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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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beamten gelegt sei. Also selbst die oben für unbedeutend und gegenüber
der etwa parteiisch gebildeten Geschwornendienstliste für wirkungslos erklärte
Reduction gilt hier noch als Sicherung gegen den geradezu befürchteten Partei¬
einfluh der Negierung auf die Besetzung der Schwurgerichte.

Die Debatten des Abgeordnetenhauses über das Gesetz vom 3. Mai 1852
lassen uns nur vereinzelt noch klarer in die Bedeutung der hier ventilirten
Bestimmungen blicken. Der oben aufgeführte Steuersatz, welcher eine der
Grenzen der Fähigkeit zum Geschwvrncndienste bildet, wird hier ganz
besonders befürwortet. Möglichst niedrig und zwar innerhalb der obigen An¬
sätze müsse er gegriffen werden, damit man eine genügende Anzahl von fähigen
Personen und darunter besonders die Grundbesitzer erhalte; denn der Grund¬
besitz gewährleistet ein bedeutendes Interesse für die öffentlichen Angelegenheiten,
für die öffentliche Ordnung und Handhabung der Gesetze, zumal die Landleute
thäten sich durch gesundes Urtheil und Charakterfestigkeit hervor. Die Männer
des Volkes, der Praxis traten hier also dem obigen Motive der Regierung für
diese Gesetzesstelle geradezu entgegen und mit Recht.

Desto mehr Interesse und Belehrung in heiterm und ernstem, politischem und
unpolitischen Sinne bieten die Verhandlungen der ersten Kammer über unsre Frage.
Man verlangte: baß auch die praktischen Aerzte und Geburtshelfer wegen ihrer noth¬
wendigen und oft unvertretbaren Assistenz in Krankheitsfällen vom Geschwornendicnst
ausgeschlossen würden, begnügte sich indeß mit dem nicht parlamentarisch formulirten
Wunsche. Ebenso wies man darauf hin, daß eine Menge "sehr geeigneter und
wackerer Männer" durch den Steuercensus vom Geschwvrnenamte ausgeschlossen
seien. Man mußte indeß selbst hinzufügen, daß das Wie der Abhilfe eine
andre Frage sei. ".Ein Theil der im Census liegenden offenbar ungerechtfertigten
Schranke wird übrigens, wie oben gezeigt, durch die gesetzlichen Ausnahmen
von diesem Census auf geeignete Weise vermieden.) Ja der Freiherr v^ Herte-
feld ging so weit, trotz der bereits dreifach vorgesehenen Prüfung der Quali-
fication der designirter Personen noch statt des "lesen und schreiben können"
zu beantragen: Die betreffenden Personen müßten "die zur Geschwornenfunction
erforderlichen intellectuellen Fähigkeiten nachweisen", indem er sich klug und
feudal durch den Zusatz aus der Schlinge zog: Wie der Nachweis geführt
werden soll, bestimmt der Justizminister (!!). Solch ein Nachweis sei nöthig,
um §, 90 der preußischen Verfassung zu genügen, der die gesetzliche Qualification
der berufenen Richter verlangt. Geschworne seien zwar keine Richter, aber mit
diesen so eng verbunden, daß sie in den Folgen nicht getrennt werden könnten (?).
Sollte der Antrag nicht angenommen werden, so stellte er einen zweiten dahin:
-- zu dem politischen Rechte, als Geschworner zu fungiren, kann niemand ge-
zwungen werden. Sollten in einem Schwurgerichtsbezirk von den zu diesem
Rechte berufenen so Viele dessen Ausübung verweigern, daß kein Schwurgericht


beamten gelegt sei. Also selbst die oben für unbedeutend und gegenüber
der etwa parteiisch gebildeten Geschwornendienstliste für wirkungslos erklärte
Reduction gilt hier noch als Sicherung gegen den geradezu befürchteten Partei¬
einfluh der Negierung auf die Besetzung der Schwurgerichte.

Die Debatten des Abgeordnetenhauses über das Gesetz vom 3. Mai 1852
lassen uns nur vereinzelt noch klarer in die Bedeutung der hier ventilirten
Bestimmungen blicken. Der oben aufgeführte Steuersatz, welcher eine der
Grenzen der Fähigkeit zum Geschwvrncndienste bildet, wird hier ganz
besonders befürwortet. Möglichst niedrig und zwar innerhalb der obigen An¬
sätze müsse er gegriffen werden, damit man eine genügende Anzahl von fähigen
Personen und darunter besonders die Grundbesitzer erhalte; denn der Grund¬
besitz gewährleistet ein bedeutendes Interesse für die öffentlichen Angelegenheiten,
für die öffentliche Ordnung und Handhabung der Gesetze, zumal die Landleute
thäten sich durch gesundes Urtheil und Charakterfestigkeit hervor. Die Männer
des Volkes, der Praxis traten hier also dem obigen Motive der Regierung für
diese Gesetzesstelle geradezu entgegen und mit Recht.

Desto mehr Interesse und Belehrung in heiterm und ernstem, politischem und
unpolitischen Sinne bieten die Verhandlungen der ersten Kammer über unsre Frage.
Man verlangte: baß auch die praktischen Aerzte und Geburtshelfer wegen ihrer noth¬
wendigen und oft unvertretbaren Assistenz in Krankheitsfällen vom Geschwornendicnst
ausgeschlossen würden, begnügte sich indeß mit dem nicht parlamentarisch formulirten
Wunsche. Ebenso wies man darauf hin, daß eine Menge „sehr geeigneter und
wackerer Männer" durch den Steuercensus vom Geschwvrnenamte ausgeschlossen
seien. Man mußte indeß selbst hinzufügen, daß das Wie der Abhilfe eine
andre Frage sei. «.Ein Theil der im Census liegenden offenbar ungerechtfertigten
Schranke wird übrigens, wie oben gezeigt, durch die gesetzlichen Ausnahmen
von diesem Census auf geeignete Weise vermieden.) Ja der Freiherr v^ Herte-
feld ging so weit, trotz der bereits dreifach vorgesehenen Prüfung der Quali-
fication der designirter Personen noch statt des „lesen und schreiben können"
zu beantragen: Die betreffenden Personen müßten „die zur Geschwornenfunction
erforderlichen intellectuellen Fähigkeiten nachweisen", indem er sich klug und
feudal durch den Zusatz aus der Schlinge zog: Wie der Nachweis geführt
werden soll, bestimmt der Justizminister (!!). Solch ein Nachweis sei nöthig,
um §, 90 der preußischen Verfassung zu genügen, der die gesetzliche Qualification
der berufenen Richter verlangt. Geschworne seien zwar keine Richter, aber mit
diesen so eng verbunden, daß sie in den Folgen nicht getrennt werden könnten (?).
Sollte der Antrag nicht angenommen werden, so stellte er einen zweiten dahin:
— zu dem politischen Rechte, als Geschworner zu fungiren, kann niemand ge-
zwungen werden. Sollten in einem Schwurgerichtsbezirk von den zu diesem
Rechte berufenen so Viele dessen Ausübung verweigern, daß kein Schwurgericht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/22>, abgerufen am 15.01.2025.