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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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hinab. Dort sammeln sie sich in Frankfurt, sie lagern in Köln, sie häufen sich
endlich von hier aus oder durch Frankreich oder durch den Seeweg auf dem
großen Weltmärkte des Nordens in Brügge und warten hier, feilgeboten von
den italienischen Kaufleuten (Lombarden), der Käufer aus England und Frank¬
reich, aus Skandinavien und Dänemark, aus dem hanseatischen Norddeutsch¬
land und Rußland, die wieder die Rohproducte ihrer Länder, Holz, Asche,
Theer, Fische. Fett, Wachs, Honig, Pelze, Getreide, Eisen, gegen die gleich
kostbaren Waaren des Ostens und Südens neben den Tuch- und Linnenwaaren
aus, Flandern und England, dem Salze aus Frankreich und Spanien auszu¬
tauschen kommen. Ja der kaufmännische Unternehmungsgeist bewog die italieni¬
schen Handelsleute in Flandern, mit ihren Südwaaren sogar zu den Welt¬
märkten in Nordrußland, z. B. nach Nowgorod vorzudringen, bis die steigende
Macht der handelsklugen Hanseaten ihnen das gesetzlich untersagte.

Einen Theil der frühen Entwicklung solcher Markte in Süd- und West¬
deutschland muß man zweifellos der regen Verbindung danken, in welcher eben
dort die deutschen Zwischenhändler mit den in Handel und Handelsrecht so geübten
Kaufleuten Italiens seit dem 12. und 13. Jahrhundert standen. Zunächst
waren es die Waarenhändler Italiens, welche mit ihren gewinnreichen Ballen
und Fässern in den genannten Haupthandelsplätzen Süddeutschlands erschienen,
dann die Geldwechsler, welche allein oder als Vertreter der großen italienischen
Bankhäuser durch die Unruhen der Heimath oder durch Gewinnlust getrieben in
Ostfrankreich, in Flandern, später selbst in Süd- und Westdeutschland sich an¬
siedelten, Zweigbanken ihrer Haupthäuser gründeten und ihre Handctsgebräuche
und Handelsrechtssätze in den fremden Ländern heimisch zu machen strebten.
Nicht minder überzeugten sich die deutschen Kaufleute durch ihren häusigen Be¬
such auf den italienischen, französischen, flandrischen Märkten, wo sie überwie¬
gend italienische Handelsgrundsätzc vertreten fanden, von der Vortrefflichkeit
der letzteren.

Besonders hervorzuheben sind hier die Messen in der Champagne und
diejenigen, welche sich später in Südfrankreich, dann im Elsaß an erstere an¬
schlössen, weil neuerdings eine Reihe archivalischer Zeugnisse für die Verbindung
dieser Messen mit Handelsplätzen in Westdeutschland aufgefunden wurden.
Sie überraschen durch die strengen Meßordnungen, durch den ausgedehnten,
vorzüglich geregelten Betrieb, durch den enormen Werthumsatz. Sie bilden
Centralpunkte des Handels, vornehmlich der Geld- und Wechselgeschäfte, sie er¬
leichtern letztere, befördern ihre Ausbreitung, cultiviren das Wechselrecht.

Als Jahrmärkte, ganz wie in Deutschland, begannen die champagner Messen
(toires Ah OKamMMs) und zwar bereits so früh, daß man ihren Ursprung
nicht verfolgen kann. Haupthandelsartikel, wie noch heute, waren Tuch und
Leder, daran schlössen sich die Menge der Wechselgeschäfte. Eine große Zahl der


hinab. Dort sammeln sie sich in Frankfurt, sie lagern in Köln, sie häufen sich
endlich von hier aus oder durch Frankreich oder durch den Seeweg auf dem
großen Weltmärkte des Nordens in Brügge und warten hier, feilgeboten von
den italienischen Kaufleuten (Lombarden), der Käufer aus England und Frank¬
reich, aus Skandinavien und Dänemark, aus dem hanseatischen Norddeutsch¬
land und Rußland, die wieder die Rohproducte ihrer Länder, Holz, Asche,
Theer, Fische. Fett, Wachs, Honig, Pelze, Getreide, Eisen, gegen die gleich
kostbaren Waaren des Ostens und Südens neben den Tuch- und Linnenwaaren
aus, Flandern und England, dem Salze aus Frankreich und Spanien auszu¬
tauschen kommen. Ja der kaufmännische Unternehmungsgeist bewog die italieni¬
schen Handelsleute in Flandern, mit ihren Südwaaren sogar zu den Welt¬
märkten in Nordrußland, z. B. nach Nowgorod vorzudringen, bis die steigende
Macht der handelsklugen Hanseaten ihnen das gesetzlich untersagte.

Einen Theil der frühen Entwicklung solcher Markte in Süd- und West¬
deutschland muß man zweifellos der regen Verbindung danken, in welcher eben
dort die deutschen Zwischenhändler mit den in Handel und Handelsrecht so geübten
Kaufleuten Italiens seit dem 12. und 13. Jahrhundert standen. Zunächst
waren es die Waarenhändler Italiens, welche mit ihren gewinnreichen Ballen
und Fässern in den genannten Haupthandelsplätzen Süddeutschlands erschienen,
dann die Geldwechsler, welche allein oder als Vertreter der großen italienischen
Bankhäuser durch die Unruhen der Heimath oder durch Gewinnlust getrieben in
Ostfrankreich, in Flandern, später selbst in Süd- und Westdeutschland sich an¬
siedelten, Zweigbanken ihrer Haupthäuser gründeten und ihre Handctsgebräuche
und Handelsrechtssätze in den fremden Ländern heimisch zu machen strebten.
Nicht minder überzeugten sich die deutschen Kaufleute durch ihren häusigen Be¬
such auf den italienischen, französischen, flandrischen Märkten, wo sie überwie¬
gend italienische Handelsgrundsätzc vertreten fanden, von der Vortrefflichkeit
der letzteren.

Besonders hervorzuheben sind hier die Messen in der Champagne und
diejenigen, welche sich später in Südfrankreich, dann im Elsaß an erstere an¬
schlössen, weil neuerdings eine Reihe archivalischer Zeugnisse für die Verbindung
dieser Messen mit Handelsplätzen in Westdeutschland aufgefunden wurden.
Sie überraschen durch die strengen Meßordnungen, durch den ausgedehnten,
vorzüglich geregelten Betrieb, durch den enormen Werthumsatz. Sie bilden
Centralpunkte des Handels, vornehmlich der Geld- und Wechselgeschäfte, sie er¬
leichtern letztere, befördern ihre Ausbreitung, cultiviren das Wechselrecht.

Als Jahrmärkte, ganz wie in Deutschland, begannen die champagner Messen
(toires Ah OKamMMs) und zwar bereits so früh, daß man ihren Ursprung
nicht verfolgen kann. Haupthandelsartikel, wie noch heute, waren Tuch und
Leder, daran schlössen sich die Menge der Wechselgeschäfte. Eine große Zahl der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/218>, abgerufen am 15.01.2025.