Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.ist, ein neuer Schritt zur Selbstregierung, jedes wohlgelungne Fest ein Triumph So weit darf man unsre Feste und die starke Betheiligung der Nation Nicht zu läugnen ist, daß unter den Gästen dieser Feste immer eine gute Wenig mehr werth ist eine gewisse Gattung von Politikern, die bei solchen Auch Bessere und Wahrhaftigere werden leicht getäuscht. Der Anblick der ist, ein neuer Schritt zur Selbstregierung, jedes wohlgelungne Fest ein Triumph So weit darf man unsre Feste und die starke Betheiligung der Nation Nicht zu läugnen ist, daß unter den Gästen dieser Feste immer eine gute Wenig mehr werth ist eine gewisse Gattung von Politikern, die bei solchen Auch Bessere und Wahrhaftigere werden leicht getäuscht. Der Anblick der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0206" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283559"/> <p xml:id="ID_579" prev="#ID_578"> ist, ein neuer Schritt zur Selbstregierung, jedes wohlgelungne Fest ein Triumph<lb/> des zur Freiheit reifenden Volkes über den verwelkenden Polizeistaat und die<lb/> Vertheidiger desselben. Das Volk beweist damit nach oben hin, daß es des<lb/> Gängelbandes und der Beaufsichtigung nicht mehr bedarf, und gewinnt im<lb/> Rückblick auf die beobachtete Haltung für sich Selbstvertrauen und höheres Be¬<lb/> wußtsein von seiner Würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_580"> So weit darf man unsre Feste und die starke Betheiligung der Nation<lb/> an denselben als glückliche Zeichen der Zeit ansehen. Sie stellen unsern Wohl¬<lb/> stand zur Schau und steigern dadurch das Selbstgefühl der Massen, sie heben<lb/> empor aus kleinen Interessen und Bestrebungen, sie erweitern Vielen den<lb/> Horizont des Vorstellens und Strebens, sie ebnen Hindernisse der nationalen<lb/> Einigung, die in Mißverständnissen liegen, und sie helfen das Volk zur Aus¬<lb/> übung des Sclbstregiments erziehen. Was mehr von ihnen behauptet oder<lb/> erwartet wird, ist Täuschung oder Uebertreibung, und es ist an der Zeit, dies<lb/> in der Kürze zu sagen, auch auf die Schattenseite dieser Bewegung aufmerksam<lb/> zu machen und in Bezug auf die von ihrer Lichtseite gehegten Hoffnungen zur<lb/> Bescheidenheit zu mahnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_581"> Nicht zu läugnen ist, daß unter den Gästen dieser Feste immer eine gute<lb/> Anzahl bloßer Freudeniäger ist, für welche Fahnen und Kränze, lustiges Zechen<lb/> und Singen die Hauptsache ausmachen, und die sich zu den idealen Zwecken<lb/> durchaus gleichgiltig Verhalten, die man also, wenn es sich um Berechnung des<lb/> Gewinnes für unsre Zukunft nach der Zahl der Theilnehmer handelt, ohne<lb/> Weiteres abzuziehen hat. Ein Nationalfest ist für diese Classe nichts als ein<lb/> höheres dresdner Vogelschießen, höher nur. weil es mehr Menschen versammelt.</p><lb/> <p xml:id="ID_582"> Wenig mehr werth ist eine gewisse Gattung von Politikern, die bei solchen<lb/> Zusammenkünften eine hervorragende Rolle zu spielen pflegen. Mit dem alt¬<lb/> gewohnten, viel gebrauchten Koffer voll patriotischer Phrasen beziehen sie alle<lb/> bedeutenderen Feste wie der Kaufmann die Messen, drängen sich zur Redner¬<lb/> bühne und bringen ihre Waare mit dem Brustton der echten Begeisterung an<lb/> den Mann. Der Zweck ist, von sich reden zu machen, sich in Erinnerung zu<lb/> dringen, Beifall zu ernten, der Erfolg bei der Zuhörerschaft, wenn der Rhetor<lb/> sein Handwerk gut versteht, ein angenehmer momentaner Rausch, wie überall,<lb/> wo der Cultus der Phrase herrscht, ein kurzes Schwelgen in Illusionen, die,<lb/> wenn sie überhaupt etwas wirken, nur die Meinung hervorrufen, man sei und<lb/> habe schon, was man sein und haben soll, und die somit nur eine Selbstzu¬<lb/> friedenheit fördern, welche die Pflicht zur Arbeit beeinträchtigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_583" next="#ID_584"> Auch Bessere und Wahrhaftigere werden leicht getäuscht. Der Anblick der<lb/> aufmarschirenden Massen, der Stimmendonncr der singenden Chöre, das Bravo<lb/> und Hurrah, welches Tausende dem glücklichen Redner zurufen, berauschen, und<lb/> das reichlich fließende Getränk trägt auch nicht gerade dazu bei, eine realistisch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0206]
ist, ein neuer Schritt zur Selbstregierung, jedes wohlgelungne Fest ein Triumph
des zur Freiheit reifenden Volkes über den verwelkenden Polizeistaat und die
Vertheidiger desselben. Das Volk beweist damit nach oben hin, daß es des
Gängelbandes und der Beaufsichtigung nicht mehr bedarf, und gewinnt im
Rückblick auf die beobachtete Haltung für sich Selbstvertrauen und höheres Be¬
wußtsein von seiner Würde.
