Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

drucksamst gemahnt, sich standesgemäß in Gebühr und Ehrbarkeit zu be¬
kleiden und alle unanständige und für ihren Stand zu koftsp ielige Kleidung
zu vermeiden." Die Polizeistunde -- zehn Uhr -- ist eingeschärft, doch sind
zweckdienliche Ausnahmen gestattet. Für die Nachtruhe ist in eigenthümlicher
Weise gesorgt: "Das leichtfertige Ncdverkehren, ungebührliche Jolcreien. Licht¬
auslöscher, sich niederducken und alle dergleichen Unfuge und Lärmereien zur
Nachtzeit sind bei 23 Franken, schwere Bübereien, als Thüren und Fenster ein¬
schlagen und andere solche sträfliche Handlungen bei 46 Franken Buße verboten;
in schweren Fällen dieser Art ist der Thäter noch schärfer, allenfalls mit Ge¬
fangenschaft und körperlicher Züchtigung zu strafen."

Sowohl den Landeseingcsessen als den Fremden ist befohlen, "Frieden
zu bieten und Frieden aufzunehmen" und nach Möglichkeit dahin zu wirken,
daß es nicht zu Schlägen und Thätlichkeiten komme. Maskeraden sind in ge¬
hörige Grenzen gewiesen, auch für die Gesundheit des durstigen Publikums ist ge¬
sorgt, indem es heißt: "Es soll keinerlei schlechtes oder unwerthschaftes Getränk
bei 46 Franken Buße ausgewirthschaftet werden, und dem Kläger soll die
Hälfte dieser Buße zukommen." Mit großem Eifer kehrt sich Art. 7 des Mau¬
bads gegen die Glücksspiele und läuft in die Drohung aus: "Das Flißlen und
Oberländer, das Roulett- und Würfelspiel sowie andere bietende Spiele sind
bei 176 Franken Strafe verboten." Eine sehr schöne Bestimmung, aber wie,
wenn man damit die berüchtigte urner Lotterie vergleicht?

Im Jahre 1803 unternahmen einige Privatleute in Altorf die Errichtung einer
Lotterie "ausschließlich zum Besten der Armen", und die Regierung ertheilte der¬
selben die hochobrigkeitliche Bewilligung und Garantie. Darauf aber wurde
die Lotterie gegen eine jährliche Pachtsumme von 130 Gulden vergeben, welche
später auf 390 Gulden und zuletzt aus 7,200 Franken stieg, die theils in
die Ccntralarmenkasse, theils in die Staatskasse des Cantons fallen. Gleich¬
mäßig steigerte sich das garantirte Spielcapital, welches jetzt jährlich mehr als
drei Millionen beträgt. An der Spitze des Plans steht immer noch "zum
Besten der Armen", aber die Armen erhalten von dem Ertrag nur wenige
tausend Franken, während die Besitzer mit ihrer Lotterie für die Armuth "lord¬
reiche Leute geworden sind". Der jährliche Prosit der letzteren oder mit an-
dern Worten die Summe, um welche diese Lotterie alljährlich das schweizerische
Publikum besteuert, beträgt nach der Berechnung eines deutschen in der Schweiz
lebenden Statistikers 646,918 Franken, und auf die Frage, welchen Beitrag
das Institut an den Staats- und Gemeindehaushalt leiste, lautet die Antwort,
daß jene Pachtsumme von 7.200 Franken über die 14.800 Köpfe zählende
Bevölkerung des Cantons Uri vertheilt auf den Kopf nur etwa 48 Centimes
ergiebt.

Die schweizerische gemeinnützige Gesellschaft hat sich in der Jahresver-


39*

drucksamst gemahnt, sich standesgemäß in Gebühr und Ehrbarkeit zu be¬
kleiden und alle unanständige und für ihren Stand zu koftsp ielige Kleidung
zu vermeiden." Die Polizeistunde — zehn Uhr — ist eingeschärft, doch sind
zweckdienliche Ausnahmen gestattet. Für die Nachtruhe ist in eigenthümlicher
Weise gesorgt: „Das leichtfertige Ncdverkehren, ungebührliche Jolcreien. Licht¬
auslöscher, sich niederducken und alle dergleichen Unfuge und Lärmereien zur
Nachtzeit sind bei 23 Franken, schwere Bübereien, als Thüren und Fenster ein¬
schlagen und andere solche sträfliche Handlungen bei 46 Franken Buße verboten;
in schweren Fällen dieser Art ist der Thäter noch schärfer, allenfalls mit Ge¬
fangenschaft und körperlicher Züchtigung zu strafen."

