Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Für Bürger und Meßfremde waren während der Mcßzeit eine Reihe der Nun die Meßvergnügungen. Die Meßmusiker bezahlte die Stadt hoch, Für Bürger und Meßfremde waren während der Mcßzeit eine Reihe der Nun die Meßvergnügungen. Die Meßmusiker bezahlte die Stadt hoch, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0232" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283585"/> <p xml:id="ID_653"> Für Bürger und Meßfremde waren während der Mcßzeit eine Reihe der<lb/> städtischen Ordnungsvorschriften aufgehoben. Bis 1668 gestattete man auch<lb/> Sonntags Kaufleuten und Handwerkern ihren Betrieb. Die Weinglocke zwang<lb/> dann nicht, wie außer der Meßzeit, Winters um 8 Uhr, Sommers um 9 Uhr,<lb/> das Trinken in den Wirthshäusern zu beschließen, sondern gab die Nacht den<lb/> Zechern frei. Jeder in der Stadt dürfte dann Schwerter und Messer von be¬<lb/> liebiger Form und Länge tragen, während sonst das am Römer vorgezeichnete<lb/> Maß nicht überschritten werden sollte. Die Kirche gestattete denen in der<lb/> Stadt während der Messen auch an Fasttagen Fleisch und andere verbotene<lb/> Speisen, und selbst, wo Gebannte zur Messe kamen, erlaubte sie Meßopfer und<lb/> Kirchengesänge. Auch die Wirkungen der Reichsacht hob Karl der Vierte für<lb/> die Meßzeit und acht Tage vorher und nachher innerhalb der frankfurter Bann¬<lb/> meile auf. Ja 1435 schreibt der Rath an einen mit dem Kaiser im Kriege<lb/> liegenden Fürsten, seine Unterthanen sollten mit Zustimmung des Reiches wäh¬<lb/> rend der Messe in Frankfurt vollen Schutz an Person und Waaren genießen.</p><lb/> <p xml:id="ID_654" next="#ID_655"> Nun die Meßvergnügungen. Die Meßmusiker bezahlte die Stadt hoch,<lb/> dafür wurden musikalische Wettkämpfe vorgeführt. Neben ihnen zogen die<lb/> Dichter umher, einen Herold an der Spitze, von einer Trinkstube zur andern,<lb/> um ihren Wettgesang ertönen zu lassen. Hier hielt auch die Fechtergenossen¬<lb/> schaft der Marxbrüder ihre Schule und ertheilte die Würde eines Meisters des<lb/> langen Schwerts. Eine Spielbank auf dem Heißenstein in der Stadt lockte<lb/> 1379—1432 die Meßbesuchcr an. Außer ihr gehörte zu den Meßbelustigungen<lb/> ein Spiel, das Drcnzelbrctt, schwarz und weiß, ähnlich unserm Damenbrett,<lb/> welches so in Schwung kam. daß es 1385—1394 für jede Messe SO Gulden<lb/> Miethe eintrug. — Die Messen lehren, daß auch die Freudenmädchen nicht ein<lb/> Erzeugniß der vorgeschrittenen Cultur und selbst im kirchlichstrengen Mittelalter<lb/> anerkannt sind. Das frankfurter städtische Rechenbuch führt 1354 und 1361<lb/> Ausgaben auf für das Besichtigen unreiner Frauen durch den Stadtarzt. Auf<lb/> die Syphilis kann sich dies nicht beziehen, weil erst 1496 diese entsetzliche<lb/> Krankheit nach Frankfurt vordrang. Wir besitzen ferner eine Verordnung des<lb/> dortigen Rathes aus dem 14. Jahrhundert über die frankfurter Frauenhäuser<lb/> und gemeinen Dirnen. Solcher Frauenhäuser standen damals in der Stadt<lb/> drei, nahe an derselben Stelle der Stadt gelegen; andere Freudenmädchen hatten<lb/> bleibende Wohnsitze in andern Stadttheilen. Zu ihnen strömten schon im 14.<lb/> Jahrhundert für die Meßzeit viele Dirnen von auswärts. Diese wohnten in<lb/> bestimmten Weinhäusern oder in Privathäusern, zahlten dem städtischen Stöcker,<lb/> dem Beaufsichtiger aller dieser Frauen, eine mit ihm vereinbarte Summe und<lb/> sicherten so ihren Gewerbebetrieb. Ihre Zahl war gewiß bedeutend; denn schon<lb/> zu dem frankfurter Reichstage 1394 fanden sich 800 von ihnen ein, und die»<lb/> Messe bot ihnen günstigere Erwerbsgelegenheit. Daher wünscht auch am An-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0232]
