Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dem dortigen Rathhausplatze die Beamten und die hier wohnenden übrigen
Cautonsbürger zum feierlichen Zuge. Die höheren Beamten erscheinen in
schwarzer Kleidung mit seidnen Mänteln und Degen, die Rathsherren, Land¬
schreiber und- Fürsprecher treffen zu Pferde ein. Um Mittag setzt sich der Zug,
Mußt und die von Militär escortirte Landesfahne voran, in Bewegung. Zwei
Männer in alter Schweizertracht, die große mit Silber beschlagene Büffelhörner
tragen, folgen der Fahne. Daran reihen sich zwei Bediente mit den Land¬
gemeindeprotokollen, dem Landbuch und einem schwarz und gelben Sammet¬
beutel, der die Siegel und die Schlüssel zu den Archiven enthält. Der Groß-
weibcl in einem schwarz und gelben Talar von aller Form trägt den Stab mit
dem Reichsapfel, über welchem noch ein kleiner Apfel von einem Pfeil durch¬
bohrt angebracht ist. Der zweite trägt das mit schwarz und gelben Bändern
umwundene richterliche Schwert. Dann folgen die übrigen Weibel und eine
Anzahl Läufer, alle in den Landessarbcn, hiernach die berittenen Beamten und
zuletzt die Menge des Volkes.

In Bözlingen angelangt, macht man eine Pause, während welcher die
Musik auf dem Hügel über dem Laudsgemeiudcplatz die Melodie des alten
Tellenliedes spielt. Dann nehmen die Regierungsgliedcr, die Geistlichen und
wer sonst noch Raum findet, auf der innersten Bank des aus Balken und
Bretern erbauten Amphitheaters Platz. Der regierende Landammann stellt sich
an den in der Mitte des Kreises stehenden Tisch, ihm folgen der erste Land-
schreiber und zwei Bediente mit Schirmen gegen Sonne und Regen. Auf dem
Tische liegen die Gesetzbücher und Protokolle, der Beutel mit den Siegeln, und
Schlüsseln und Schrcibmaterial, unter demselben die beiden Büffelhörner, durch
welche zuvor das Volk "zum Ring" gerufen worden ist, daneben auf Trommeln
die zusammengewickelte Landesfahne. Die Weibel besteigen eine über dem
"Ring" befindliche Bank, und das Volk stellt sich frei und nach Belieben auf
die Flügel der kreisförmigen Bühne oder plaudert noch außerhalb derselben in
Gruppen, bis der Großweibel mit starker Stimme ruft: "Was Räth' und
Landleut' sind, zwanzig Jahr und. darüber, sollen zusammen am Ring stehen,
und das bei ihrem Eid!" Dieser Eid verpflichtet sie, "das Wohl des Vater¬
lands zu mehren und dessen Schaden zu wenden, zu stimmen und zu han¬
deln". Nun eröffnet der Landammann, der, wenn er redet, immer steht, mit
kurzen Worten die Versammlung und fordert dann auf, Gott um Beistand
und Segen für die Verhandlungen anzurufen, welchem vom Volk entblößten
Hauptes mit fünf Vaterunsern und gleichviclen Ave Maria entsprochen wird.

Sind über einen zur Abstimmung angesetzten Gegenstand verschiedene An¬
sichten geäußert, und hat der Landammann dieselben resunürt, so erfolgt die
Abstimmung, "das Mehreu" so, daß gefragt wird: "Wem also wohlgefällt,
daß--zum Gesetz erhoben sein soll, der hebe die Hand aus", oder: "Wem


dem dortigen Rathhausplatze die Beamten und die hier wohnenden übrigen
Cautonsbürger zum feierlichen Zuge. Die höheren Beamten erscheinen in
schwarzer Kleidung mit seidnen Mänteln und Degen, die Rathsherren, Land¬
schreiber und- Fürsprecher treffen zu Pferde ein. Um Mittag setzt sich der Zug,
Mußt und die von Militär escortirte Landesfahne voran, in Bewegung. Zwei
Männer in alter Schweizertracht, die große mit Silber beschlagene Büffelhörner
tragen, folgen der Fahne. Daran reihen sich zwei Bediente mit den Land¬
gemeindeprotokollen, dem Landbuch und einem schwarz und gelben Sammet¬
beutel, der die Siegel und die Schlüssel zu den Archiven enthält. Der Groß-
weibcl in einem schwarz und gelben Talar von aller Form trägt den Stab mit
dem Reichsapfel, über welchem noch ein kleiner Apfel von einem Pfeil durch¬
bohrt angebracht ist. Der zweite trägt das mit schwarz und gelben Bändern
umwundene richterliche Schwert. Dann folgen die übrigen Weibel und eine
Anzahl Läufer, alle in den Landessarbcn, hiernach die berittenen Beamten und
zuletzt die Menge des Volkes.

