Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.rein die Außenpforte öffnen, -- da stürzt der Concierge aus seiner Loge auf Verzeihung für die Abschweifung. Die Erinnerung an diese "organisirte" rein die Außenpforte öffnen, — da stürzt der Concierge aus seiner Loge auf Verzeihung für die Abschweifung. Die Erinnerung an diese „organisirte" <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0180" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283533"/> <p xml:id="ID_522" prev="#ID_521"> rein die Außenpforte öffnen, — da stürzt der Concierge aus seiner Loge auf<lb/> uns los: „on us passe pas eomms 9a; votrs passe avant s'it vous platt!"<lb/> Das scheint dem Begreifen eines Fremden schlechthin unfaßlich, man fragt,<lb/> man protestirt, aber das Resultat aller Verhandlungen ist doch nur, daß man<lb/> sich wieder den Weg. den man gekommen, zurück bemüht, um von dem Herren<lb/> am mittelsten Pult sich das fehlende Document zu erbitten, ohne welches der<lb/> schreckliche Pförtner Euch nicht ins Freie läßt. Diese neue „Larte" besteht in<lb/> einer Ermächtigung, daß wir mit dem. was wir in der Hand tragen, „avso<lb/> un rsgiströ, un album, une portöteuiUs" (denn an dem Skizzenbuch nahm<lb/> jener Anstoß) Passiren dürfen. Es mag diese scharfe Controle und Sicherung<lb/> gegen Entfremdungen durch schlimme Erfahrungen dort geboten sein, aber es<lb/> berührt, zumal den an unser heimathliches System Gewöhnten nichts empörender,<lb/> als da, wo ihn der reinste, geistigste, uneigennützigste Zweck hinführte, sich erst<lb/> bescheinigen lassen zu müssen, daß man auch nichts unterschlagen und gestohlen<lb/> hat. Der Pariser nimmt das als etwas ganz Natürliches, findet gar nichts<lb/> daran auszusetzen: die kleine und unausgesetzte Beamteneinmischung, Chikane<lb/> und Reglementirerei erscheint ihm durchaus als normaler Zustand. In dem<lb/> prächtigen Jardin de Luxembourg einmal nach der Natur skizzirend, nach jenen<lb/> unvergleichlichen Kastanienhccken und den Kindergruppen, die sich im fröhlichen<lb/> Spiel auf den Kicsplätzen dazwischen tummeln, wurde ich sofort von ein paar<lb/> „Lsaräiens" um meine „Oartö Ac pörmissiou" dazu gefragt. Nicht einen Strich<lb/> dürfte ich weiter zeichnen, ohne dieselbe vom „eommairäant irulitaire an<lb/> I^uxemdourZ" eingeholt zu haben. Vor ihm gab es wieder ein scharfes Examen:<lb/> wie lange, in welchen Tagesstunden, auf welcher Seite, in welchen Partien<lb/> des Gartens ich zu zeichnen beabsichtigte. Als ich das endlich erhaltene, mit<lb/> solchen Bestimmungen und Beschränkungen gespickte Document einem pariser<lb/> Freunde zeigte und meinem Erstaunen sowie meinem von patriotischem Stolz<lb/> auf die in diesen Punkten schrankenlose glückliche heimathliche Freiheit und un¬<lb/> bedingte polizeiliche Liberalität geschwellten Empfinden ziemlich unverhohlnen Aus¬<lb/> druck gab, entgegnete er ganz verwundert in vollem naiven Ernst mit den<lb/> großen Worten, die für den Franzosen nicht charakteristischer gedacht werden<lb/> konnten: „Hus vouls-i-vous! drei? vous pas ac libsrts?! a?aris vous poupe?<lb/> tairs tont que vous voules et eorrime vous 1s voulöü, s'it ri'est pas<lb/> iirtsrÄit!"</p><lb/> <p xml:id="ID_523" next="#ID_524"> Verzeihung für die Abschweifung. Die Erinnerung an diese „organisirte"<lb/> französische Freiheit auch in diesen Dingen kommt wir wohl, wenn ich im voll¬<lb/> sten dankbaren Wohlgefühl dessen, was uns die Heimath gönnt, vor diesen<lb/> grünen Tischen sitze. Es bedarf freilich des Hinblicks auf jenen oben geschil¬<lb/> derten Zustand nicht, um des gegenwärtigen froh zu werden. Er ist an und<lb/> für sich reich genug an den nöthigen Bedingungen solcher Stimmung. Selten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0180]
rein die Außenpforte öffnen, — da stürzt der Concierge aus seiner Loge auf
uns los: „on us passe pas eomms 9a; votrs passe avant s'it vous platt!"
