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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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holsteinischen Volkes und Anerkennung des Herzogs vor allen Zugeständnissen
an Preußen kämpfen, und die wir deshalb als Wortführer des verschämten
Particularismus aufzufassen haben, endlich in solche, deren Redacteure und
Mitarbeiter den engen Anschluß an Preußen vor allem und in der Weise be¬
tonen, daß sie das Selbstbestimmungsrecht der Herzogtümer abweisen, das
Erbrecht des Herzogs erst in zweite Linie stellen und. wenn sie nur die Wahl
zwischen der absoluten Selbständigkeit Schleswig-Holsteins und der Einver¬
leibung in Preußen hätten, sich ohne Bedenken für die letztere entscheiden
würden.

Der entschiedene Particularismus wird von der in Altona erscheinenden
"Schleswig-Holsteinischen Zeitung" vertreten. Redacteur ist ein Herr
May, Preuße mosaischer Konfession, seit einigen Jahren in Holstein angesiedelt.
Hauptmitarbeiter der Advocat Jessen in Altona, welchem sich in der letzten
Zeit ein besonders eifriger Korrespondent in Hannover, von dem wir für jetzt
nur bemerken wollen, daß er die Seele des nunmehr entschlafenen "Wochen¬
blattes des deutschen Refvrmvereins" war. ein ebenfalls recht schreibseliger
Herr v. Neergaard-Oevelgönne und ein gewisser ziemlich hochstehender und eigent¬
lich nicht ganz in diese Gesellschaft gehörender kieler Journalist zur Bekämpfung
Preußens und seiner Freunde angeschlossen haben. Abonnenten soll das Blatt
3,000, nach Anderen 4,000 haben; Wohlunterrichtete wollen wissen, daß die
erstere Zahl die richtigere sei.

Den Charakter der "Schleswig-Holsteinischen Zeitung" lassen wir uns zu
nächst von jenem hannöverschen Mitarbeiter bezeichnen. Derselbe gab ihr Ende
October vorigen Jahres im Wochenblatt des Refvrmvereins folgendes Lob:
"Die Sckleswig-Holsteinische Zeitung darf unzweifelhaft mehr wie irgend eine
andere Zeitung des Landes den Ruhm in Anspruch nehmen, daß sie stets das
deutsche Princip höher gehalten hat als das preußische. Sie ist es auch ge¬
wesen, die fast allein sich nicht gescheut hat, ganze Leitartikel aus großdeutschen
Blättern, ja aus den als ultramontan verschrieenen "Kölnischen Blätter" ohne
Randglossen zum Abdruck zu bringen. Sie hat am tapfersten gegen die Flens-
burgerin gekämpft und sehr viel gethan, damit die Arbeit der gutgesinnten
unter den deutschen Mittelstaaten, sowie die des deutschen Volkes und der
deutschen Wissenschaft nicht vergessen werde."

Dieses Lob ist wohlverdient. Das Blatt, von particularistischen Demo¬
kraten gegründet, später auch von Legitimisten mit Beiträgen unterstützt, hat in
der That niemals für Preußen, oft dagegen für Oestreich und zu allen Zeiten
für das Recht, die Großthaten und die Bedeutung des deutschen Bundes ge¬
schwärmt. Preußen herabzusetzen, das jetzt dort herrschende Regiment noch schwärzer
zu malen, als es ist, war stets seine Lieblingsbeschäftigung und wurde beinahe mit
derselben Virtuosität betrieben, mit welcher die "Neue Frankfurter Zeitung"


holsteinischen Volkes und Anerkennung des Herzogs vor allen Zugeständnissen
an Preußen kämpfen, und die wir deshalb als Wortführer des verschämten
Particularismus aufzufassen haben, endlich in solche, deren Redacteure und
Mitarbeiter den engen Anschluß an Preußen vor allem und in der Weise be¬
tonen, daß sie das Selbstbestimmungsrecht der Herzogtümer abweisen, das
Erbrecht des Herzogs erst in zweite Linie stellen und. wenn sie nur die Wahl
zwischen der absoluten Selbständigkeit Schleswig-Holsteins und der Einver¬
leibung in Preußen hätten, sich ohne Bedenken für die letztere entscheiden
würden.

Der entschiedene Particularismus wird von der in Altona erscheinenden
„Schleswig-Holsteinischen Zeitung" vertreten. Redacteur ist ein Herr
May, Preuße mosaischer Konfession, seit einigen Jahren in Holstein angesiedelt.
Hauptmitarbeiter der Advocat Jessen in Altona, welchem sich in der letzten
Zeit ein besonders eifriger Korrespondent in Hannover, von dem wir für jetzt
nur bemerken wollen, daß er die Seele des nunmehr entschlafenen „Wochen¬
blattes des deutschen Refvrmvereins" war. ein ebenfalls recht schreibseliger
Herr v. Neergaard-Oevelgönne und ein gewisser ziemlich hochstehender und eigent¬
lich nicht ganz in diese Gesellschaft gehörender kieler Journalist zur Bekämpfung
Preußens und seiner Freunde angeschlossen haben. Abonnenten soll das Blatt
3,000, nach Anderen 4,000 haben; Wohlunterrichtete wollen wissen, daß die
erstere Zahl die richtigere sei.

Den Charakter der „Schleswig-Holsteinischen Zeitung" lassen wir uns zu
nächst von jenem hannöverschen Mitarbeiter bezeichnen. Derselbe gab ihr Ende
October vorigen Jahres im Wochenblatt des Refvrmvereins folgendes Lob:
„Die Sckleswig-Holsteinische Zeitung darf unzweifelhaft mehr wie irgend eine
andere Zeitung des Landes den Ruhm in Anspruch nehmen, daß sie stets das
deutsche Princip höher gehalten hat als das preußische. Sie ist es auch ge¬
wesen, die fast allein sich nicht gescheut hat, ganze Leitartikel aus großdeutschen
Blättern, ja aus den als ultramontan verschrieenen „Kölnischen Blätter" ohne
Randglossen zum Abdruck zu bringen. Sie hat am tapfersten gegen die Flens-
burgerin gekämpft und sehr viel gethan, damit die Arbeit der gutgesinnten
unter den deutschen Mittelstaaten, sowie die des deutschen Volkes und der
deutschen Wissenschaft nicht vergessen werde."

Dieses Lob ist wohlverdient. Das Blatt, von particularistischen Demo¬
kraten gegründet, später auch von Legitimisten mit Beiträgen unterstützt, hat in
der That niemals für Preußen, oft dagegen für Oestreich und zu allen Zeiten
für das Recht, die Großthaten und die Bedeutung des deutschen Bundes ge¬
schwärmt. Preußen herabzusetzen, das jetzt dort herrschende Regiment noch schwärzer
zu malen, als es ist, war stets seine Lieblingsbeschäftigung und wurde beinahe mit
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/60>, abgerufen am 26.06.2024.