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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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denWeßfremden entgegenzogen. Und auch Franz von Sickingen nahm 1617
unmittelbar vor einem der Stadtthore sieben Wagen mit Meßgütern fort.

Die Stadt Frankfurt sorgte hiergegen für Schutz. Sie erwirkte durch
ihre Schreiben das Geleit der ihr zunächst grenzenden Fürsten auf deren Ge¬
biet oder auch bis zur Stadt selbst, und gab ihr eignes Meßgeleit auf Land
und Flüssen bis zur oder von der Grenze des städtischen Territoriums. Die
Stadt geleitete ihre Meßgäste mit 16--20 Schützen zu Wagen, Pferd oder
Schiff, oder mit bezahlten benachbarten Rittern, mit einer Zunft oder mit rei>
sigem Volle, zusammen bis 110 Mann. Mitglieder des Richtercunts. des
Raths und die Pfeiffer der Stadt waren meist dabei. Die Geleitenden be¬
zahlte der Rath, selbst wenn sie an der Theilnahme des Geleits behindert
waren. Später, als das ganze Institut nur den Charakter eines Auszugs in
gleichförmig buntverzicrten Kleidern behielt, verwandelte der Preis sich in Ge¬
lage; so bestand es bis 1802, u. a., weil die fürstlichen Nachbarn von ihm
regelmäßiges Einkommen bezogen.

Die Mcßfrcmdcn wohnten bei Privatleuten und in Herbergen, die zum
Theil von den Gästen desselben Ortes ihre Namen Augsburger, Nürnberger,
Baseler Hof, Alt-Limburg und dergl. empfangen haben mögen. Feil bot man
in Straßenbudcn und Läden, die man auf eine Messe oder sogleich für viele
Jahre in Privat- und städtischen Häusern miethete. Die im Freien stehenden
Meßläden (Krämer, Hütten, Schreine), öfter unbedacht, waren bloße Tische, die
übrigens unter andern auch der Rath vermiethete, und auf die man auch be¬
stimmte Renten gründete, oder Läden im Hausthor, oder Lorbauten vor den
Häusern bis zu einer vorgeschriebenen Linie der Straße. Hierfür zahlten die
Fremden eine Abgabe an den Rath und oft eine an den Eigenthümer des da¬
hinter liegenden Hauses. Den Mittelpunkt des Marktverl'ehrs bildeten die
Hauptstraßen und Plätze der Stadt, entferntere Stadttheile konnten trotz vieler
Versuche nicht in den Meßbetrieb verflochten werden. Ganz frei vom Markte
waren bei Strafe die geweihten Höfe und Plätze rings an den Kirchen, Papst
Nikolaus der Fünfte selbst schrieb deshalb 1452 an den frankfurter Rath.

Zu den Hauptmeßwaaren gehörten daselbst Tuch, Wolle, Leinwand, Pferde
und Geld, seit dem 16. Jahrhundert Bücher. Das Tuch kam vornehmlich von
Löwen, Mecheln, Brüssel, Limburg, Speier, das feinste von Mecheln und
Brüssel; dieses verwendete auch der Rath zu Geschenken an den Kaiser. Auch
Papier und Pergament kam im 14. Jahrhundert aus den Niederlanden zur
Messe, und der Rath kaufte hier bisweilen selbst seinen Bedarf ein.

Das Geldgeschäft in der frankfurter Messe, als eines der größten und ge¬
winnreichste" für Privat- und Stadtkassen, mag hier noch näher betrachtet wer¬
den. Wegen der Bedeutung der frankfurter Messen datirte man in Südwest-
deutschland frühe schon Zahlungen von Städten und Privaten auf die Messen


denWeßfremden entgegenzogen. Und auch Franz von Sickingen nahm 1617
unmittelbar vor einem der Stadtthore sieben Wagen mit Meßgütern fort.

Die Stadt Frankfurt sorgte hiergegen für Schutz. Sie erwirkte durch
ihre Schreiben das Geleit der ihr zunächst grenzenden Fürsten auf deren Ge¬
biet oder auch bis zur Stadt selbst, und gab ihr eignes Meßgeleit auf Land
und Flüssen bis zur oder von der Grenze des städtischen Territoriums. Die
Stadt geleitete ihre Meßgäste mit 16—20 Schützen zu Wagen, Pferd oder
Schiff, oder mit bezahlten benachbarten Rittern, mit einer Zunft oder mit rei>
sigem Volle, zusammen bis 110 Mann. Mitglieder des Richtercunts. des
Raths und die Pfeiffer der Stadt waren meist dabei. Die Geleitenden be¬
zahlte der Rath, selbst wenn sie an der Theilnahme des Geleits behindert
waren. Später, als das ganze Institut nur den Charakter eines Auszugs in
gleichförmig buntverzicrten Kleidern behielt, verwandelte der Preis sich in Ge¬
lage; so bestand es bis 1802, u. a., weil die fürstlichen Nachbarn von ihm
regelmäßiges Einkommen bezogen.