Das scheint dem Begreifen eines Fremden schlechthin unfaßlich, man fragt,
man protestirt, aber das Resultat aller Verhandlungen ist doch nur, daß man
sich wieder den Weg. den man gekommen, zurück bemüht, um von dem Herren
am mittelsten Pult sich das fehlende Document zu erbitten, ohne welches der
schreckliche Pförtner Euch nicht ins Freie läßt. Diese neue „Larte" besteht in
einer Ermächtigung, daß wir mit dem. was wir in der Hand tragen, „avso
un rsgiströ, un album, une portöteuiUs" (denn an dem Skizzenbuch nahm
jener Anstoß) Passiren dürfen. Es mag diese scharfe Controle und Sicherung
gegen Entfremdungen durch schlimme Erfahrungen dort geboten sein, aber es
berührt, zumal den an unser heimathliches System Gewöhnten nichts empörender,
als da, wo ihn der reinste, geistigste, uneigennützigste Zweck hinführte, sich erst
bescheinigen lassen zu müssen, daß man auch nichts unterschlagen und gestohlen
hat. Der Pariser nimmt das als etwas ganz Natürliches, findet gar nichts
daran auszusetzen: die kleine und unausgesetzte Beamteneinmischung, Chikane
und Reglementirerei erscheint ihm durchaus als normaler Zustand. In dem
prächtigen Jardin de Luxembourg einmal nach der Natur skizzirend, nach jenen
unvergleichlichen Kastanienhccken und den Kindergruppen, die sich im fröhlichen
Spiel auf den Kicsplätzen dazwischen tummeln, wurde ich sofort von ein paar
„Lsaräiens" um meine „Oartö Ac pörmissiou" dazu gefragt. Nicht einen Strich
dürfte ich weiter zeichnen, ohne dieselbe vom „eommairäant irulitaire an
I^uxemdourZ" eingeholt zu haben. Vor ihm gab es wieder ein scharfes Examen:
wie lange, in welchen Tagesstunden, auf welcher Seite, in welchen Partien
des Gartens ich zu zeichnen beabsichtigte. Als ich das endlich erhaltene, mit
solchen Bestimmungen und Beschränkungen gespickte Document einem pariser
Freunde zeigte und meinem Erstaunen sowie meinem von patriotischem Stolz
auf die in diesen Punkten schrankenlose glückliche heimathliche Freiheit und un¬
bedingte polizeiliche Liberalität geschwellten Empfinden ziemlich unverhohlnen Aus¬
druck gab, entgegnete er ganz verwundert in vollem naiven Ernst mit den
großen Worten, die für den Franzosen nicht charakteristischer gedacht werden
konnten: „Hus vouls-i-vous! drei? vous pas ac libsrts?! a?aris vous poupe?
tairs tont que vous voules et eorrime vous 1s voulöü, s'it ri'est pas
iirtsrÄit!"
Verzeihung für die Abschweifung. Die Erinnerung an diese „organisirte"
französische Freiheit auch in diesen Dingen kommt wir wohl, wenn ich im voll¬
sten dankbaren Wohlgefühl dessen, was uns die Heimath gönnt, vor diesen
grünen Tischen sitze. Es bedarf freilich des Hinblicks auf jenen oben geschil¬
derten Zustand nicht, um des gegenwärtigen froh zu werden. Er ist an und
für sich reich genug an den nöthigen Bedingungen solcher Stimmung. Selten
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