Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Stative für das steilere Auflegen der Originale herbeizuschaffen und schweigend, Stative für das steilere Auflegen der Originale herbeizuschaffen und schweigend, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0179" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283532"/> <p xml:id="ID_521" prev="#ID_520" next="#ID_522"> Stative für das steilere Auflegen der Originale herbeizuschaffen und schweigend,<lb/> höflich und unsern neuen Auftrag erwartend, ungerufen vor uns zu stehn, so¬<lb/> wie das Zuklappen des festen Banddeckels nach vollendeter Durchsicht einer<lb/> Mappe ihm angezeigt hat. daß wir mit der zuletzt gebrachten zu Ende sind.<lb/> Es gibt in keiner Stadt und keinem Lande der Welt eine Einrichtung von ähn¬<lb/> licher Liberalität; es ist nie genug darauf hingewiesen worden, was dem künst¬<lb/> lerischen und kunstliebenden Publikum und wie es ihm hier geboten wird. ES<lb/> ist recht hübsch in der großen Gallerie der Handzeichnungen im Louvre den<lb/> ganzen Schatz derselben in seiner unerschöpflich reichen Herrlichkeit so vor sich<lb/> massenhaft ausgebreitet zu sehn. Blatt für Blatt neben einander unter Glas;<lb/> man geht durch die Reihen und läßt den reizenden Zug an sich vorüberziehn.<lb/> Aber schließlich' wird man stumpf gemacht eben durch die Massenhaftigkeit. und<lb/> das unmittelbare Nebeneinander des Verschiedensten verflacht und verflüchtigt<lb/> den Eindruck des Einzelnen. Welch ein andrer Genuß ist es. welch ein andres<lb/> Studium, sich jedes dieser kostbaren Blätter für sich mit eignen Händen in bester<lb/> Beleuchtung vornehmen zu können, es zu prüfen, den feinsten Zug und Punkt<lb/> des Zeichners bequem zu verfolgen. Und nun gar das gänzlich von dem der<lb/> Handzeichnungen getrennte pariser Labinst äos estampes! Wie unwirthlich,<lb/> finster, raumbeschränkt der Saal der Libliotaöliuö impöriale in der Rue Ri¬<lb/> chelieu, den es einnimmt! Welche Umstände, welche Schritte sind nöthig, um<lb/> hinein, welche verwirrenden und complicirten Formen, um an irgendeins der<lb/> gewünschten Werke, ja welche Maßregeln sind gar erforderlich, um nachher<lb/> wieder hinaus zu gelangen! Zuerst die schriftliche stadtpostlich einzusendende Pe¬<lb/> tition an UyvLiöur 1ö vireewur um eine Zutrittskarte. Mit dieser ausge¬<lb/> rüstet betritt man den unbehaglichen Saal, wo eine Anzahl von Subdirectoren<lb/> und Secretären an einer gleichen Zahl von verschiednen Pulten schreiben. Aber<lb/> man verlange nur einmal schlichtweg von einem derselben die Herbeischaffung<lb/> eines gewünschten Werkes: „it taut xreinZre uns cardo", „dort am mittelsten<lb/> Tisch finden Sie Karten, um das Verlangte aufzuschreiben". Gut, man thut<lb/> es und giebt sie diesem Herrn des mittelsten Tisches. Wieder gefehlt: die<lb/> Wunschkarte darf nur dem Beamten übergeben werden, dessen Pult denselben<lb/> Buchstaben mit unsrer Karte trägt. Endlich hat man seinen Zweck erreicht, und<lb/> ein gewisses Kupferwerk durchgesehen, bewacht von scharflugenden Wächteraugen,<lb/> ob man nicht auch reglementswidrigerweise mit irgendeinem andern Material<lb/> als der erlaubten „ome as xlomd" seine Skizzen mache, oder sich gar als<lb/> schlimmster aller Verbrecher mit einem heimlichen Stückchen Pflanzenpapier und<lb/> dem Versuch durchzuzeichnen hervorwage. Man wünscht einen neuen Band:<lb/> dieselbe Reihe von Manövern, um dazu zu gelangen. Unsre Zeit ist um, wir<lb/> empfehlen uns den Herren und gehn hinaus über den stillen Hof mit seinen<lb/> säuselnden Bäumen und Brunnengeriesel, wollen nichts ahnend und gewifsens-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0179]
Stative für das steilere Auflegen der Originale herbeizuschaffen und schweigend,
höflich und unsern neuen Auftrag erwartend, ungerufen vor uns zu stehn, so¬
wie das Zuklappen des festen Banddeckels nach vollendeter Durchsicht einer
Mappe ihm angezeigt hat. daß wir mit der zuletzt gebrachten zu Ende sind.
