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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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unsre Gesetzgebung oder Verwaltung und wäre sie noch so unbedeutend, ist,
wenn sie Preußen als europäische Großmacht, nicht als deutsche Bundesmacht
erlangt, der Anfang zur Einverleibung. Nur solche Verpflichtungen halten wir
für bindend, welche der Herzog und die Landesversammlung gutgeheißen haben.
Und nur solche Beschränkungen unsrer Unabhängigkeit dulden wir als zu Recht
bestehend, welche uns vom deutschen Bunde als im Interesse desselben dictirt
werden.

Der Ton des Blattes ist bisweilen anständig, häufig das Gegentheil.
Wer eine andere Meinung hat als die Herren May und Genossen muß -- es
geht, wie es scheint, nach dem Vorstellungsvermögen der Redaction durchaus
nicht anders -- dasür entweder schon baare Bezahlung empfangen oder ein
Honorar in Klingendem, ein Amt oder anderes der Art zu erwarten haben.
In höchst unsaubrer Weise wühlte man in der glogauer Geschichte. Und wenn
die obige Lobrede die Bekämpfung der Flensburgcrin durch die Altonaerin eine
"tapfere" nennen zu dürfen glaubte, so könnte sie damit nur recht haben. wenn
sie die Tapferkeit gemeint hätte, welche die Gemeinheit der Gasse dem
Gentleman gegenüber an den Tag legt, dem seine Natur verbietet, sich mit
ihr herumzuschlagen.

Etwas weniger particularistisch ist das oben erwähnte dänische Blatt, die in
Hadersleben erscheinende von Dr. Janssen redigirte "Nordslesvigsk Tidende",
welche an die Stelle der berüchtigten "Dannevirke" zu treten bestimmt war,
aber, wenig Eignes bringend, fast nur von übersetzten Leitartikeln deutscher
Journale lebend und überhaupt mit wenig Geschick redigirt, schwerlich viel
Einfluß auf das Volk Nordschleswigs hat und im Süden so gut wie gar
nicht gelesen wird.

Als Mundstück des verschämten Particularismus oder desjenigen Partei-
conglomerats, welches, aus den milderen und verständigeren Particularisten
und den weniger entschiedenen, weil weniger klaren Nationalgesinnten zusammenge¬
flossen, den Preußen theils mehr, theils weniger Zugeständnisse machen will, vor¬
ausgesetzt, ^daß sie das Recht des Herzogs anerkennen, sich auf Unterhand¬
lungen mit den Räthen desselben einlassen und der Landesvertretung die Be-
fugniß einräumen, diese Zugeständnisse zu debattiren, zu amendiren und zu
limitiren, ist die "Kieler Zeitung" thätig. Man hat sie für das Organ
der Umgebung des Herzogs angesehen. Doch ist dies nicht begründet, wenn
auch gelegentlich zu diesem Kreise Gehörige sich in ihr vernehmen lassen. Be¬
sitzer und Genius des Blattes ist vielmehr der Bankier Uhlemann, Doctor der
Philosophie und früher Pnvatdvcent an der kieler Universität, Redacteur ein Herr
Hinsching, vormals in gleicher Eigenschaft beim "Altonaer Mercur" beschäftigt.
Die Mitarbeiter gehören zum Theil den Kreisen der Universität an. und so
giebt es zuweilen nicht blos gutgemeinte, sondern auch wohlgeschriebene Ar-


unsre Gesetzgebung oder Verwaltung und wäre sie noch so unbedeutend, ist,
wenn sie Preußen als europäische Großmacht, nicht als deutsche Bundesmacht
erlangt, der Anfang zur Einverleibung. Nur solche Verpflichtungen halten wir
für bindend, welche der Herzog und die Landesversammlung gutgeheißen haben.
Und nur solche Beschränkungen unsrer Unabhängigkeit dulden wir als zu Recht
bestehend, welche uns vom deutschen Bunde als im Interesse desselben dictirt
werden.

Der Ton des Blattes ist bisweilen anständig, häufig das Gegentheil.
Wer eine andere Meinung hat als die Herren May und Genossen muß — es
geht, wie es scheint, nach dem Vorstellungsvermögen der Redaction durchaus
nicht anders — dasür entweder schon baare Bezahlung empfangen oder ein
Honorar in Klingendem, ein Amt oder anderes der Art zu erwarten haben.
In höchst unsaubrer Weise wühlte man in der glogauer Geschichte. Und wenn
die obige Lobrede die Bekämpfung der Flensburgcrin durch die Altonaerin eine
„tapfere" nennen zu dürfen glaubte, so könnte sie damit nur recht haben. wenn
sie die Tapferkeit gemeint hätte, welche die Gemeinheit der Gasse dem
Gentleman gegenüber an den Tag legt, dem seine Natur verbietet, sich mit
ihr herumzuschlagen.

Etwas weniger particularistisch ist das oben erwähnte dänische Blatt, die in
Hadersleben erscheinende von Dr. Janssen redigirte „Nordslesvigsk Tidende",
welche an die Stelle der berüchtigten „Dannevirke" zu treten bestimmt war,
aber, wenig Eignes bringend, fast nur von übersetzten Leitartikeln deutscher
Journale lebend und überhaupt mit wenig Geschick redigirt, schwerlich viel
Einfluß auf das Volk Nordschleswigs hat und im Süden so gut wie gar
nicht gelesen wird.

Als Mundstück des verschämten Particularismus oder desjenigen Partei-
conglomerats, welches, aus den milderen und verständigeren Particularisten
und den weniger entschiedenen, weil weniger klaren Nationalgesinnten zusammenge¬
flossen, den Preußen theils mehr, theils weniger Zugeständnisse machen will, vor¬
ausgesetzt, ^daß sie das Recht des Herzogs anerkennen, sich auf Unterhand¬
lungen mit den Räthen desselben einlassen und der Landesvertretung die Be-
fugniß einräumen, diese Zugeständnisse zu debattiren, zu amendiren und zu
limitiren, ist die „Kieler Zeitung" thätig. Man hat sie für das Organ
der Umgebung des Herzogs angesehen. Doch ist dies nicht begründet, wenn
auch gelegentlich zu diesem Kreise Gehörige sich in ihr vernehmen lassen. Be¬
sitzer und Genius des Blattes ist vielmehr der Bankier Uhlemann, Doctor der
Philosophie und früher Pnvatdvcent an der kieler Universität, Redacteur ein Herr
Hinsching, vormals in gleicher Eigenschaft beim „Altonaer Mercur" beschäftigt.
Die Mitarbeiter gehören zum Theil den Kreisen der Universität an. und so
giebt es zuweilen nicht blos gutgemeinte, sondern auch wohlgeschriebene Ar-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/62>, abgerufen am 26.06.2024.