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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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über die sogenannte "Qualification der Personen zum Berufe der
Geschwornen" in der Urliste vortrefflich unterrichtet wird. Hierzu kommen
dann noch die Ablehnungen durch den Staatsanwalt.

Die Motive des Gesetzes vom 3. Januar 1849, welche unsre Frage aus¬
drücklich die wesentlichste in Betreff der Schwurgerichte nennen, weisen zunächst
den Vorschlag ab, durch die politischen Urwähler die Geschwornen wählen zu
lassen. Das sei nicht eine Ausgabe der Urwähler, die nöthigen Rücksichten des
Schwurgerichts könnten dadurch zu sehr gefährdet werden. Durchaus erforderlich
sei. zu Geschwornen nur Personen zu berufen, die voraussichtlich ihre schweren
Pflichten mit Festigkeit und Umsicht erfüllen würden. Man weist dann auf die
großherzoglich hessische und bayrische Gesetzgebung, doch sei Preußen dadurch
besonders begünstigt, daß es die hierüber in den längst bestehenden Schwur¬
gerichten der Rheinprovinz gemachten Erfahrungen auf die andern Provinzen
anwenden könne. So habe man die rheinischen Borschriften über die Be¬
fähigung zum Geschwornen und über die Bildung der Geschwornenlistencherüber-
genommen. Aus die Vermögensverhältnisse der Personen müsse betreffs des ersteren
Punktes deshalb Rücksicht genommen werden, weil der Besitz größere Un¬
abhängigkeit und Festigkeit gegen alle Einflüsse von oben und unten gebe (?).
"Erst die Zukunft kann lehren, inwiefern bei der Berufung der Geschwornen
eine andre Grundlage sich annehmen läßt, ob namentlich die Geschwornen
aus der Gemeindevertretung hervorgehn oder gleich dieser von
den Gemeindewählern gewählt werden können. Dies wird aber
"se nach Einführung einer neuen Gemeindeordnung der weiteren Erwägung
unterliegen können."

Aus den Verhandlungen der Commission des Abgeordnetenhauses von
1861 -- i8g2 über die hier besprochenen Gesctzesstellen erwähnen wir nur
Folgendes. Betreffs der oben besonders hervorgehobenen Vormerke, welche
von den Kreislandräthen und Gerichtsdirectoren über die Qualification der
Personen der Urliste zum Geschwornendienste in die Urliste gesetzt werden sollen,
Verweise die Commission darauf, daß die Kreisgcrichtsdirectoren die Qualification
chrer Gerichtseingesessenen für die Geschwornensunction besser kennen und be¬
urtheilen können als die Verwaltungsbeamten. Dann fügt sie sehr gravirend
für obige Vorschrift hinzu: Gerade das Urtheil der Gerichtsdirectoren
sei um so mehr zu berücksichtigen, als ihre richterliche Stellung dafür
bürge, daß sie dabei unbefangen und parteilos zu Werke gehn würden.
Auch dre Reduction der Geschwornen von 48 auf 30 durch den Vorsitzenden
des Schwurgerichts hält die Commission nicht für die Unabhängigkeit der
Stellung des Vorsitzenden gefährdend, aber gerade diese Reduction halte die
Garantie aufrecht, welche die öffentliche Meinung darin finde, daß die Fest.
Geltung der Dienstliste nicht ganz in die Hand der Verwaltungs-


über die sogenannte „Qualification der Personen zum Berufe der
Geschwornen" in der Urliste vortrefflich unterrichtet wird. Hierzu kommen
dann noch die Ablehnungen durch den Staatsanwalt.

Die Motive des Gesetzes vom 3. Januar 1849, welche unsre Frage aus¬
drücklich die wesentlichste in Betreff der Schwurgerichte nennen, weisen zunächst
den Vorschlag ab, durch die politischen Urwähler die Geschwornen wählen zu
lassen. Das sei nicht eine Ausgabe der Urwähler, die nöthigen Rücksichten des
Schwurgerichts könnten dadurch zu sehr gefährdet werden. Durchaus erforderlich
sei. zu Geschwornen nur Personen zu berufen, die voraussichtlich ihre schweren
Pflichten mit Festigkeit und Umsicht erfüllen würden. Man weist dann auf die
großherzoglich hessische und bayrische Gesetzgebung, doch sei Preußen dadurch
besonders begünstigt, daß es die hierüber in den längst bestehenden Schwur¬
gerichten der Rheinprovinz gemachten Erfahrungen auf die andern Provinzen
anwenden könne. So habe man die rheinischen Borschriften über die Be¬
fähigung zum Geschwornen und über die Bildung der Geschwornenlistencherüber-
genommen. Aus die Vermögensverhältnisse der Personen müsse betreffs des ersteren
Punktes deshalb Rücksicht genommen werden, weil der Besitz größere Un¬
abhängigkeit und Festigkeit gegen alle Einflüsse von oben und unten gebe (?).
„Erst die Zukunft kann lehren, inwiefern bei der Berufung der Geschwornen
eine andre Grundlage sich annehmen läßt, ob namentlich die Geschwornen
aus der Gemeindevertretung hervorgehn oder gleich dieser von
den Gemeindewählern gewählt werden können. Dies wird aber
"se nach Einführung einer neuen Gemeindeordnung der weiteren Erwägung
unterliegen können."

Aus den Verhandlungen der Commission des Abgeordnetenhauses von
1861 — i8g2 über die hier besprochenen Gesctzesstellen erwähnen wir nur
Folgendes. Betreffs der oben besonders hervorgehobenen Vormerke, welche
von den Kreislandräthen und Gerichtsdirectoren über die Qualification der
Personen der Urliste zum Geschwornendienste in die Urliste gesetzt werden sollen,
Verweise die Commission darauf, daß die Kreisgcrichtsdirectoren die Qualification
chrer Gerichtseingesessenen für die Geschwornensunction besser kennen und be¬
urtheilen können als die Verwaltungsbeamten. Dann fügt sie sehr gravirend
für obige Vorschrift hinzu: Gerade das Urtheil der Gerichtsdirectoren
sei um so mehr zu berücksichtigen, als ihre richterliche Stellung dafür
bürge, daß sie dabei unbefangen und parteilos zu Werke gehn würden.
Auch dre Reduction der Geschwornen von 48 auf 30 durch den Vorsitzenden
des Schwurgerichts hält die Commission nicht für die Unabhängigkeit der
Stellung des Vorsitzenden gefährdend, aber gerade diese Reduction halte die
Garantie aufrecht, welche die öffentliche Meinung darin finde, daß die Fest.
Geltung der Dienstliste nicht ganz in die Hand der Verwaltungs-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/21>, abgerufen am 15.01.2025.