allgemein bei deutschen Messen üblich war, am ersten und letzten Tage der. Messe Mittags ein und aus. in neuerer Zeit bezeichnete man diese Schluß punkte und die ganze Meßzeit durch tätliche Schüsse aus Stücken an zwei Stellen der Stadt.
Von unsern heutigen Märkten unterschied die damaligen, und so auch die frankfurter, der Schutz, welchen die Meßstadt den Meßbesuchern nach und von der Messe auf bestimmte Wegstrecken gewährte, das Meßgeleit. Im Mittelalter brachte es der noch nicht genügend entwickelte Verkehr und die thatsächlich und rechtliche Unsicherheit mit sich, daß die Kaufherrn mit ihren Waaren, selbstproducirten oder eingetauschten und eingekauften, in eigner Person be¬ waffnet und von Dienern begleitet zu den Messen zogen. Sie vereinten sich dann mit einer ganzen Karavane solcher Meßbesucher, kauften, mietheten oder bauten gar in den Abfahrthäfen der Meere und Flüsse die nöthigen Schiffe, im Bin¬ nenlande die Wagen und Saumthiere und wanderten so dem fernen Ziele zu. (Erst als die Verkehrslinien sich weiter ausdehnten, und oft die gleichzeitige Anwesenheit des Geschäftshauptes an mehren entfernten Handelsplätzen nöthig wurde, wuchs die Handelsgesellschaft -- und bald in großartigsten Maßstabe -- hervor, zweigte sich der Commissions- und Spcdilionshandel ab.) Durch ihre bewaffnete vereinte Anzahl, zuweilen durch gemiethete Söldner oder Kriegs, schiffe suchten sie sich gegen die Seeräuber, die beutelustigen weltlichen und geistlichen Fürsten, Ritter u. a., gegen deren zahlreiche willkürliche Zölle und andere Zwangsmittel zu wehren. Der Kaiser hatte zwar allen Kaufleuten sichres Geleit verheißen und geboten, die Fürsten und Ritter, durch deren Ge¬ biet die Meßstraßen führten, verkauften zwar für hohen Preis ihre Schutz¬ briefe (fehlten sie einem Kaufmann, so galt seine Waare schon deshalb für vogelfrei); aber alle diese Vorsichtsmaßregeln sicherten keineswegs vor An¬ fällen. Und Strandrecht und Grundruhrrecht waren ja eingewurzelte Mi߬ bräuche, die fast Rechtskraft übten. Die Waare, welche aus dem See- oder Flußschiffe siel, das gescheiterte Schiff, der auf der Achse liegende Wagen, das von ihm heruntergefallene Gut gehörten in demselben Augenblicke, wo das Un¬ glück geschah, den Bewohnern des betreffenden Bodens, bargen es die Rei¬ senden selbst, sie mußten es doch herausgeben. Gegen diese krassen Mißstände half die Vereinigung der Kaufleute, der Handelsorte mehr als alle Bullen des Papstes und seiner Bischöfe, alle Befehle des Kaisers und der weltlichen Fürsten. das beweist u. a. gerade die Hansa.
Solche Angriffe auf die frankfurter Mcßleute und auf das Marktschiff zwischen Mainz und Frankfurt waren seit dem 14. Jahrhundert im Gange. Ein kölner Domherr, Graf Heinrich von Nassau, begegnet unter den Freibeu¬ tern, er hatte sich durch seine Räubereien den Ehrennamen Graf Schindledcr erworben. Der Erzbischof von Mainz beraubte sogar die Frankfurter, als sie
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allgemein bei deutschen Messen üblich war, am ersten und letzten Tage der. Messe Mittags ein und aus. in neuerer Zeit bezeichnete man diese Schluß punkte und die ganze Meßzeit durch tätliche Schüsse aus Stücken an zwei Stellen der Stadt.
Von unsern heutigen Märkten unterschied die damaligen, und so auch die frankfurter, der Schutz, welchen die Meßstadt den Meßbesuchern nach und von der Messe auf bestimmte Wegstrecken gewährte, das Meßgeleit. Im Mittelalter brachte es der noch nicht genügend entwickelte Verkehr und die thatsächlich und rechtliche Unsicherheit mit sich, daß die Kaufherrn mit ihren Waaren, selbstproducirten oder eingetauschten und eingekauften, in eigner Person be¬ waffnet und von Dienern begleitet zu den Messen zogen. Sie vereinten sich dann mit einer ganzen Karavane solcher Meßbesucher, kauften, mietheten oder bauten gar in den Abfahrthäfen der Meere und Flüsse die nöthigen Schiffe, im Bin¬ nenlande die Wagen und Saumthiere und wanderten so dem fernen Ziele zu. (Erst als die Verkehrslinien sich weiter ausdehnten, und oft die gleichzeitige Anwesenheit des Geschäftshauptes an mehren entfernten Handelsplätzen nöthig wurde, wuchs die Handelsgesellschaft — und bald in großartigsten Maßstabe — hervor, zweigte sich der Commissions- und Spcdilionshandel ab.) Durch ihre bewaffnete vereinte Anzahl, zuweilen durch gemiethete Söldner oder Kriegs, schiffe suchten sie sich gegen die Seeräuber, die beutelustigen weltlichen und geistlichen Fürsten, Ritter u. a., gegen deren zahlreiche willkürliche Zölle und andere Zwangsmittel zu wehren. Der Kaiser hatte zwar allen Kaufleuten sichres Geleit verheißen und geboten, die Fürsten und Ritter, durch deren Ge¬ biet die Meßstraßen führten, verkauften zwar für hohen Preis ihre Schutz¬ briefe (fehlten sie einem Kaufmann, so galt seine Waare schon deshalb für vogelfrei); aber alle diese Vorsichtsmaßregeln sicherten keineswegs vor An¬ fällen. Und Strandrecht und Grundruhrrecht waren ja eingewurzelte Mi߬ bräuche, die fast Rechtskraft übten. Die Waare, welche aus dem See- oder Flußschiffe siel, das gescheiterte Schiff, der auf der Achse liegende Wagen, das von ihm heruntergefallene Gut gehörten in demselben Augenblicke, wo das Un¬ glück geschah, den Bewohnern des betreffenden Bodens, bargen es die Rei¬ senden selbst, sie mußten es doch herausgeben. Gegen diese krassen Mißstände half die Vereinigung der Kaufleute, der Handelsorte mehr als alle Bullen des Papstes und seiner Bischöfe, alle Befehle des Kaisers und der weltlichen Fürsten. das beweist u. a. gerade die Hansa.
