganz ins Stocken gerathen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0292]
Bei den zu jener Zeit und mit geringen Ausnahmen noch jetzt herrschenden
Ansichten war es ganz natürlich, daß man jede Verfügung der Regierung,
mochte die Sache auch durch die Nothwendigkeit geboten oder gar von
der früheren Negierung beschlossen und begonnen worden sein, als einzige Folge
allerhöchster Huld und Gnade darstellte und die Masse der Bevölkerung von der
Nichtigkeit dieser Anschauung durch verschiedene gewöhnlich sehr kostspielige
Mittel zu überzeugen suchte. Daher wurde die Grund- und Schlußsteinleguug
selbst geringfügiger Bauten mit Pomp in Scene gesetzt, ja es geschah,
daß, obgleich man bei einem Gebäude schon eine Grundsteinlegung gefeiert
hatte und auch eine Schlußstcinlegung vorbereitet wurde, auch noch die
einzelnen Theile des Gebäudes oder bestimmte Räume desselben, z. B. Kapelle,
Empfangsaal u. tgi. feierlich eingeweiht oder eröffnet wurden, worauf es zum
Schlüsse unter irgend einem Vorwande noch eine letzte außer dem Programm
stehende Cardinalfestlichkeit gab. Auch kam es vor, daß man die Jahrestage
derartiger Festivitäten auf gleiche Weise feierte.
Man wird das Gesagte nicht übertrieben finden, wenn man sich z. B. nur
daran erinnert, daß im Jahee 18S6 im Mai die Grundsteinlegung der Votiv-
kirche, im Juni die Schlußsteinlegung des Arsenals, einige Wochen später die
Einweihung der Kirche, dann die Eröffnung des Sitzungssaales des Arsenals
und — wenn wir nicht irren — die Grundsteinlegung des Karlsmonumcntes
stattfand. Gleichwohl stehen noch die feierliche Eröffnung des Museums in dem
Arsenal und die Enthüllung der Bildsäule des Kaisers Franz Joseph bevor.
Ebenso wurden bei der Stephanskirche die einzelnen Giebel, einzelne Ka¬
pellen und schließlich der Adler auf dem Thurme geweiht und selbst die Besich¬
tigung eines oder des andern noch im Bau begriffenen Theiles machte man zum
Gegenstand einer besondern Festlichkeit. Bei dem Bau dieser beiden Kirchen,
mit welchen die Regierung eigentlich nichts zu schaffen hatte, zeigte sich das
Bestreben der „Gutgesinnten", alles Verdienst nur der einen Sonne zuzuwenden
und alles Glück und Heil nur von dort empfangen zu wollen, in auffälligster
Weise. Für die Stephanskirche bestand ein eigener Dombaufond, welcher aus
den Erträgnissen einiger noch aus früherer Zeit datirenden Stiftungen und aus
freiwilligen Beiträgen gebildet wurde. Der Bau war also eine Angelegenheit
des Dombaucomites oder höchstens der Gemeinde, und wenn auch der Kaiser
einen Beitrag aus den Staatskassen anweisen ließ, so war diese Summe streng
genommen nur der Gabe jedes andern Privatmannes gleichzurichten. In noch
höherem Grade war dieses bei der Votivkirehe der Fall, deren Bau ganz von
den durch Sammlung zusammengebrachte» Geldern bestritten werden sollte.
Freilich war diese Quelle ziemlich bald erschöpft, worauf der erlauchte Patron
des Unternehmens andere Fonds zu eröffnen suchte und den Bau des auf seine
Anregung begonnenen Gotteshauses wenigstens nicht ganz ins Stocken gerathen
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