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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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eitel. Indeß sind die unklaren und in der Form mittelmäßigen häufiger, und
das ganze Blatt leidet schwer von der Natur seiner Partei und dem daraus
hervorgehenden Bestreben, Nichtzuvcreinigendes zusammcnzulöthen, auf zwei
Achseln zu tragen und fünf gerade sein zu lassen. Wie die Partei sich keiner
Erfolge rühmen kann, so auch die Zeitung: letztere hat, wenn wir recht unter¬
richtet sind, noch keine tausend Abonnenten, obwohl sie in wenigen Wochen
ihren ersten, Geburtstag feiern wird und der Besitzer zwar mit seinen journali¬
stischen Versuchen nicht glücklich, aber ein außerordentlich rühriger und Pläne-
reicher Mann ist. Möglich wäre, das man die Bezeichnung des Blattes als
eines Organs des verschämten Partikularismus übelnähme und auf die auch
hier ? anerkannte vermittelnde Tendenz desselben und die von ihm wiederholt
kundgegebne Bereitwilligkeit, Preußen beachtenswerthe Concessionen zu machen
hinwiese. Dagegen fragen wir: wie kommt es, daß diese "Anschlußmäuner"
ihre Polemik immer nur oder doch vorwiegend gegen die Partei des engen
Anschlusses, nie oder doch sehr selten gegen die Partei richten, die gar keine"
Anschluß will? Und ist es etwa nicht Particularismus, wenn man den Willen
eines kleinen Theils der deutschen Nation für berechtigt erklärt, sich nach Be¬
lieben für oder gegen das zu entscheiden, was, wie die Herren selbst zugestehen,
das nationale Interesse fordert? Oder wäre man auf der Redaction der "Kieler
Zeitung" und unter denen, die sie gelegentlich mit Leitartikeln suvvenuoniren.
in der Ueberwindung particularistischer Velleitäten wirklich etwa schon so weit,
daß man die preußischen Forderungen in sein Programm aufgenommen hätte?
Bor drei Wochen (am 9. März) waren sie noch nicht so weit gediehen. Da
hieß es in einem 4 Spalten langen Artikel gegen die "norddeutsche Zeitung",
der stark officiös aussah, zum Schlüsse:,

"In diesem Sinne (nämlich, daß das Recht sich der nationalen Entwi¬
ckelung dienstbar machen soll) hallen wir fest an unserem Programm: eine so
enge Verbindung mit Preußen, als es gleichmäßig die nationale Bedeutung
öde preußischen Staates und unser eignes Interesse fordert; aber diese Ver¬
bindung nur in den Formen des Rechts, d. h. durch den Vertrag des Herzogs
und die gesetzliche Mitwirkung der Landesvertretung."

Sehr großmüthig sagte der Verfasser: "Wir begreisen, daß das Mißtrauen
(der Nordd. Zeit, und ihrer Partei) in einer unklaren Situation entsteht, in
der nur die eine Seite reden kann, die andere schweigen muß. Wir tragen
dem volle Rechnung." Als ob man nicht an gewisser Stelle hinreichend hätte
merken lassen, was man möchte und was nicht, und wenn man wirklich mehr
zu sagen hat, weshalb muß man denn schweigen?

Recht gut ferner bemerkte der Artikel weiter: Wenn der Herzog Forder¬
ungen Preußens zurückwiese, "um den vollen Inhalt einer prätendirten Sou-
veränetät nach den Regeln althergebrachter Theorien zu wahren, so würden


eitel. Indeß sind die unklaren und in der Form mittelmäßigen häufiger, und
das ganze Blatt leidet schwer von der Natur seiner Partei und dem daraus
hervorgehenden Bestreben, Nichtzuvcreinigendes zusammcnzulöthen, auf zwei
Achseln zu tragen und fünf gerade sein zu lassen. Wie die Partei sich keiner
Erfolge rühmen kann, so auch die Zeitung: letztere hat, wenn wir recht unter¬
richtet sind, noch keine tausend Abonnenten, obwohl sie in wenigen Wochen
ihren ersten, Geburtstag feiern wird und der Besitzer zwar mit seinen journali¬
stischen Versuchen nicht glücklich, aber ein außerordentlich rühriger und Pläne-
reicher Mann ist. Möglich wäre, das man die Bezeichnung des Blattes als
eines Organs des verschämten Partikularismus übelnähme und auf die auch
hier ? anerkannte vermittelnde Tendenz desselben und die von ihm wiederholt
kundgegebne Bereitwilligkeit, Preußen beachtenswerthe Concessionen zu machen
hinwiese. Dagegen fragen wir: wie kommt es, daß diese „Anschlußmäuner"
ihre Polemik immer nur oder doch vorwiegend gegen die Partei des engen
Anschlusses, nie oder doch sehr selten gegen die Partei richten, die gar keine»
Anschluß will? Und ist es etwa nicht Particularismus, wenn man den Willen
eines kleinen Theils der deutschen Nation für berechtigt erklärt, sich nach Be¬
lieben für oder gegen das zu entscheiden, was, wie die Herren selbst zugestehen,
das nationale Interesse fordert? Oder wäre man auf der Redaction der „Kieler
Zeitung" und unter denen, die sie gelegentlich mit Leitartikeln suvvenuoniren.
in der Ueberwindung particularistischer Velleitäten wirklich etwa schon so weit,
daß man die preußischen Forderungen in sein Programm aufgenommen hätte?
Bor drei Wochen (am 9. März) waren sie noch nicht so weit gediehen. Da
hieß es in einem 4 Spalten langen Artikel gegen die „norddeutsche Zeitung",
der stark officiös aussah, zum Schlüsse:,

„In diesem Sinne (nämlich, daß das Recht sich der nationalen Entwi¬
ckelung dienstbar machen soll) hallen wir fest an unserem Programm: eine so
enge Verbindung mit Preußen, als es gleichmäßig die nationale Bedeutung
öde preußischen Staates und unser eignes Interesse fordert; aber diese Ver¬
bindung nur in den Formen des Rechts, d. h. durch den Vertrag des Herzogs
und die gesetzliche Mitwirkung der Landesvertretung."

Sehr großmüthig sagte der Verfasser: „Wir begreisen, daß das Mißtrauen
(der Nordd. Zeit, und ihrer Partei) in einer unklaren Situation entsteht, in
der nur die eine Seite reden kann, die andere schweigen muß. Wir tragen
dem volle Rechnung." Als ob man nicht an gewisser Stelle hinreichend hätte
merken lassen, was man möchte und was nicht, und wenn man wirklich mehr
zu sagen hat, weshalb muß man denn schweigen?

Recht gut ferner bemerkte der Artikel weiter: Wenn der Herzog Forder¬
ungen Preußens zurückwiese, „um den vollen Inhalt einer prätendirten Sou-
veränetät nach den Regeln althergebrachter Theorien zu wahren, so würden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/63>, abgerufen am 26.06.2024.