Sowohl den Landeseingcsessen als den Fremden ist befohlen, „Frieden
zu bieten und Frieden aufzunehmen" und nach Möglichkeit dahin zu wirken,
daß es nicht zu Schlägen und Thätlichkeiten komme. Maskeraden sind in ge¬
hörige Grenzen gewiesen, auch für die Gesundheit des durstigen Publikums ist ge¬
sorgt, indem es heißt: „Es soll keinerlei schlechtes oder unwerthschaftes Getränk
bei 46 Franken Buße ausgewirthschaftet werden, und dem Kläger soll die
Hälfte dieser Buße zukommen." Mit großem Eifer kehrt sich Art. 7 des Mau¬
bads gegen die Glücksspiele und läuft in die Drohung aus: „Das Flißlen und
Oberländer, das Roulett- und Würfelspiel sowie andere bietende Spiele sind
bei 176 Franken Strafe verboten." Eine sehr schöne Bestimmung, aber wie,
wenn man damit die berüchtigte urner Lotterie vergleicht?

Im Jahre 1803 unternahmen einige Privatleute in Altorf die Errichtung einer
Lotterie „ausschließlich zum Besten der Armen", und die Regierung ertheilte der¬
selben die hochobrigkeitliche Bewilligung und Garantie. Darauf aber wurde
die Lotterie gegen eine jährliche Pachtsumme von 130 Gulden vergeben, welche
später auf 390 Gulden und zuletzt aus 7,200 Franken stieg, die theils in
die Ccntralarmenkasse, theils in die Staatskasse des Cantons fallen. Gleich¬
mäßig steigerte sich das garantirte Spielcapital, welches jetzt jährlich mehr als
drei Millionen beträgt. An der Spitze des Plans steht immer noch „zum
Besten der Armen", aber die Armen erhalten von dem Ertrag nur wenige
tausend Franken, während die Besitzer mit ihrer Lotterie für die Armuth „lord¬
reiche Leute geworden sind". Der jährliche Prosit der letzteren oder mit an-
dern Worten die Summe, um welche diese Lotterie alljährlich das schweizerische
Publikum besteuert, beträgt nach der Berechnung eines deutschen in der Schweiz
lebenden Statistikers 646,918 Franken, und auf die Frage, welchen Beitrag
das Institut an den Staats- und Gemeindehaushalt leiste, lautet die Antwort,
daß jene Pachtsumme von 7.200 Franken über die 14.800 Köpfe zählende
Bevölkerung des Cantons Uri vertheilt auf den Kopf nur etwa 48 Centimes
ergiebt.

