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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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in der damaligen, zumal in der italienischen Handelswelt in Italien, Spanien,
Frankreich, England, Flandern cursirenden Wechsel war von den verschiedenen
italienischen Wechslern, Banken und Zweigbanken auf diese Messen ausgestellt,
die Aussteller erschienen daselbst persönlich oder durch regelmäßige Vertreter und
glichen die so auf die verschiedenen Bankiers wechselseitig gezogenen Wechsel
durch Umschreibung in ihren Büchern aus (das Jndossement kam erst seit dem
17. Jahrhundert in Gebrauch) oder erledigten baar ihre restirenden Wechsel-
Verbindlichkeiten gegen Bankiers und andere Gläubiger. In nach Zeit und
Ort verschiedener Weise theilte man die Dauer jeder Messe in feste Abschnitte
für die einzelnen Handelszweige, und bei der Abwicklung der Wechselgeschäfte
für die einzelnen Stadien derselben. Die Abschnitte bezeichneten öffentliche
Ausrufer durch ihren Ruf: tara, tara! Am Ende der Messe waren vier
Tage zum Skontriren der Wechsel bestimmt, dann folgten die Zahlungen, die
durch RückWechsel (Ritorno-) von den Messen auf die verschiedenen Plätze ge¬
leistet wurden. Ganz genaue Einsicht in die höchst interessanten und für die
Geschichte des Handels und Handelsrechts wichtigen Details dieser frühen
Messen gestatten die sehr vereinzelten Nachrichten darüber nicht. Solcher Messen
gab es höchst wahrscheinlich schon seit dem 12. Jahrhundert daselbst jährlich
sechs, zwei in Provins, eine in Bar, zwei in Troyes, eine in Laigny.

Mit diesen Messen standen Haupthandelsplätze Westdeutschlands, wie vor¬
nehmlich Köln -- das ersehen wir aus vor Kurzem veröffentlichten neuen Ur¬
kunden zur Geschichte Kölns --, schon lange vor der Uebersiedelung der großen
italienischen Bankcommanditen nach Frankreich und Flandern derart in Geschäfts¬
verbindung, daß sie ihre bestimmten Vertreter auf die Messen sandten, welche die
auf diesen fälligen Handels(Wechsel-)verbindlichkeiten ihrer Mitbürger und Auftrag¬
geber abwickeln mußten. Das geschah besonders betreffs der in Italien übernomme¬
nen (Wechsel-)Geldschulden deutscher Geistlichen und schon seit 1213, 1221,
1228, d. h. seit der frühesten Zeit, aus der wir überhaupt etwas von den
champagner Messen wissen. Siebzig bis hundert Jahre später fehlen dann auch
für die Städte Südwestdeutschlands, so für Straßburg, Constanz u. in. a.
nicht die Nachrichten von enger und regelmäßiger Verbindung mit jenen Messen
im Waarenhandel und den Geldgeschäften.

Die große und steigende Bedeutung der champagner Messen errang denselben
bald, vom Anfange des 14. Jahrhunderts ab, wichtige Privilegien der französischen
Könige. Sie erhielten eine vom Könige eingesetzte und mit Gerichtsbarkeit für
die Meßgeschäfte ausgestattete Behörde, genannt eoriservatoreL (eustoäos) nun-
ämaruln, mattres Ach toires. Die Meßforderungen ferner sollten sich mehrer
Vorrechte erfreuen, u. a. allen übrigen Forderungen vorgehen, höhere, als nur
sonst ausnahmsweise gestattete Zinsen tragen, doch nur wenn ihre Urkunde
Von der eben genannten Behörde untersiegelt war. Mit diesem Siegel fielen


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in der damaligen, zumal in der italienischen Handelswelt in Italien, Spanien,
Frankreich, England, Flandern cursirenden Wechsel war von den verschiedenen
italienischen Wechslern, Banken und Zweigbanken auf diese Messen ausgestellt,
die Aussteller erschienen daselbst persönlich oder durch regelmäßige Vertreter und
glichen die so auf die verschiedenen Bankiers wechselseitig gezogenen Wechsel
durch Umschreibung in ihren Büchern aus (das Jndossement kam erst seit dem
17. Jahrhundert in Gebrauch) oder erledigten baar ihre restirenden Wechsel-
Verbindlichkeiten gegen Bankiers und andere Gläubiger. In nach Zeit und
Ort verschiedener Weise theilte man die Dauer jeder Messe in feste Abschnitte
für die einzelnen Handelszweige, und bei der Abwicklung der Wechselgeschäfte
für die einzelnen Stadien derselben. Die Abschnitte bezeichneten öffentliche
Ausrufer durch ihren Ruf: tara, tara! Am Ende der Messe waren vier
Tage zum Skontriren der Wechsel bestimmt, dann folgten die Zahlungen, die
durch RückWechsel (Ritorno-) von den Messen auf die verschiedenen Plätze ge¬
leistet wurden. Ganz genaue Einsicht in die höchst interessanten und für die
Geschichte des Handels und Handelsrechts wichtigen Details dieser frühen
Messen gestatten die sehr vereinzelten Nachrichten darüber nicht. Solcher Messen
gab es höchst wahrscheinlich schon seit dem 12. Jahrhundert daselbst jährlich
sechs, zwei in Provins, eine in Bar, zwei in Troyes, eine in Laigny.