In Bözlingen angelangt, macht man eine Pause, während welcher die
Musik auf dem Hügel über dem Laudsgemeiudcplatz die Melodie des alten
Tellenliedes spielt. Dann nehmen die Regierungsgliedcr, die Geistlichen und
wer sonst noch Raum findet, auf der innersten Bank des aus Balken und
Bretern erbauten Amphitheaters Platz. Der regierende Landammann stellt sich
an den in der Mitte des Kreises stehenden Tisch, ihm folgen der erste Land-
schreiber und zwei Bediente mit Schirmen gegen Sonne und Regen. Auf dem
Tische liegen die Gesetzbücher und Protokolle, der Beutel mit den Siegeln, und
Schlüsseln und Schrcibmaterial, unter demselben die beiden Büffelhörner, durch
welche zuvor das Volk „zum Ring" gerufen worden ist, daneben auf Trommeln
die zusammengewickelte Landesfahne. Die Weibel besteigen eine über dem
„Ring" befindliche Bank, und das Volk stellt sich frei und nach Belieben auf
die Flügel der kreisförmigen Bühne oder plaudert noch außerhalb derselben in
Gruppen, bis der Großweibel mit starker Stimme ruft: „Was Räth' und
Landleut' sind, zwanzig Jahr und. darüber, sollen zusammen am Ring stehen,
und das bei ihrem Eid!" Dieser Eid verpflichtet sie, „das Wohl des Vater¬
lands zu mehren und dessen Schaden zu wenden, zu stimmen und zu han¬
deln". Nun eröffnet der Landammann, der, wenn er redet, immer steht, mit
kurzen Worten die Versammlung und fordert dann auf, Gott um Beistand
und Segen für die Verhandlungen anzurufen, welchem vom Volk entblößten
Hauptes mit fünf Vaterunsern und gleichviclen Ave Maria entsprochen wird.

