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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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men; auch ist jede Pflege berechtigt, 24 Bäume auf die Allmend zu setzen,
die ihr so lange zu eigen verbleiben, als sie dieselben gehörig unterhält. Den
Armenpfleger ist endlich auch ein Strafrecht eingeräumt, nach dem sie solche,
die sich unehrerbietig gegen sie betragen, lügen, die Armenpflege mißbrauchen,
sich "dem Gassenbettel ohne Noth ergeben", die Predigt und Christenlehre ver¬
nachlässigen, liederlich ihr Geld im Wirthshaus verthun, mit Einsparung bei
Wasser und Brod und selbst mit Prügelstrafe belegen dürfen.

Die Verwandtschaftssteuer der Urner, ein Gegenstück zum Erbrecht, und
daS Fortrücken der Unterstützungspflicht von der Familie zur Gemeinde, öffnet
einen interessanten Blick in das Verhältniß von Familie, Gemeinde und
Staat. Die Familie, in welcher der Einzelne zunächst seinen Werth hat, bildet
die natürliche Grundlage des Staates, und sie erscheint als solche in den
Schweizercantonen deutlicher als anderwärts. Sie erweitert sich zum Geschlecht,
dem noch der gemeinschaftliche Name Zeichen der Zusammengehörigkeit ist. Das
Zusammenwohnen der verschiedenen Familien und Geschlechter, die Nachbar¬
schaft, ist ein anderes natürliches Band, und die darauf gebauten Gemeinden
haben in der Schweiz eine so feste staatenähnliche Organisation, daß sie sicht¬
bar die Brücke von der Familie zum Staate bilden. "In der Tüchtigkeit des
Gemeindcwesens," sagt unsre Schrift, "ruht die Kraft der Schweiz, und alle
Schwankungen in den verschiedenen Kreisen des politischen Lebens vermögen
nicht, diese Grundfeste zu erschüttern." -- "Wie sehr die Schweizer wissen, was
ihnen die Gemeinde ist, das zeigt ihr Festhalten an dem Gemeindebürgerrccht
der Heimath, wohin sie auch in den beiden Hemisphären verschlagen werden,
das zeigt die jahrhundertlange Seßhaftigkeit der Familien in denselben Ge¬
meinden. Hört man den Namen Zwicky, so weiß man, daß er nach Glarus
und speciel nach Mollis hinweist, Kamenzied muß von Gersau sein, Lusser von
Altorf, Elsinger ist von Menzingen, Merian von Basel, Escher von Zürich.
Eine ganz eigenthümliche Erscheinung bietet Unter-Aegeri im Canton Zug.
Wie Adam auf Hebräisch Mensch heißt, so ist dort Jtem fast gleichbedeutend
mit Mensch, da von den 2423 Bürgern der Gemeinde der Clan Jtem die
Hälfte, ja ich möchte fast glauben, noch mehr umfaßt."

Kehren wir nach Uri zurück, so dient schließlich zu dessen Charakteristik
noch das strenge Sittenmandat von 1860, welches "zur Vermehrung der Ehre
Gottes, Abschaffung schädlicher Mißbräuche, Handhabung guter Ordnung und
besserer Beobachtung der Gesetze" erlassen wurde und alljährlich einmal in den
Gemeinden vorgelesen werden soll. Dasselbe beginnt mit Einschärfung eines
regelmäßigen Kirchenbesuchs und einer christlichen Sonntagsfeier und geht dann
auf den Schulbesuch und ähnliches über. Bei dem Gottesdienst, vor der
Obrigkeit und in der Landsgemeinde soll jedermann anständig gekleidet er¬
scheinen, "beinebens sind sowohl Manns- als Weibspersonen jeden Standes "ach-


men; auch ist jede Pflege berechtigt, 24 Bäume auf die Allmend zu setzen,
die ihr so lange zu eigen verbleiben, als sie dieselben gehörig unterhält. Den
Armenpfleger ist endlich auch ein Strafrecht eingeräumt, nach dem sie solche,
die sich unehrerbietig gegen sie betragen, lügen, die Armenpflege mißbrauchen,
sich „dem Gassenbettel ohne Noth ergeben", die Predigt und Christenlehre ver¬
nachlässigen, liederlich ihr Geld im Wirthshaus verthun, mit Einsparung bei
Wasser und Brod und selbst mit Prügelstrafe belegen dürfen.

Die Verwandtschaftssteuer der Urner, ein Gegenstück zum Erbrecht, und
daS Fortrücken der Unterstützungspflicht von der Familie zur Gemeinde, öffnet
einen interessanten Blick in das Verhältniß von Familie, Gemeinde und
Staat. Die Familie, in welcher der Einzelne zunächst seinen Werth hat, bildet
die natürliche Grundlage des Staates, und sie erscheint als solche in den
Schweizercantonen deutlicher als anderwärts. Sie erweitert sich zum Geschlecht,
dem noch der gemeinschaftliche Name Zeichen der Zusammengehörigkeit ist. Das
Zusammenwohnen der verschiedenen Familien und Geschlechter, die Nachbar¬
schaft, ist ein anderes natürliches Band, und die darauf gebauten Gemeinden
haben in der Schweiz eine so feste staatenähnliche Organisation, daß sie sicht¬
bar die Brücke von der Familie zum Staate bilden. „In der Tüchtigkeit des
Gemeindcwesens," sagt unsre Schrift, „ruht die Kraft der Schweiz, und alle
Schwankungen in den verschiedenen Kreisen des politischen Lebens vermögen
nicht, diese Grundfeste zu erschüttern." — „Wie sehr die Schweizer wissen, was
ihnen die Gemeinde ist, das zeigt ihr Festhalten an dem Gemeindebürgerrccht
der Heimath, wohin sie auch in den beiden Hemisphären verschlagen werden,
das zeigt die jahrhundertlange Seßhaftigkeit der Familien in denselben Ge¬
meinden. Hört man den Namen Zwicky, so weiß man, daß er nach Glarus
und speciel nach Mollis hinweist, Kamenzied muß von Gersau sein, Lusser von
Altorf, Elsinger ist von Menzingen, Merian von Basel, Escher von Zürich.
Eine ganz eigenthümliche Erscheinung bietet Unter-Aegeri im Canton Zug.
Wie Adam auf Hebräisch Mensch heißt, so ist dort Jtem fast gleichbedeutend
mit Mensch, da von den 2423 Bürgern der Gemeinde der Clan Jtem die
Hälfte, ja ich möchte fast glauben, noch mehr umfaßt."

Kehren wir nach Uri zurück, so dient schließlich zu dessen Charakteristik
noch das strenge Sittenmandat von 1860, welches „zur Vermehrung der Ehre
Gottes, Abschaffung schädlicher Mißbräuche, Handhabung guter Ordnung und
besserer Beobachtung der Gesetze" erlassen wurde und alljährlich einmal in den
Gemeinden vorgelesen werden soll. Dasselbe beginnt mit Einschärfung eines
regelmäßigen Kirchenbesuchs und einer christlichen Sonntagsfeier und geht dann
auf den Schulbesuch und ähnliches über. Bei dem Gottesdienst, vor der
Obrigkeit und in der Landsgemeinde soll jedermann anständig gekleidet er¬
scheinen, „beinebens sind sowohl Manns- als Weibspersonen jeden Standes »ach-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/284>, abgerufen am 15.01.2025.