Mit diesen Messen standen Haupthandelsplätze Westdeutschlands, wie vor¬
nehmlich Köln — das ersehen wir aus vor Kurzem veröffentlichten neuen Ur¬
kunden zur Geschichte Kölns —, schon lange vor der Uebersiedelung der großen
italienischen Bankcommanditen nach Frankreich und Flandern derart in Geschäfts¬
verbindung, daß sie ihre bestimmten Vertreter auf die Messen sandten, welche die
auf diesen fälligen Handels(Wechsel-)verbindlichkeiten ihrer Mitbürger und Auftrag¬
geber abwickeln mußten. Das geschah besonders betreffs der in Italien übernomme¬
nen (Wechsel-)Geldschulden deutscher Geistlichen und schon seit 1213, 1221,
1228, d. h. seit der frühesten Zeit, aus der wir überhaupt etwas von den
champagner Messen wissen. Siebzig bis hundert Jahre später fehlen dann auch
für die Städte Südwestdeutschlands, so für Straßburg, Constanz u. in. a.
nicht die Nachrichten von enger und regelmäßiger Verbindung mit jenen Messen
im Waarenhandel und den Geldgeschäften.

Die große und steigende Bedeutung der champagner Messen errang denselben
bald, vom Anfange des 14. Jahrhunderts ab, wichtige Privilegien der französischen
Könige. Sie erhielten eine vom Könige eingesetzte und mit Gerichtsbarkeit für
die Meßgeschäfte ausgestattete Behörde, genannt eoriservatoreL (eustoäos) nun-
ämaruln, mattres Ach toires. Die Meßforderungen ferner sollten sich mehrer
Vorrechte erfreuen, u. a. allen übrigen Forderungen vorgehen, höhere, als nur
sonst ausnahmsweise gestattete Zinsen tragen, doch nur wenn ihre Urkunde
Von der eben genannten Behörde untersiegelt war. Mit diesem Siegel fielen


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[0219] in der damaligen, zumal in der italienischen Handelswelt in Italien, Spanien, Frankreich, England, Flandern cursirenden Wechsel war von den verschiedenen italienischen Wechslern, Banken und Zweigbanken auf diese Messen ausgestellt, die Aussteller erschienen daselbst persönlich oder durch regelmäßige Vertreter und glichen die so auf die verschiedenen Bankiers wechselseitig gezogenen Wechsel durch Umschreibung in ihren Büchern aus (das Jndossement kam erst seit dem 17. Jahrhundert in Gebrauch) oder erledigten baar ihre restirenden Wechsel- Verbindlichkeiten gegen Bankiers und andere Gläubiger. In nach Zeit und Ort verschiedener Weise theilte man die Dauer jeder Messe in feste Abschnitte für die einzelnen Handelszweige, und bei der Abwicklung der Wechselgeschäfte für die einzelnen Stadien derselben. Die Abschnitte bezeichneten öffentliche Ausrufer durch ihren Ruf: tara, tara! Am Ende der Messe waren vier Tage zum Skontriren der Wechsel bestimmt, dann folgten die Zahlungen, die durch RückWechsel (Ritorno-) von den Messen auf die verschiedenen Plätze ge¬ leistet wurden. Ganz genaue Einsicht in die höchst interessanten und für die Geschichte des Handels und Handelsrechts wichtigen Details dieser frühen Messen gestatten die sehr vereinzelten Nachrichten darüber nicht. Solcher Messen gab es höchst wahrscheinlich schon seit dem 12. Jahrhundert daselbst jährlich sechs, zwei in Provins, eine in Bar, zwei in Troyes, eine in Laigny. Mit diesen Messen standen Haupthandelsplätze Westdeutschlands, wie vor¬ nehmlich Köln — das ersehen wir aus vor Kurzem veröffentlichten neuen Ur¬ kunden zur Geschichte Kölns —, schon lange vor der Uebersiedelung der großen italienischen Bankcommanditen nach Frankreich und Flandern derart in Geschäfts¬ verbindung, daß sie ihre bestimmten Vertreter auf die Messen sandten, welche die auf diesen fälligen Handels(Wechsel-)verbindlichkeiten ihrer Mitbürger und Auftrag¬ geber abwickeln mußten. Das geschah besonders betreffs der in Italien übernomme¬ nen (Wechsel-)Geldschulden deutscher Geistlichen und schon seit 1213, 1221, 1228, d. h. seit der frühesten Zeit, aus der wir überhaupt etwas von den champagner Messen wissen. Siebzig bis hundert Jahre später fehlen dann auch für die Städte Südwestdeutschlands, so für Straßburg, Constanz u. in. a. nicht die Nachrichten von enger und regelmäßiger Verbindung mit jenen Messen im Waarenhandel und den Geldgeschäften. Die große und steigende Bedeutung der champagner Messen errang denselben bald, vom Anfange des 14. Jahrhunderts ab, wichtige Privilegien der französischen Könige. Sie erhielten eine vom Könige eingesetzte und mit Gerichtsbarkeit für die Meßgeschäfte ausgestattete Behörde, genannt eoriservatoreL (eustoäos) nun- ämaruln, mattres Ach toires. Die Meßforderungen ferner sollten sich mehrer Vorrechte erfreuen, u. a. allen übrigen Forderungen vorgehen, höhere, als nur sonst ausnahmsweise gestattete Zinsen tragen, doch nur wenn ihre Urkunde Von der eben genannten Behörde untersiegelt war. Mit diesem Siegel fielen 26*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/219>, abgerufen am 15.01.2025.