Sind über einen zur Abstimmung angesetzten Gegenstand verschiedene An¬
sichten geäußert, und hat der Landammann dieselben resunürt, so erfolgt die
Abstimmung, „das Mehreu" so, daß gefragt wird: „Wem also wohlgefällt,
daß--zum Gesetz erhoben sein soll, der hebe die Hand aus", oder: „Wem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0279" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283632"/>
          <p xml:id="ID_774" prev="#ID_773"> dem dortigen Rathhausplatze die Beamten und die hier wohnenden übrigen<lb/>
Cautonsbürger zum feierlichen Zuge. Die höheren Beamten erscheinen in<lb/>
schwarzer Kleidung mit seidnen Mänteln und Degen, die Rathsherren, Land¬<lb/>
schreiber und- Fürsprecher treffen zu Pferde ein. Um Mittag setzt sich der Zug,<lb/>
Mußt und die von Militär escortirte Landesfahne voran, in Bewegung. Zwei<lb/>
Männer in alter Schweizertracht, die große mit Silber beschlagene Büffelhörner<lb/>
tragen, folgen der Fahne. Daran reihen sich zwei Bediente mit den Land¬<lb/>
gemeindeprotokollen, dem Landbuch und einem schwarz und gelben Sammet¬<lb/>
beutel, der die Siegel und die Schlüssel zu den Archiven enthält. Der Groß-<lb/>
weibcl in einem schwarz und gelben Talar von aller Form trägt den Stab mit<lb/>
dem Reichsapfel, über welchem noch ein kleiner Apfel von einem Pfeil durch¬<lb/>
bohrt angebracht ist. Der zweite trägt das mit schwarz und gelben Bändern<lb/>
umwundene richterliche Schwert. Dann folgen die übrigen Weibel und eine<lb/>
Anzahl Läufer, alle in den Landessarbcn, hiernach die berittenen Beamten und<lb/>
zuletzt die Menge des Volkes.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_775"> In Bözlingen angelangt, macht man eine Pause, während welcher die<lb/>
Musik auf dem Hügel über dem Laudsgemeiudcplatz die Melodie des alten<lb/>
Tellenliedes spielt. Dann nehmen die Regierungsgliedcr, die Geistlichen und<lb/>
wer sonst noch Raum findet, auf der innersten Bank des aus Balken und<lb/>
Bretern erbauten Amphitheaters Platz. Der regierende Landammann stellt sich<lb/>
an den in der Mitte des Kreises stehenden Tisch, ihm folgen der erste Land-<lb/>
schreiber und zwei Bediente mit Schirmen gegen Sonne und Regen. Auf dem<lb/>
Tische liegen die Gesetzbücher und Protokolle, der Beutel mit den Siegeln, und<lb/>
Schlüsseln und Schrcibmaterial, unter demselben die beiden Büffelhörner, durch<lb/>
welche zuvor das Volk &#x201E;zum Ring" gerufen worden ist, daneben auf Trommeln<lb/>
die zusammengewickelte Landesfahne. Die Weibel besteigen eine über dem<lb/>
&#x201E;Ring" befindliche Bank, und das Volk stellt sich frei und nach Belieben auf<lb/>
die Flügel der kreisförmigen Bühne oder plaudert noch außerhalb derselben in<lb/>
Gruppen, bis der Großweibel mit starker Stimme ruft: &#x201E;Was Räth' und<lb/>
Landleut' sind, zwanzig Jahr und. darüber, sollen zusammen am Ring stehen,<lb/>
und das bei ihrem Eid!" Dieser Eid verpflichtet sie, &#x201E;das Wohl des Vater¬<lb/>
lands zu mehren und dessen Schaden zu wenden, zu stimmen und zu han¬<lb/>
deln". Nun eröffnet der Landammann, der, wenn er redet, immer steht, mit<lb/>
kurzen Worten die Versammlung und fordert dann auf, Gott um Beistand<lb/>
und Segen für die Verhandlungen anzurufen, welchem vom Volk entblößten<lb/>
Hauptes mit fünf Vaterunsern und gleichviclen Ave Maria entsprochen wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_776" next="#ID_777"> Sind über einen zur Abstimmung angesetzten Gegenstand verschiedene An¬<lb/>
sichten geäußert, und hat der Landammann dieselben resunürt, so erfolgt die<lb/>
Abstimmung, &#x201E;das Mehreu" so, daß gefragt wird: &#x201E;Wem also wohlgefällt,<lb/>
daß--zum Gesetz erhoben sein soll, der hebe die Hand aus", oder: &#x201E;Wem</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0279] dem dortigen Rathhausplatze die Beamten und die hier wohnenden übrigen Cautonsbürger zum feierlichen Zuge. Die höheren Beamten erscheinen in schwarzer Kleidung mit seidnen Mänteln und Degen, die Rathsherren, Land¬ schreiber und- Fürsprecher treffen zu Pferde ein. Um Mittag setzt sich der Zug, Mußt und die von Militär escortirte Landesfahne voran, in Bewegung. Zwei Männer in alter Schweizertracht, die große mit Silber beschlagene Büffelhörner tragen, folgen der Fahne. Daran reihen sich zwei Bediente mit den Land¬ gemeindeprotokollen, dem Landbuch und einem schwarz und gelben Sammet¬ beutel, der die Siegel und die Schlüssel zu den Archiven enthält. Der Groß- weibcl in einem schwarz und gelben Talar von aller Form trägt den Stab mit dem Reichsapfel, über welchem noch ein kleiner Apfel von einem Pfeil durch¬ bohrt angebracht ist. Der zweite trägt das mit schwarz und gelben Bändern umwundene richterliche Schwert. Dann folgen die übrigen Weibel und eine Anzahl Läufer, alle in den Landessarbcn, hiernach die berittenen Beamten und zuletzt die Menge des Volkes. In Bözlingen angelangt, macht man eine Pause, während welcher die Musik auf dem Hügel über dem Laudsgemeiudcplatz die Melodie des alten Tellenliedes spielt. Dann nehmen die Regierungsgliedcr, die Geistlichen und wer sonst noch Raum findet, auf der innersten Bank des aus Balken und Bretern erbauten Amphitheaters Platz. Der regierende Landammann stellt sich an den in der Mitte des Kreises stehenden Tisch, ihm folgen der erste Land- schreiber und zwei Bediente mit Schirmen gegen Sonne und Regen. Auf dem Tische liegen die Gesetzbücher und Protokolle, der Beutel mit den Siegeln, und Schlüsseln und Schrcibmaterial, unter demselben die beiden Büffelhörner, durch welche zuvor das Volk „zum Ring" gerufen worden ist, daneben auf Trommeln die zusammengewickelte Landesfahne. Die Weibel besteigen eine über dem „Ring" befindliche Bank, und das Volk stellt sich frei und nach Belieben auf die Flügel der kreisförmigen Bühne oder plaudert noch außerhalb derselben in Gruppen, bis der Großweibel mit starker Stimme ruft: „Was Räth' und Landleut' sind, zwanzig Jahr und. darüber, sollen zusammen am Ring stehen, und das bei ihrem Eid!" Dieser Eid verpflichtet sie, „das Wohl des Vater¬ lands zu mehren und dessen Schaden zu wenden, zu stimmen und zu han¬ deln". Nun eröffnet der Landammann, der, wenn er redet, immer steht, mit kurzen Worten die Versammlung und fordert dann auf, Gott um Beistand und Segen für die Verhandlungen anzurufen, welchem vom Volk entblößten Hauptes mit fünf Vaterunsern und gleichviclen Ave Maria entsprochen wird. Sind über einen zur Abstimmung angesetzten Gegenstand verschiedene An¬ sichten geäußert, und hat der Landammann dieselben resunürt, so erfolgt die Abstimmung, „das Mehreu" so, daß gefragt wird: „Wem also wohlgefällt, daß--zum Gesetz erhoben sein soll, der hebe die Hand aus", oder: „Wem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/279
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/279>, abgerufen am 15.01.2025.