Die Mcßfrcmdcn wohnten bei Privatleuten und in Herbergen, die zum
Theil von den Gästen desselben Ortes ihre Namen Augsburger, Nürnberger,
Baseler Hof, Alt-Limburg und dergl. empfangen haben mögen. Feil bot man
in Straßenbudcn und Läden, die man auf eine Messe oder sogleich für viele
Jahre in Privat- und städtischen Häusern miethete. Die im Freien stehenden
Meßläden (Krämer, Hütten, Schreine), öfter unbedacht, waren bloße Tische, die
übrigens unter andern auch der Rath vermiethete, und auf die man auch be¬
stimmte Renten gründete, oder Läden im Hausthor, oder Lorbauten vor den
Häusern bis zu einer vorgeschriebenen Linie der Straße. Hierfür zahlten die
Fremden eine Abgabe an den Rath und oft eine an den Eigenthümer des da¬
hinter liegenden Hauses. Den Mittelpunkt des Marktverl'ehrs bildeten die
Hauptstraßen und Plätze der Stadt, entferntere Stadttheile konnten trotz vieler
Versuche nicht in den Meßbetrieb verflochten werden. Ganz frei vom Markte
waren bei Strafe die geweihten Höfe und Plätze rings an den Kirchen, Papst
Nikolaus der Fünfte selbst schrieb deshalb 1452 an den frankfurter Rath.

Zu den Hauptmeßwaaren gehörten daselbst Tuch, Wolle, Leinwand, Pferde
und Geld, seit dem 16. Jahrhundert Bücher. Das Tuch kam vornehmlich von
Löwen, Mecheln, Brüssel, Limburg, Speier, das feinste von Mecheln und
Brüssel; dieses verwendete auch der Rath zu Geschenken an den Kaiser. Auch
Papier und Pergament kam im 14. Jahrhundert aus den Niederlanden zur
Messe, und der Rath kaufte hier bisweilen selbst seinen Bedarf ein.

Das Geldgeschäft in der frankfurter Messe, als eines der größten und ge¬
winnreichste» für Privat- und Stadtkassen, mag hier noch näher betrachtet wer¬
den. Wegen der Bedeutung der frankfurter Messen datirte man in Südwest-
deutschland frühe schon Zahlungen von Städten und Privaten auf die Messen


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[0228] denWeßfremden entgegenzogen. Und auch Franz von Sickingen nahm 1617 unmittelbar vor einem der Stadtthore sieben Wagen mit Meßgütern fort. Die Stadt Frankfurt sorgte hiergegen für Schutz. Sie erwirkte durch ihre Schreiben das Geleit der ihr zunächst grenzenden Fürsten auf deren Ge¬ biet oder auch bis zur Stadt selbst, und gab ihr eignes Meßgeleit auf Land und Flüssen bis zur oder von der Grenze des städtischen Territoriums. Die Stadt geleitete ihre Meßgäste mit 16—20 Schützen zu Wagen, Pferd oder Schiff, oder mit bezahlten benachbarten Rittern, mit einer Zunft oder mit rei> sigem Volle, zusammen bis 110 Mann. Mitglieder des Richtercunts. des Raths und die Pfeiffer der Stadt waren meist dabei. Die Geleitenden be¬ zahlte der Rath, selbst wenn sie an der Theilnahme des Geleits behindert waren. Später, als das ganze Institut nur den Charakter eines Auszugs in gleichförmig buntverzicrten Kleidern behielt, verwandelte der Preis sich in Ge¬ lage; so bestand es bis 1802, u. a., weil die fürstlichen Nachbarn von ihm regelmäßiges Einkommen bezogen. Die Mcßfrcmdcn wohnten bei Privatleuten und in Herbergen, die zum Theil von den Gästen desselben Ortes ihre Namen Augsburger, Nürnberger, Baseler Hof, Alt-Limburg und dergl. empfangen haben mögen. Feil bot man in Straßenbudcn und Läden, die man auf eine Messe oder sogleich für viele Jahre in Privat- und städtischen Häusern miethete. Die im Freien stehenden Meßläden (Krämer, Hütten, Schreine), öfter unbedacht, waren bloße Tische, die übrigens unter andern auch der Rath vermiethete, und auf die man auch be¬ stimmte Renten gründete, oder Läden im Hausthor, oder Lorbauten vor den Häusern bis zu einer vorgeschriebenen Linie der Straße. Hierfür zahlten die Fremden eine Abgabe an den Rath und oft eine an den Eigenthümer des da¬ hinter liegenden Hauses. Den Mittelpunkt des Marktverl'ehrs bildeten die Hauptstraßen und Plätze der Stadt, entferntere Stadttheile konnten trotz vieler Versuche nicht in den Meßbetrieb verflochten werden. Ganz frei vom Markte waren bei Strafe die geweihten Höfe und Plätze rings an den Kirchen, Papst Nikolaus der Fünfte selbst schrieb deshalb 1452 an den frankfurter Rath. Zu den Hauptmeßwaaren gehörten daselbst Tuch, Wolle, Leinwand, Pferde und Geld, seit dem 16. Jahrhundert Bücher. Das Tuch kam vornehmlich von Löwen, Mecheln, Brüssel, Limburg, Speier, das feinste von Mecheln und Brüssel; dieses verwendete auch der Rath zu Geschenken an den Kaiser. Auch Papier und Pergament kam im 14. Jahrhundert aus den Niederlanden zur Messe, und der Rath kaufte hier bisweilen selbst seinen Bedarf ein. Das Geldgeschäft in der frankfurter Messe, als eines der größten und ge¬ winnreichste» für Privat- und Stadtkassen, mag hier noch näher betrachtet wer¬ den. Wegen der Bedeutung der frankfurter Messen datirte man in Südwest- deutschland frühe schon Zahlungen von Städten und Privaten auf die Messen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/228>, abgerufen am 15.01.2025.