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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Vor diesem Zwing-Uri kann Wiens Bevölkerung ruhig schlafen. Die wenigen
Kanonen, welche man etwa auf den Terrassen der einzelnen Kasernen und Ma¬
gazine (zum nicht geringen Schaden derselben) aufstellen könnte, würden von
den Dämmen der Südbahn genau denselben Effect hervorbringen. Gegen einen
Pöbelauflauf sind die Wasservorräthe des Arsenals allerdings gesichert, wenn
nämlich die Besatzung rechtzeitig allarmirt wird und die Thore zu schließen ver¬
mag; doch würde derselbe Zweck auch durch eine solide mit einigen Schießlöchern
versehene Umfassungsmauer erreicht worden sein, und es hätten darum einige
Millionen erspart werden können. Gegen einen äußeren Feind oder gegen eine
allgemeine Volkserhebung aber ist das Arsenal wehrlos. Nicht nur wird das¬
selbe dergestalt von naheliegenden Anhöhen eingesehen und beherrscht, daß selbst
tüchtige Festungswerke einem mit schwerer Artillerie versehenen Angreifer in
einigen Stunden erliegen müßten, sondern die ganze Bauart des Arsenals ist
von der Art, daß einige leichte Feldbaiterien durch in die riesigen Fenster hin¬
eingebrachte Granaten und durch Herabstürzen der zahlreichen minaretartigen
Thürmchen und Zinnen die Besatzung zur Flucht oder Uebergabe zwingen wür¬
den. Und dann hat der Feind nicht nur die kolossalsten Wasservorräthe aus
einem Punkt vereinigt vor sich, um sie bequem fortschaffen zu können, sondern
er kann bei nur kurzem Verweilen durch Zerstörung der Maschinen die östrei¬
chischen Kriegsrüstungen für lange Zeit völlig lähmen.

Die Anstrengungen, welche der Bau des Arsenals erforderte, hinderten
wenigstens in den ersten Jahren die Inangriffnahme anderer größerer Bauten.
Was demungeachtet geschaffen wurde, waren wieder Militärbauten. So wurde
das Palais der ehemaligen italienischen Garde ,den Offizieren der Cavallerie-
equitation eingeräumt und dem Palais gegenüber eine riesige Reitschule erbaut.
Eine andere Reitschule wurde für die Artilleriecquitation in einem Hofe der
großen Artillerielaserne gebaut. Dieses Gebäude war wirklich zweckmäßig
und an sich geschmackvoll, konnte aber keinen Effect hervorbringen, da es in
dem Kasernenhofe steckte wie ein Weinkrug in einem Kühleimer.

Man mochte erkannt haben, daß das Arsenal seinem Zwecke nicht genügend
entspreche, und wünschte darum ein noch näheres und stärkeres Zwing-Uri zu
besitzen. Und ein solches meinte man in der aus zwei Theilen bestehenden
Franz-Josephskaserne zu schaffen. Das nicht unschöne Thor, welches als eine
(vielleicht für die Zukunftssiege von Magenta und Solferino gewidmete) Sieges-
pfvrte betrachtet wurde, contrastirte seltsam mit der in dem düstersten Block¬
hausstil aufgeführten Doppelkaserne, die namentlich seit der Demolirung der
ihren unteren Theil umgebenden Wallmauer und von dem gegenüberliegenden
Donauufer gesehen eine frappante Aehnlichkeit mit der Bastille besitzt.

Mit Stolz blickte man auf die erwähnten vier Gebäude! Kamen fremde
Prinzen, Generale oder Diplomaten nach Wien, so stand die 'Besichtigung


Vor diesem Zwing-Uri kann Wiens Bevölkerung ruhig schlafen. Die wenigen
Kanonen, welche man etwa auf den Terrassen der einzelnen Kasernen und Ma¬
gazine (zum nicht geringen Schaden derselben) aufstellen könnte, würden von
den Dämmen der Südbahn genau denselben Effect hervorbringen. Gegen einen
Pöbelauflauf sind die Wasservorräthe des Arsenals allerdings gesichert, wenn
nämlich die Besatzung rechtzeitig allarmirt wird und die Thore zu schließen ver¬
mag; doch würde derselbe Zweck auch durch eine solide mit einigen Schießlöchern
versehene Umfassungsmauer erreicht worden sein, und es hätten darum einige
Millionen erspart werden können. Gegen einen äußeren Feind oder gegen eine
allgemeine Volkserhebung aber ist das Arsenal wehrlos. Nicht nur wird das¬
selbe dergestalt von naheliegenden Anhöhen eingesehen und beherrscht, daß selbst
tüchtige Festungswerke einem mit schwerer Artillerie versehenen Angreifer in
einigen Stunden erliegen müßten, sondern die ganze Bauart des Arsenals ist
von der Art, daß einige leichte Feldbaiterien durch in die riesigen Fenster hin¬
eingebrachte Granaten und durch Herabstürzen der zahlreichen minaretartigen
Thürmchen und Zinnen die Besatzung zur Flucht oder Uebergabe zwingen wür¬
den. Und dann hat der Feind nicht nur die kolossalsten Wasservorräthe aus
einem Punkt vereinigt vor sich, um sie bequem fortschaffen zu können, sondern
er kann bei nur kurzem Verweilen durch Zerstörung der Maschinen die östrei¬
chischen Kriegsrüstungen für lange Zeit völlig lähmen.

Die Anstrengungen, welche der Bau des Arsenals erforderte, hinderten
wenigstens in den ersten Jahren die Inangriffnahme anderer größerer Bauten.
Was demungeachtet geschaffen wurde, waren wieder Militärbauten. So wurde
das Palais der ehemaligen italienischen Garde ,den Offizieren der Cavallerie-
equitation eingeräumt und dem Palais gegenüber eine riesige Reitschule erbaut.
Eine andere Reitschule wurde für die Artilleriecquitation in einem Hofe der
großen Artillerielaserne gebaut. Dieses Gebäude war wirklich zweckmäßig
und an sich geschmackvoll, konnte aber keinen Effect hervorbringen, da es in
dem Kasernenhofe steckte wie ein Weinkrug in einem Kühleimer.

Man mochte erkannt haben, daß das Arsenal seinem Zwecke nicht genügend
entspreche, und wünschte darum ein noch näheres und stärkeres Zwing-Uri zu
besitzen. Und ein solches meinte man in der aus zwei Theilen bestehenden
Franz-Josephskaserne zu schaffen. Das nicht unschöne Thor, welches als eine
(vielleicht für die Zukunftssiege von Magenta und Solferino gewidmete) Sieges-
pfvrte betrachtet wurde, contrastirte seltsam mit der in dem düstersten Block¬
hausstil aufgeführten Doppelkaserne, die namentlich seit der Demolirung der
ihren unteren Theil umgebenden Wallmauer und von dem gegenüberliegenden
Donauufer gesehen eine frappante Aehnlichkeit mit der Bastille besitzt.

Mit Stolz blickte man auf die erwähnten vier Gebäude! Kamen fremde
Prinzen, Generale oder Diplomaten nach Wien, so stand die 'Besichtigung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/290>, abgerufen am 15.01.2025.