So weit darf man unsre Feste und die starke Betheiligung der Nation
an denselben als glückliche Zeichen der Zeit ansehen. Sie stellen unsern Wohl¬
stand zur Schau und steigern dadurch das Selbstgefühl der Massen, sie heben
empor aus kleinen Interessen und Bestrebungen, sie erweitern Vielen den
Horizont des Vorstellens und Strebens, sie ebnen Hindernisse der nationalen
Einigung, die in Mißverständnissen liegen, und sie helfen das Volk zur Aus¬
übung des Sclbstregiments erziehen. Was mehr von ihnen behauptet oder
erwartet wird, ist Täuschung oder Uebertreibung, und es ist an der Zeit, dies
in der Kürze zu sagen, auch auf die Schattenseite dieser Bewegung aufmerksam
zu machen und in Bezug auf die von ihrer Lichtseite gehegten Hoffnungen zur
Bescheidenheit zu mahnen.
Nicht zu läugnen ist, daß unter den Gästen dieser Feste immer eine gute
Anzahl bloßer Freudeniäger ist, für welche Fahnen und Kränze, lustiges Zechen
und Singen die Hauptsache ausmachen, und die sich zu den idealen Zwecken
durchaus gleichgiltig Verhalten, die man also, wenn es sich um Berechnung des
Gewinnes für unsre Zukunft nach der Zahl der Theilnehmer handelt, ohne
Weiteres abzuziehen hat. Ein Nationalfest ist für diese Classe nichts als ein
höheres dresdner Vogelschießen, höher nur. weil es mehr Menschen versammelt.
Wenig mehr werth ist eine gewisse Gattung von Politikern, die bei solchen
Zusammenkünften eine hervorragende Rolle zu spielen pflegen. Mit dem alt¬
gewohnten, viel gebrauchten Koffer voll patriotischer Phrasen beziehen sie alle
bedeutenderen Feste wie der Kaufmann die Messen, drängen sich zur Redner¬
bühne und bringen ihre Waare mit dem Brustton der echten Begeisterung an
den Mann. Der Zweck ist, von sich reden zu machen, sich in Erinnerung zu
dringen, Beifall zu ernten, der Erfolg bei der Zuhörerschaft, wenn der Rhetor
sein Handwerk gut versteht, ein angenehmer momentaner Rausch, wie überall,
wo der Cultus der Phrase herrscht, ein kurzes Schwelgen in Illusionen, die,
wenn sie überhaupt etwas wirken, nur die Meinung hervorrufen, man sei und
habe schon, was man sein und haben soll, und die somit nur eine Selbstzu¬
friedenheit fördern, welche die Pflicht zur Arbeit beeinträchtigt.
Auch Bessere und Wahrhaftigere werden leicht getäuscht. Der Anblick der
aufmarschirenden Massen, der Stimmendonncr der singenden Chöre, das Bravo
und Hurrah, welches Tausende dem glücklichen Redner zurufen, berauschen, und
das reichlich fließende Getränk trägt auch nicht gerade dazu bei, eine realistisch
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