Es gibt in keiner Stadt und keinem Lande der Welt eine Einrichtung von ähn¬
licher Liberalität; es ist nie genug darauf hingewiesen worden, was dem künst¬
lerischen und kunstliebenden Publikum und wie es ihm hier geboten wird. ES
ist recht hübsch in der großen Gallerie der Handzeichnungen im Louvre den
ganzen Schatz derselben in seiner unerschöpflich reichen Herrlichkeit so vor sich
massenhaft ausgebreitet zu sehn. Blatt für Blatt neben einander unter Glas;
man geht durch die Reihen und läßt den reizenden Zug an sich vorüberziehn.
Aber schließlich' wird man stumpf gemacht eben durch die Massenhaftigkeit. und
das unmittelbare Nebeneinander des Verschiedensten verflacht und verflüchtigt
den Eindruck des Einzelnen. Welch ein andrer Genuß ist es. welch ein andres
Studium, sich jedes dieser kostbaren Blätter für sich mit eignen Händen in bester
Beleuchtung vornehmen zu können, es zu prüfen, den feinsten Zug und Punkt
des Zeichners bequem zu verfolgen. Und nun gar das gänzlich von dem der
Handzeichnungen getrennte pariser Labinst äos estampes! Wie unwirthlich,
finster, raumbeschränkt der Saal der Libliotaöliuö impöriale in der Rue Ri¬
chelieu, den es einnimmt! Welche Umstände, welche Schritte sind nöthig, um
hinein, welche verwirrenden und complicirten Formen, um an irgendeins der
gewünschten Werke, ja welche Maßregeln sind gar erforderlich, um nachher
wieder hinaus zu gelangen! Zuerst die schriftliche stadtpostlich einzusendende Pe¬
tition an UyvLiöur 1ö vireewur um eine Zutrittskarte. Mit dieser ausge¬
rüstet betritt man den unbehaglichen Saal, wo eine Anzahl von Subdirectoren
und Secretären an einer gleichen Zahl von verschiednen Pulten schreiben. Aber
man verlange nur einmal schlichtweg von einem derselben die Herbeischaffung
eines gewünschten Werkes: „it taut xreinZre uns cardo", „dort am mittelsten
Tisch finden Sie Karten, um das Verlangte aufzuschreiben". Gut, man thut
es und giebt sie diesem Herrn des mittelsten Tisches. Wieder gefehlt: die
Wunschkarte darf nur dem Beamten übergeben werden, dessen Pult denselben
Buchstaben mit unsrer Karte trägt. Endlich hat man seinen Zweck erreicht, und
ein gewisses Kupferwerk durchgesehen, bewacht von scharflugenden Wächteraugen,
ob man nicht auch reglementswidrigerweise mit irgendeinem andern Material
als der erlaubten „ome as xlomd" seine Skizzen mache, oder sich gar als
schlimmster aller Verbrecher mit einem heimlichen Stückchen Pflanzenpapier und
dem Versuch durchzuzeichnen hervorwage. Man wünscht einen neuen Band:
dieselbe Reihe von Manövern, um dazu zu gelangen. Unsre Zeit ist um, wir
empfehlen uns den Herren und gehn hinaus über den stillen Hof mit seinen
säuselnden Bäumen und Brunnengeriesel, wollen nichts ahnend und gewifsens-
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