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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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fetten gemalten Decke spannt sich ein reiches Hängewerk von vergoldetem Zinkguß
aus. Ueber den Fensterbogen zeigt sich immer grau in grau ausgeführt daS Bildniß
eines der großen Meister des Grabstichels von zierlichen Arabesken umgeben.
Die Fenster selbst sind je zwei große klare Spiegelscheiben durch je einen schmalen
Zwischenpfeiler getrennt oder vielmehr zum Anschein eines ganzen mit zwei
Flügeln vereinigt. Sie beginnen niedrig genug vom Boden, um dem auf den
Tritt davor Tretenden einen schönen Blick über Häuser. Fluß und Gärten unten
zu gewähren, und hoch genug, um das herrlichste ruhige, gleichmäßige Licht durch
den ganzen Saal zu ergießen. Die Farbe des letztern ist ein sehr sein ge¬
stimmtes Mattroth. Längs der Wände bemerken wir Schränke von hellpolirtem
Eichenholz, zwei desgleichen, einen kleinern höhern und einen langen niedern,
in der Mitte deS Saalraums. Auf dem mittelsten Schrank an der Hinterwand
steht die Kolossalbüste Albrecht Dürers, wie eines Schutzheiligen dieses Orts.
Ueberall ringsum in die Thürflügel der obern Schrankaufsätze sind unter Glas
besonders auserlesene Werke des Kupferstichs oder Handzeichnungen großer
Meister eingelassen. Andre sind in kostbare Rahmen gefaßt an freien Stellen
der Wände placirt. Jener Schmuck der Schrankthüren steht in keiner Beziehung
zum Inhalt des betreffenden Behälter" und zu den Meistern der innerhalb be-,
wahrten Arbeiten. Er soll nur würdigster Schmuck des Raums, zur Freude
für den ihn Durchwandelnden sein. Wer sich aber mit dieser Art der Betrach¬
tung und diesen Gegenständen derselben nicht begnügen will, findet hier und da
im Saal, hier runde, dort lange und breite viereckige Tische und Tafeln mit
zierlich gearbeiteten Füßen und festen grünen Tuchdecken und entsprechende
Rohrstühle davor, alles zugleich von gefälligem und gründlich solidem Ansehn
und Wesen. Hat er auf einem dieser Sessel Platz genommen, so mag er sich
als König und allmächtigen Beherrscher dieser Räume und aller Schätze, welche
sie umhegen, fühlen. Denn es bedarf nur eines Wirth an einen der stets auf¬
merkenden, dienstbereiten und verbindlichen Beamten, nur daS Aussprechen
seiner Wünsche, welches Malers, Stechers oder Zeichners Arbeiten, welches
Gallerte- und Sammelwerk, welcherlei Handzeichnungen, welcherlei seltne Drucke
oder Porträts oder Ornamente oder Städteansichten oder Costümbilder oder
was es immer auf dem ganzen ungeheuren Gebiet der graphischen Künste
sei, das er zu sehn begehre, so legt es nach einer Minute der, an den er
die Forderung gerichtet, vor ihn hin. falls es sich in der enormen Masse
des hier Angesammelten findet, und aus eigner Erfahrung kann ich versichern:
das Meiste, was man zu verlangen ersinnen kann, findet sich wirklich. In
festen buchartigen Mappen, auf starken Cartons befestigt, hat man eS da vor
sich, und nun mag man sich am Sehen befriedigen, mag man copiren wollen
in Bleistift, Pastell, Aquarell, kein Reglement, das. kein Beamter, der uns be¬
hinderte; wohl aber jeder der letztern bereit, e" uns dabei bequem zu machen.


fetten gemalten Decke spannt sich ein reiches Hängewerk von vergoldetem Zinkguß
aus. Ueber den Fensterbogen zeigt sich immer grau in grau ausgeführt daS Bildniß
eines der großen Meister des Grabstichels von zierlichen Arabesken umgeben.
Die Fenster selbst sind je zwei große klare Spiegelscheiben durch je einen schmalen
Zwischenpfeiler getrennt oder vielmehr zum Anschein eines ganzen mit zwei
Flügeln vereinigt. Sie beginnen niedrig genug vom Boden, um dem auf den
Tritt davor Tretenden einen schönen Blick über Häuser. Fluß und Gärten unten
zu gewähren, und hoch genug, um das herrlichste ruhige, gleichmäßige Licht durch
den ganzen Saal zu ergießen. Die Farbe des letztern ist ein sehr sein ge¬
stimmtes Mattroth. Längs der Wände bemerken wir Schränke von hellpolirtem
Eichenholz, zwei desgleichen, einen kleinern höhern und einen langen niedern,
in der Mitte deS Saalraums. Auf dem mittelsten Schrank an der Hinterwand
steht die Kolossalbüste Albrecht Dürers, wie eines Schutzheiligen dieses Orts.
Ueberall ringsum in die Thürflügel der obern Schrankaufsätze sind unter Glas
besonders auserlesene Werke des Kupferstichs oder Handzeichnungen großer
Meister eingelassen. Andre sind in kostbare Rahmen gefaßt an freien Stellen
der Wände placirt. Jener Schmuck der Schrankthüren steht in keiner Beziehung
zum Inhalt des betreffenden Behälter« und zu den Meistern der innerhalb be-,
wahrten Arbeiten. Er soll nur würdigster Schmuck des Raums, zur Freude
für den ihn Durchwandelnden sein. Wer sich aber mit dieser Art der Betrach¬
tung und diesen Gegenständen derselben nicht begnügen will, findet hier und da
im Saal, hier runde, dort lange und breite viereckige Tische und Tafeln mit
zierlich gearbeiteten Füßen und festen grünen Tuchdecken und entsprechende
Rohrstühle davor, alles zugleich von gefälligem und gründlich solidem Ansehn
und Wesen. Hat er auf einem dieser Sessel Platz genommen, so mag er sich
als König und allmächtigen Beherrscher dieser Räume und aller Schätze, welche
sie umhegen, fühlen. Denn es bedarf nur eines Wirth an einen der stets auf¬
merkenden, dienstbereiten und verbindlichen Beamten, nur daS Aussprechen
seiner Wünsche, welches Malers, Stechers oder Zeichners Arbeiten, welches
Gallerte- und Sammelwerk, welcherlei Handzeichnungen, welcherlei seltne Drucke
oder Porträts oder Ornamente oder Städteansichten oder Costümbilder oder
was es immer auf dem ganzen ungeheuren Gebiet der graphischen Künste
sei, das er zu sehn begehre, so legt es nach einer Minute der, an den er
die Forderung gerichtet, vor ihn hin. falls es sich in der enormen Masse
des hier Angesammelten findet, und aus eigner Erfahrung kann ich versichern:
das Meiste, was man zu verlangen ersinnen kann, findet sich wirklich. In
festen buchartigen Mappen, auf starken Cartons befestigt, hat man eS da vor
sich, und nun mag man sich am Sehen befriedigen, mag man copiren wollen
in Bleistift, Pastell, Aquarell, kein Reglement, das. kein Beamter, der uns be¬
hinderte; wohl aber jeder der letztern bereit, e« uns dabei bequem zu machen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/178>, abgerufen am 15.01.2025.