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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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wir ihm, der uns ein anderes Vertrauen einflößte, die volle Verantwortlichkeit
für die Wirren dieses Landes und für sein eigenes Schicksal zuschieben."
Brav und schön dieser Vorsatz; daß aber Deutschland damit gedient sein wird,
wenn die Herren ihn ausführen, bezweifeln wir; denn der Herzog ist offenbar
nicht wieder zu beseitigen, wenn er einmal erst souverän ist.

Für die Stellung des Blattes zu den jetzt bekannt gewordenen preußi¬
schen Bedingungen endlich war folgender Passus des Artikels charakteristisch:
"Wir fürchten, daß die preußische Politik durch das Ziel weit überschie¬
ßende Forderungen, mag Oestreich zustimmen oder sich weigern, Zustände
zu schaffen sucht, die durch ihre Unerträglichkeit das Land für weiter gehende
Pläne mürbe machen sollen." Das soll heißen: sagt Oestreich ja, so werden
wir Preußen zweiter Classe, und so wird der jetzige Particularismus sich über
kurz oder lang fragen: wozu dann noch Civilliste? sagt es nein, so dauert
das Provisorium fort, und das ist ebenfalls die langsame Annexion. Dieses
Räsonnement mag ziemlich richtig sein, aber wie zu helfen, was darauf hin
zu thun, sagt der Verfasser nicht. Er "fürchtet" blos, und das ist eben der
Fehler dieser ganzen Partei, daß sie niemals aus dem Fürchten, aus dem
Schwanken, aus dem Anblicken nach einer Hinterthür heraus und zu einem
großen, kühnen und nobeln Entschlüsse kommt.

Hauptorgan der entschieden nationalen Partei, die vollen dauernden An¬
schluß der Herzogthümer an Preußen und zwar vor Einsetzung des Herzogs
und Zusammentritt der Volksvertretung will, die namentlich Abtretung der
Kriegshoheit zu Wasser und zu Lande verlangte und die jetzt im Begriff ist,
die preußischen Forderungen rein und unverkürzt zu ihrem Programm zu ma¬
chen, ist die in Flensburg seit Anfang März v. I. erscheinende und in etwa
2000 Exemplaren vorzüglich in Mittelschleswig verbreitete "norddeutsche
Zeitung," die wir hiermit unseren Gesinnungsgenossen als sehr wacker gelei¬
tet warm empfehlen*). Ihr Chefredacteur, der Advocat Römer, früher in
Elmshorn, ist einer der wenigen Freunde des verewigten Theodor Lehmann,
die dieser echte Patriot jetzt noch als Freunde ehren würde, und auch der
Mitrcdacteur Bleit'en, ein Friese von Sylt, der früher einige Monate lang
in der Umgebung des Herzogs thätig war, jetzt sich aber schon geraume Zeit
von da zurückgezogen hat, verdient, obwohl noch nicht viele Jahre über die
Universität hinaus, das Lob einer tüchtigen mannhaften Gesinnung und einer
klaren Vorurtheilsfreien Auffassung der Dinge.



') Dieselbe erscheint jeden Wochentag und giebt in ihren Leitartikeln und Korrespondenzen
ein recht anschauliches Bild von dem Charakter der nationalen Partei in den Herzogthümern,
von den Kämpfe", welche dieselbe zu bestehen, von den Hindernissen, die sie zu überwinden,
und von den Hoffnungen, die sie sich zu machen hat.

wir ihm, der uns ein anderes Vertrauen einflößte, die volle Verantwortlichkeit
für die Wirren dieses Landes und für sein eigenes Schicksal zuschieben."
Brav und schön dieser Vorsatz; daß aber Deutschland damit gedient sein wird,
wenn die Herren ihn ausführen, bezweifeln wir; denn der Herzog ist offenbar
nicht wieder zu beseitigen, wenn er einmal erst souverän ist.

Für die Stellung des Blattes zu den jetzt bekannt gewordenen preußi¬
schen Bedingungen endlich war folgender Passus des Artikels charakteristisch:
„Wir fürchten, daß die preußische Politik durch das Ziel weit überschie¬
ßende Forderungen, mag Oestreich zustimmen oder sich weigern, Zustände
zu schaffen sucht, die durch ihre Unerträglichkeit das Land für weiter gehende
Pläne mürbe machen sollen." Das soll heißen: sagt Oestreich ja, so werden
wir Preußen zweiter Classe, und so wird der jetzige Particularismus sich über
kurz oder lang fragen: wozu dann noch Civilliste? sagt es nein, so dauert
das Provisorium fort, und das ist ebenfalls die langsame Annexion. Dieses
Räsonnement mag ziemlich richtig sein, aber wie zu helfen, was darauf hin
zu thun, sagt der Verfasser nicht. Er „fürchtet" blos, und das ist eben der
Fehler dieser ganzen Partei, daß sie niemals aus dem Fürchten, aus dem
Schwanken, aus dem Anblicken nach einer Hinterthür heraus und zu einem
großen, kühnen und nobeln Entschlüsse kommt.

Hauptorgan der entschieden nationalen Partei, die vollen dauernden An¬
schluß der Herzogthümer an Preußen und zwar vor Einsetzung des Herzogs
und Zusammentritt der Volksvertretung will, die namentlich Abtretung der
Kriegshoheit zu Wasser und zu Lande verlangte und die jetzt im Begriff ist,
die preußischen Forderungen rein und unverkürzt zu ihrem Programm zu ma¬
chen, ist die in Flensburg seit Anfang März v. I. erscheinende und in etwa
2000 Exemplaren vorzüglich in Mittelschleswig verbreitete „norddeutsche
Zeitung," die wir hiermit unseren Gesinnungsgenossen als sehr wacker gelei¬
tet warm empfehlen*). Ihr Chefredacteur, der Advocat Römer, früher in
Elmshorn, ist einer der wenigen Freunde des verewigten Theodor Lehmann,
die dieser echte Patriot jetzt noch als Freunde ehren würde, und auch der
Mitrcdacteur Bleit'en, ein Friese von Sylt, der früher einige Monate lang
in der Umgebung des Herzogs thätig war, jetzt sich aber schon geraume Zeit
von da zurückgezogen hat, verdient, obwohl noch nicht viele Jahre über die
Universität hinaus, das Lob einer tüchtigen mannhaften Gesinnung und einer
klaren Vorurtheilsfreien Auffassung der Dinge.



') Dieselbe erscheint jeden Wochentag und giebt in ihren Leitartikeln und Korrespondenzen
ein recht anschauliches Bild von dem Charakter der nationalen Partei in den Herzogthümern,
von den Kämpfe», welche dieselbe zu bestehen, von den Hindernissen, die sie zu überwinden,
und von den Hoffnungen, die sie sich zu machen hat.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/64>, abgerufen am 12.12.2024.