Für Bürger und Meßfremde waren während der Mcßzeit eine Reihe der
städtischen Ordnungsvorschriften aufgehoben. Bis 1668 gestattete man auch
Sonntags Kaufleuten und Handwerkern ihren Betrieb. Die Weinglocke zwang
dann nicht, wie außer der Meßzeit, Winters um 8 Uhr, Sommers um 9 Uhr,
das Trinken in den Wirthshäusern zu beschließen, sondern gab die Nacht den
Zechern frei. Jeder in der Stadt dürfte dann Schwerter und Messer von be¬
liebiger Form und Länge tragen, während sonst das am Römer vorgezeichnete
Maß nicht überschritten werden sollte. Die Kirche gestattete denen in der
Stadt während der Messen auch an Fasttagen Fleisch und andere verbotene
Speisen, und selbst, wo Gebannte zur Messe kamen, erlaubte sie Meßopfer und
Kirchengesänge. Auch die Wirkungen der Reichsacht hob Karl der Vierte für
die Meßzeit und acht Tage vorher und nachher innerhalb der frankfurter Bann¬
meile auf. Ja 1435 schreibt der Rath an einen mit dem Kaiser im Kriege
liegenden Fürsten, seine Unterthanen sollten mit Zustimmung des Reiches wäh¬
rend der Messe in Frankfurt vollen Schutz an Person und Waaren genießen.
Nun die Meßvergnügungen. Die Meßmusiker bezahlte die Stadt hoch,
dafür wurden musikalische Wettkämpfe vorgeführt. Neben ihnen zogen die
Dichter umher, einen Herold an der Spitze, von einer Trinkstube zur andern,
um ihren Wettgesang ertönen zu lassen. Hier hielt auch die Fechtergenossen¬
schaft der Marxbrüder ihre Schule und ertheilte die Würde eines Meisters des
langen Schwerts. Eine Spielbank auf dem Heißenstein in der Stadt lockte
1379—1432 die Meßbesuchcr an. Außer ihr gehörte zu den Meßbelustigungen
ein Spiel, das Drcnzelbrctt, schwarz und weiß, ähnlich unserm Damenbrett,
welches so in Schwung kam. daß es 1385—1394 für jede Messe SO Gulden
Miethe eintrug. — Die Messen lehren, daß auch die Freudenmädchen nicht ein
Erzeugniß der vorgeschrittenen Cultur und selbst im kirchlichstrengen Mittelalter
anerkannt sind. Das frankfurter städtische Rechenbuch führt 1354 und 1361
Ausgaben auf für das Besichtigen unreiner Frauen durch den Stadtarzt. Auf
die Syphilis kann sich dies nicht beziehen, weil erst 1496 diese entsetzliche
Krankheit nach Frankfurt vordrang. Wir besitzen ferner eine Verordnung des
dortigen Rathes aus dem 14. Jahrhundert über die frankfurter Frauenhäuser
und gemeinen Dirnen. Solcher Frauenhäuser standen damals in der Stadt
drei, nahe an derselben Stelle der Stadt gelegen; andere Freudenmädchen hatten
bleibende Wohnsitze in andern Stadttheilen. Zu ihnen strömten schon im 14.
Jahrhundert für die Meßzeit viele Dirnen von auswärts. Diese wohnten in
bestimmten Weinhäusern oder in Privathäusern, zahlten dem städtischen Stöcker,
dem Beaufsichtiger aller dieser Frauen, eine mit ihm vereinbarte Summe und
sicherten so ihren Gewerbebetrieb. Ihre Zahl war gewiß bedeutend; denn schon
zu dem frankfurter Reichstage 1394 fanden sich 800 von ihnen ein, und die»
Messe bot ihnen günstigere Erwerbsgelegenheit. Daher wünscht auch am An-
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