Die schweizerische gemeinnützige Gesellschaft hat sich in der Jahresver-


39*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0285" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283638"/>
          <p xml:id="ID_794" prev="#ID_793"> drucksamst gemahnt, sich standesgemäß in Gebühr und Ehrbarkeit zu be¬<lb/>
kleiden und alle unanständige und für ihren Stand zu koftsp ielige Kleidung<lb/>
zu vermeiden." Die Polizeistunde &#x2014; zehn Uhr &#x2014; ist eingeschärft, doch sind<lb/>
zweckdienliche Ausnahmen gestattet. Für die Nachtruhe ist in eigenthümlicher<lb/>
Weise gesorgt: &#x201E;Das leichtfertige Ncdverkehren, ungebührliche Jolcreien. Licht¬<lb/>
auslöscher, sich niederducken und alle dergleichen Unfuge und Lärmereien zur<lb/>
Nachtzeit sind bei 23 Franken, schwere Bübereien, als Thüren und Fenster ein¬<lb/>
schlagen und andere solche sträfliche Handlungen bei 46 Franken Buße verboten;<lb/>
in schweren Fällen dieser Art ist der Thäter noch schärfer, allenfalls mit Ge¬<lb/>
fangenschaft und körperlicher Züchtigung zu strafen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_795"> Sowohl den Landeseingcsessen als den Fremden ist befohlen, &#x201E;Frieden<lb/>
zu bieten und Frieden aufzunehmen" und nach Möglichkeit dahin zu wirken,<lb/>
daß es nicht zu Schlägen und Thätlichkeiten komme. Maskeraden sind in ge¬<lb/>
hörige Grenzen gewiesen, auch für die Gesundheit des durstigen Publikums ist ge¬<lb/>
sorgt, indem es heißt: &#x201E;Es soll keinerlei schlechtes oder unwerthschaftes Getränk<lb/>
bei 46 Franken Buße ausgewirthschaftet werden, und dem Kläger soll die<lb/>
Hälfte dieser Buße zukommen." Mit großem Eifer kehrt sich Art. 7 des Mau¬<lb/>
bads gegen die Glücksspiele und läuft in die Drohung aus: &#x201E;Das Flißlen und<lb/>
Oberländer, das Roulett- und Würfelspiel sowie andere bietende Spiele sind<lb/>
bei 176 Franken Strafe verboten." Eine sehr schöne Bestimmung, aber wie,<lb/>
wenn man damit die berüchtigte urner Lotterie vergleicht?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_796"> Im Jahre 1803 unternahmen einige Privatleute in Altorf die Errichtung einer<lb/>
Lotterie &#x201E;ausschließlich zum Besten der Armen", und die Regierung ertheilte der¬<lb/>
selben die hochobrigkeitliche Bewilligung und Garantie. Darauf aber wurde<lb/>
die Lotterie gegen eine jährliche Pachtsumme von 130 Gulden vergeben, welche<lb/>
später auf 390 Gulden und zuletzt aus 7,200 Franken stieg, die theils in<lb/>
die Ccntralarmenkasse, theils in die Staatskasse des Cantons fallen. Gleich¬<lb/>
mäßig steigerte sich das garantirte Spielcapital, welches jetzt jährlich mehr als<lb/>
drei Millionen beträgt. An der Spitze des Plans steht immer noch &#x201E;zum<lb/>
Besten der Armen", aber die Armen erhalten von dem Ertrag nur wenige<lb/>
tausend Franken, während die Besitzer mit ihrer Lotterie für die Armuth &#x201E;lord¬<lb/>
reiche Leute geworden sind". Der jährliche Prosit der letzteren oder mit an-<lb/>
dern Worten die Summe, um welche diese Lotterie alljährlich das schweizerische<lb/>
Publikum besteuert, beträgt nach der Berechnung eines deutschen in der Schweiz<lb/>
lebenden Statistikers 646,918 Franken, und auf die Frage, welchen Beitrag<lb/>
das Institut an den Staats- und Gemeindehaushalt leiste, lautet die Antwort,<lb/>
daß jene Pachtsumme von 7.200 Franken über die 14.800 Köpfe zählende<lb/>
Bevölkerung des Cantons Uri vertheilt auf den Kopf nur etwa 48 Centimes<lb/>
ergiebt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_797" next="#ID_798"> Die schweizerische gemeinnützige Gesellschaft hat sich in der Jahresver-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 39*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0285] drucksamst gemahnt, sich standesgemäß in Gebühr und Ehrbarkeit zu be¬ kleiden und alle unanständige und für ihren Stand zu koftsp ielige Kleidung zu vermeiden." Die Polizeistunde — zehn Uhr — ist eingeschärft, doch sind zweckdienliche Ausnahmen gestattet. Für die Nachtruhe ist in eigenthümlicher Weise gesorgt: „Das leichtfertige Ncdverkehren, ungebührliche Jolcreien. Licht¬ auslöscher, sich niederducken und alle dergleichen Unfuge und Lärmereien zur Nachtzeit sind bei 23 Franken, schwere Bübereien, als Thüren und Fenster ein¬ schlagen und andere solche sträfliche Handlungen bei 46 Franken Buße verboten; in schweren Fällen dieser Art ist der Thäter noch schärfer, allenfalls mit Ge¬ fangenschaft und körperlicher Züchtigung zu strafen." Sowohl den Landeseingcsessen als den Fremden ist befohlen, „Frieden zu bieten und Frieden aufzunehmen" und nach Möglichkeit dahin zu wirken, daß es nicht zu Schlägen und Thätlichkeiten komme. Maskeraden sind in ge¬ hörige Grenzen gewiesen, auch für die Gesundheit des durstigen Publikums ist ge¬ sorgt, indem es heißt: „Es soll keinerlei schlechtes oder unwerthschaftes Getränk bei 46 Franken Buße ausgewirthschaftet werden, und dem Kläger soll die Hälfte dieser Buße zukommen." Mit großem Eifer kehrt sich Art. 7 des Mau¬ bads gegen die Glücksspiele und läuft in die Drohung aus: „Das Flißlen und Oberländer, das Roulett- und Würfelspiel sowie andere bietende Spiele sind bei 176 Franken Strafe verboten." Eine sehr schöne Bestimmung, aber wie, wenn man damit die berüchtigte urner Lotterie vergleicht? Im Jahre 1803 unternahmen einige Privatleute in Altorf die Errichtung einer Lotterie „ausschließlich zum Besten der Armen", und die Regierung ertheilte der¬ selben die hochobrigkeitliche Bewilligung und Garantie. Darauf aber wurde die Lotterie gegen eine jährliche Pachtsumme von 130 Gulden vergeben, welche später auf 390 Gulden und zuletzt aus 7,200 Franken stieg, die theils in die Ccntralarmenkasse, theils in die Staatskasse des Cantons fallen. Gleich¬ mäßig steigerte sich das garantirte Spielcapital, welches jetzt jährlich mehr als drei Millionen beträgt. An der Spitze des Plans steht immer noch „zum Besten der Armen", aber die Armen erhalten von dem Ertrag nur wenige tausend Franken, während die Besitzer mit ihrer Lotterie für die Armuth „lord¬ reiche Leute geworden sind". Der jährliche Prosit der letzteren oder mit an- dern Worten die Summe, um welche diese Lotterie alljährlich das schweizerische Publikum besteuert, beträgt nach der Berechnung eines deutschen in der Schweiz lebenden Statistikers 646,918 Franken, und auf die Frage, welchen Beitrag das Institut an den Staats- und Gemeindehaushalt leiste, lautet die Antwort, daß jene Pachtsumme von 7.200 Franken über die 14.800 Köpfe zählende Bevölkerung des Cantons Uri vertheilt auf den Kopf nur etwa 48 Centimes ergiebt. Die schweizerische gemeinnützige Gesellschaft hat sich in der Jahresver- 39*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/285
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/285>, abgerufen am 15.01.2025.