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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Ein paar Beispiele mögen zeigen, was die "norddeutsche Zeitung" glaubt
und wie sie spricht. Sie verlangt nicht nur volle Vereinigung der maritimen
und mien Klitärischräfte des Landes mit den preußischen, sondern auch unbe¬
schränkte Verfügung über jene Machtmittel zu jeder Zeit. "Die nicht souve¬
räne Qualität der Herzogthümer im Verhältniß zu Preußen," sagte sie. "ist die
Grundlage oder Voraussetzung aller übrigen Bestimmungen des Anschlusses.
Auch in Frankfurt würde künftig der Name der Herzogthümer in den Ma¬
joritätsabstimmungen nicht figuriren. Das Ausscheiden des Bundeslandes Hol¬
stein aus der Reihe souveräner deutscher Staaten -- und wir hoffen, daß nun
auch Schleswig deutsches Bundesgebiet werden wird -- wäre also immerhin
schon eine thatsächliche, wenn auch nur theilweise Reform des Bundes. Die
Existenz des letzteren würde sich in den Herzogthümer" nur mit Rücksicht auf
das Contingent und die Matricularumlage geltend machen. Schleswig-Hol¬
stein würde nur einen diplomatischen Vertreter haben, nämlich in Berlin. Es
wäre dies ein Geschäftsträger, dessen Wirksamkeit natürlich durch die Qualität
des Staates vorgezeichnet wäre, den er reprcisentirte."

Das Erbrecht des Herzogs erkennt das Blatt an, ordnet es aber dem
Recht der deutschen Nation auf möglichste Herstellung ihrer Einheit unter und
stellt in Folge dessen den Wunsch, dasselbe möge anerkannt werden, der For¬
derung auf engsten Anschluß an Preußen, das "werdende Deutschland", voran.
Dem Bunde will es keinerlei Einmischung in die Herzogthümerfrage mehr ge¬
stattet wissen. Gegen das Selbstbestimmungsrecht der Schleswig-Holsteiner
endlich sagte es in einem wohlgeschricbenen Leitartikel, den wir dem Chef¬
redacteur zuschreiben möchten, ungefähr Folgendes:

"Die Geschichte achtet kein Recht der Selbstbestimmung ohne die ent¬
sprechende Selbstthätigkeit zur Verwirklichung desselben. Jedes Volk muß sich
selbst seiner Haut wehren nach außen wie nach innen. Kann es dies nicht,
so geht es zu Grunde. Es ist aber Thatsache -- und nur Thatsachen, nicht
Wünsche und Velleitäten gelten in dem geschichtlichen Verlauf der Dinge --
daß nicht wir selbst unsre Unabhängigkeit gegen Dänemark durchzusetzen ver¬
mochten. Unsere Befreiung ist ein Werk der deutschen Nation, wenn man
will, vor allem aber, wenigstens im entscheidenden Augenblicke, eine That des
im preußischen Staat organisirten Theiles derselben. Die Gegenwart, wie sie ist,
haben wir uns nicht selber geschaffen; wir haben deshalb auch kein Recht, ein¬
seitig über die Zukunft zu verfügen." Die deutsche Nation, heißt es weiter,
könne die weitgreifenden Interessen, um die es sich hier handle, unmöglich allein
oder auch nur vorzugsweise dem politischen Verstände des Volkes der Herzog¬
thümer. d. h. der Mehrheit der jetzt lebenden Schleswig-Holsteiner zur Ent¬
scheidung anheim geben. "Die deutsche Nation (der Verfasser meint selbstver¬
ständlich auch hier nur die Mehrzahl der Denkenden) will eine Flotte, will


Grenzboten II. 136S. 8

Ein paar Beispiele mögen zeigen, was die „norddeutsche Zeitung" glaubt
und wie sie spricht. Sie verlangt nicht nur volle Vereinigung der maritimen
und mien Klitärischräfte des Landes mit den preußischen, sondern auch unbe¬
schränkte Verfügung über jene Machtmittel zu jeder Zeit. „Die nicht souve¬
räne Qualität der Herzogthümer im Verhältniß zu Preußen," sagte sie. „ist die
Grundlage oder Voraussetzung aller übrigen Bestimmungen des Anschlusses.
Auch in Frankfurt würde künftig der Name der Herzogthümer in den Ma¬
joritätsabstimmungen nicht figuriren. Das Ausscheiden des Bundeslandes Hol¬
stein aus der Reihe souveräner deutscher Staaten — und wir hoffen, daß nun
auch Schleswig deutsches Bundesgebiet werden wird — wäre also immerhin
schon eine thatsächliche, wenn auch nur theilweise Reform des Bundes. Die
Existenz des letzteren würde sich in den Herzogthümer» nur mit Rücksicht auf
das Contingent und die Matricularumlage geltend machen. Schleswig-Hol¬
stein würde nur einen diplomatischen Vertreter haben, nämlich in Berlin. Es
wäre dies ein Geschäftsträger, dessen Wirksamkeit natürlich durch die Qualität
des Staates vorgezeichnet wäre, den er reprcisentirte."

Das Erbrecht des Herzogs erkennt das Blatt an, ordnet es aber dem
Recht der deutschen Nation auf möglichste Herstellung ihrer Einheit unter und
stellt in Folge dessen den Wunsch, dasselbe möge anerkannt werden, der For¬
derung auf engsten Anschluß an Preußen, das „werdende Deutschland", voran.
Dem Bunde will es keinerlei Einmischung in die Herzogthümerfrage mehr ge¬
stattet wissen. Gegen das Selbstbestimmungsrecht der Schleswig-Holsteiner
endlich sagte es in einem wohlgeschricbenen Leitartikel, den wir dem Chef¬
redacteur zuschreiben möchten, ungefähr Folgendes:

„Die Geschichte achtet kein Recht der Selbstbestimmung ohne die ent¬
sprechende Selbstthätigkeit zur Verwirklichung desselben. Jedes Volk muß sich
selbst seiner Haut wehren nach außen wie nach innen. Kann es dies nicht,
so geht es zu Grunde. Es ist aber Thatsache — und nur Thatsachen, nicht
Wünsche und Velleitäten gelten in dem geschichtlichen Verlauf der Dinge —
daß nicht wir selbst unsre Unabhängigkeit gegen Dänemark durchzusetzen ver¬
mochten. Unsere Befreiung ist ein Werk der deutschen Nation, wenn man
will, vor allem aber, wenigstens im entscheidenden Augenblicke, eine That des
im preußischen Staat organisirten Theiles derselben. Die Gegenwart, wie sie ist,
haben wir uns nicht selber geschaffen; wir haben deshalb auch kein Recht, ein¬
seitig über die Zukunft zu verfügen." Die deutsche Nation, heißt es weiter,
könne die weitgreifenden Interessen, um die es sich hier handle, unmöglich allein
oder auch nur vorzugsweise dem politischen Verstände des Volkes der Herzog¬
thümer. d. h. der Mehrheit der jetzt lebenden Schleswig-Holsteiner zur Ent¬
scheidung anheim geben. „Die deutsche Nation (der Verfasser meint selbstver¬
ständlich auch hier nur die Mehrzahl der Denkenden) will eine Flotte, will


Grenzboten II. 136S. 8
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/65>, abgerufen am 26.06.2024.