Solche Angriffe auf die frankfurter Mcßleute und auf das Marktschiff zwischen Mainz und Frankfurt waren seit dem 14. Jahrhundert im Gange. Ein kölner Domherr, Graf Heinrich von Nassau, begegnet unter den Freibeu¬ tern, er hatte sich durch seine Räubereien den Ehrennamen Graf Schindledcr erworben. Der Erzbischof von Mainz beraubte sogar die Frankfurter, als sie
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allgemein bei deutschen Messen üblich war, am ersten und letzten Tage der.
Messe Mittags ein und aus. in neuerer Zeit bezeichnete man diese Schluß
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der Stadt.
Von unsern heutigen Märkten unterschied die damaligen, und so auch die
frankfurter, der Schutz, welchen die Meßstadt den Meßbesuchern nach und von
der Messe auf bestimmte Wegstrecken gewährte, das Meßgeleit. Im Mittelalter
brachte es der noch nicht genügend entwickelte Verkehr und die thatsächlich
und rechtliche Unsicherheit mit sich, daß die Kaufherrn mit ihren Waaren,
selbstproducirten oder eingetauschten und eingekauften, in eigner Person be¬
waffnet und von Dienern begleitet zu den Messen zogen. Sie vereinten sich dann
mit einer ganzen Karavane solcher Meßbesucher, kauften, mietheten oder bauten
gar in den Abfahrthäfen der Meere und Flüsse die nöthigen Schiffe, im Bin¬
nenlande die Wagen und Saumthiere und wanderten so dem fernen Ziele zu.
(Erst als die Verkehrslinien sich weiter ausdehnten, und oft die gleichzeitige
Anwesenheit des Geschäftshauptes an mehren entfernten Handelsplätzen nöthig
wurde, wuchs die Handelsgesellschaft — und bald in großartigsten Maßstabe —
hervor, zweigte sich der Commissions- und Spcdilionshandel ab.) Durch ihre
bewaffnete vereinte Anzahl, zuweilen durch gemiethete Söldner oder Kriegs,
schiffe suchten sie sich gegen die Seeräuber, die beutelustigen weltlichen und
geistlichen Fürsten, Ritter u. a., gegen deren zahlreiche willkürliche Zölle und
andere Zwangsmittel zu wehren. Der Kaiser hatte zwar allen Kaufleuten
sichres Geleit verheißen und geboten, die Fürsten und Ritter, durch deren Ge¬
biet die Meßstraßen führten, verkauften zwar für hohen Preis ihre Schutz¬
briefe (fehlten sie einem Kaufmann, so galt seine Waare schon deshalb für
vogelfrei); aber alle diese Vorsichtsmaßregeln sicherten keineswegs vor An¬
fällen. Und Strandrecht und Grundruhrrecht waren ja eingewurzelte Mi߬
bräuche, die fast Rechtskraft übten. Die Waare, welche aus dem See- oder
Flußschiffe siel, das gescheiterte Schiff, der auf der Achse liegende Wagen, das
von ihm heruntergefallene Gut gehörten in demselben Augenblicke, wo das Un¬
glück geschah, den Bewohnern des betreffenden Bodens, bargen es die Rei¬
senden selbst, sie mußten es doch herausgeben. Gegen diese krassen Mißstände
half die Vereinigung der Kaufleute, der Handelsorte mehr als alle Bullen
des Papstes und seiner Bischöfe, alle Befehle des Kaisers und der weltlichen
Fürsten. das beweist u. a. gerade die Hansa.
Solche Angriffe auf die frankfurter Mcßleute und auf das Marktschiff
zwischen Mainz und Frankfurt waren seit dem 14. Jahrhundert im Gange.
Ein kölner Domherr, Graf Heinrich von Nassau, begegnet unter den Freibeu¬
tern, er hatte sich durch seine Räubereien den Ehrennamen Graf Schindledcr
erworben. Der Erzbischof von Mainz beraubte sogar die Frankfurter, als sie
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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/227>, abgerufen am 24.01.2025.
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