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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Spruch Oestreichs nichts würde durchsetzen können, aber ebenso gewiß hätten
wir dann ein endloses Provisorium zu erwarten, das unter allen Aussichten
unbestimmt die schlimmste wäre. So lange die gegenwärtige Stimmung,
welche man leider beinahe preußenfeindlich nennen muß, in den Massen
herrscht, haben wir nicht die geringste Aussicht, daß unsere Landessache auf dem
Wege des Landesrechts zum Austrag gebracht wird. Diese Stimmung ist zu¬
nächst durch die Maßregeln der preußischen Politik wie durch den Ton einiger
preußischen Preßorgane hervorgerufen. Aber das ist nicht der einzige Grund.
Es hat auch ein Theil unsrer Presse, es haben verschiedene (von Kiel ausgehende)
Agitationen besonders in neuester Zeit dazu beigetragen, diese Stimmung noch
bedeutend zu steigern, die Abneigung gegen Preußen noch zu vergrößern. Man
hat nicht bedacht, in welchem Widerspruch man sich bewegt, wenn man erklärt,
der Landesversammlung die Entscheidung für den Anschluß anheimstellen zu
wollen, und dabei das Volk so bearbeitet, daß die von ihm gewählten Vertreter
gegen denselben stimmen, gerade als ob Volk und Landesversammlung nichts
miteinander gemein hätten, während diese doch ohne Zweifel so entscheiden
wird wie jenes jetzt urtheilt.

Spätere Nummern enthielten ähnliche und zum Theil noch entschiedener
gegen die Verkehrtheiten der Particularisten auftretende Artikel, und wie wir
hören, fährt das tapfere Blatt trotz aller Schwierigkeiten, die es zu bekämpfen
hat, noch jetzt damit fort. Daß es dafür von den Gegnern tüchtig mit Schmutz
beworfen, als von Preußen bestochen verschrien und in anderer niedriger Weise
verunglimpft wird, kann dem, welcher gewisse Chorführer der demokratischen
Fraction der Schleswig-holsteinischen Particularisten kennt, nicht Wunder nehmen.
Es ist dieselbe Sorte von Politikern wie die, welche eine Zeit lang den Herzog
Friedrich mit berliner Bicrschenkenspaßen verhöhnte, nur zufällig in ein anderes
Local gerathen.

Der "Altonaer Mercur", der circa 4.000 Abonnenten haben soll und
besonders von Geistlichen und Schullehrern gehalten wird, hat nur in Betreff
kirchlicher Dinge eine bestimmte Meinung, und zwar trägt er in dieser Beziehung
den schwarzen Rock und das weiße Halstuch der Rechtgläubigst. In politischen
Fragen ist er jetzt völlig farblos, heute für die rothe Annexion, morgen für
den himmelblauen, übermorgen für den hochrothen Particularismus, wie die
Zusendungen gerade einlaufen, bisweilen in einer und derselben Nummer ein
Schillern in allen Farbennuancen, am häusigsten ein Ausdruck der Ansichten
und Wünsche der Partei Scheck-Plessens, die von hier aus ihre Bomben gegen
das augustenburgische Lager zu werfen pflegt.

Die eigentlichen Parteiblättcr zerfallen in solche, die dem entschiedenen
Particularismus als Organ dienen, in solche, die für einen gewissen Anschluß
an Preußen, jedoch zugleich für das Selbstbestimmungsrecht des Schleswig-


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Spruch Oestreichs nichts würde durchsetzen können, aber ebenso gewiß hätten
wir dann ein endloses Provisorium zu erwarten, das unter allen Aussichten
unbestimmt die schlimmste wäre. So lange die gegenwärtige Stimmung,
welche man leider beinahe preußenfeindlich nennen muß, in den Massen
herrscht, haben wir nicht die geringste Aussicht, daß unsere Landessache auf dem
Wege des Landesrechts zum Austrag gebracht wird. Diese Stimmung ist zu¬
nächst durch die Maßregeln der preußischen Politik wie durch den Ton einiger
preußischen Preßorgane hervorgerufen. Aber das ist nicht der einzige Grund.
Es hat auch ein Theil unsrer Presse, es haben verschiedene (von Kiel ausgehende)
Agitationen besonders in neuester Zeit dazu beigetragen, diese Stimmung noch
bedeutend zu steigern, die Abneigung gegen Preußen noch zu vergrößern. Man
hat nicht bedacht, in welchem Widerspruch man sich bewegt, wenn man erklärt,
der Landesversammlung die Entscheidung für den Anschluß anheimstellen zu
wollen, und dabei das Volk so bearbeitet, daß die von ihm gewählten Vertreter
gegen denselben stimmen, gerade als ob Volk und Landesversammlung nichts
miteinander gemein hätten, während diese doch ohne Zweifel so entscheiden
wird wie jenes jetzt urtheilt.

Spätere Nummern enthielten ähnliche und zum Theil noch entschiedener
gegen die Verkehrtheiten der Particularisten auftretende Artikel, und wie wir
hören, fährt das tapfere Blatt trotz aller Schwierigkeiten, die es zu bekämpfen
hat, noch jetzt damit fort. Daß es dafür von den Gegnern tüchtig mit Schmutz
beworfen, als von Preußen bestochen verschrien und in anderer niedriger Weise
verunglimpft wird, kann dem, welcher gewisse Chorführer der demokratischen
Fraction der Schleswig-holsteinischen Particularisten kennt, nicht Wunder nehmen.
Es ist dieselbe Sorte von Politikern wie die, welche eine Zeit lang den Herzog
Friedrich mit berliner Bicrschenkenspaßen verhöhnte, nur zufällig in ein anderes
Local gerathen.

Der „Altonaer Mercur", der circa 4.000 Abonnenten haben soll und
besonders von Geistlichen und Schullehrern gehalten wird, hat nur in Betreff
kirchlicher Dinge eine bestimmte Meinung, und zwar trägt er in dieser Beziehung
den schwarzen Rock und das weiße Halstuch der Rechtgläubigst. In politischen
Fragen ist er jetzt völlig farblos, heute für die rothe Annexion, morgen für
den himmelblauen, übermorgen für den hochrothen Particularismus, wie die
Zusendungen gerade einlaufen, bisweilen in einer und derselben Nummer ein
Schillern in allen Farbennuancen, am häusigsten ein Ausdruck der Ansichten
und Wünsche der Partei Scheck-Plessens, die von hier aus ihre Bomben gegen
das augustenburgische Lager zu werfen pflegt.

Die eigentlichen Parteiblättcr zerfallen in solche, die dem entschiedenen
Particularismus als Organ dienen, in solche, die für einen gewissen Anschluß
an Preußen, jedoch zugleich für das Selbstbestimmungsrecht des Schleswig-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/59>, abgerufen am 26.06.2024.