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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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"Glauben etwa diejenigen, welche für einen Anschluß der Herzogtümer
an Deutschland Plaidiren, damit der Frage über den Anschluß an Preußen
auszuweichen? Wahrlich, zu solchem Wahn gehört eine unübertroffne Kurzsichtig¬
keit. Dazu gehört der Köhlerglaube, daß Preußen harmlos genug sei, sich
mit solchen Redensarten abfertigen zu lassen. Freilich, es giebt Leute, welche
meinen, damit einen ganz klaren und präcisen Gedanken ausgesprochen zu baben.
Wir aber sind überzeugt, wenn alle diejenigen, welche jetzt den Anschluß an
Deutschland betonen, sich über die Bedeutung dieser Worte erklären sollten, so
würde sich herausstellen, daß dieses Motto ein Wort für alles sei. Einige
würden darunter das altbekannte nordschleswigsche: "öl vit hupe spät öl er"
verstehe", Andere die Reichsverfassung mit dem Schützenkönig Ernst, Andere
Personalunion mit Dänemark, wieder Andre Oestreich mit dem Fürstentag, noch
Andrem "nur nicht preußisch werden". Man kann wohl mit Recht von den¬
jenigen, welche der Anschluß an Deutschland zusammenführt, sagen: diese wissen
nicht, was sie wollen, ober sie wagen nicht zu sagen, was sie wollen."

"Wenn Manche sich damit trösten, daß wenigstens die liberalen Elemente
Preußens sich mit einem solchen Anschluß an Deutschland genügen lassen und
doch nicht so unmenschlich sein würden, zu verlangen, daß die Herzogtümer
sich ohne Vorbehalt für eine Unterordnung unter Preußen erklären sollen, so
ist dieser Trost gewiß sehr kindlich. Jeder Preuße empfindet es ganz klar, daß
der Anschluß an Preußen eine Wirklichkeit, der Anschluß an Deutschland leere
Redensart ist, und daß Preußen ein Recht hat. zu fordern, daß man sich ihm
rückhaltslos unterordnet. Deutschland ist in politischer Beziehung zur Zeit noch
ein Chaos, und an ein solches lehnt man sich nicht an. Ein Staat ferner,
welchem seine Unterthanen im Interesse Deutschlands große Opfer gebracht
haben, wird sich nicht mit einigen sympathischen Phrasen zufriedenstellen und
seine berechtigten Forderungen von der Entscheidung eines Factors abhängen
lassen, für dessen Existenz die maßgebenden Normen noch nicht festgestellt sind."

"So lange man allerdings meint, ein Anschluß an Preußen sei unthun-
lich, weil dort eine dreijährige Dienstzeit existirt, ist freilich ein näheres Ein¬
gehen auf die Frage nicht nöthig; denn so lange man so oder ähnlich raison--
rire, wird der Anschluß an Preußen offenbar nur aufgefaßt als Gefälligkeit
unsrerseits, auf die wir nur einzugehen nöthig hätten, wenn man auch uns
große Zugeständnisse machte, namentlich das eine Zugeständnis,, daß der Staat
Preußen nach unserem Geschmack regiert werde. Die Sache liegt aber so, daß
der Anschluß an Preußen, selbst wenn er uns Opfer auferlegt, im Interesse
deutscher Entwickelung nothwendig ist."

Und ebenso im Interesse Schleswigs-Holsieins, sagt ein anderer Artikel des
Blattes. "Bergessen wir nicht, daß es sich vorzugsweise darum handelt, Preußen
zu gewinnen. Es mag richtig sein, daß Preußen gegen den entschiedenen Wider-


„Glauben etwa diejenigen, welche für einen Anschluß der Herzogtümer
an Deutschland Plaidiren, damit der Frage über den Anschluß an Preußen
auszuweichen? Wahrlich, zu solchem Wahn gehört eine unübertroffne Kurzsichtig¬
keit. Dazu gehört der Köhlerglaube, daß Preußen harmlos genug sei, sich
mit solchen Redensarten abfertigen zu lassen. Freilich, es giebt Leute, welche
meinen, damit einen ganz klaren und präcisen Gedanken ausgesprochen zu baben.
Wir aber sind überzeugt, wenn alle diejenigen, welche jetzt den Anschluß an
Deutschland betonen, sich über die Bedeutung dieser Worte erklären sollten, so
würde sich herausstellen, daß dieses Motto ein Wort für alles sei. Einige
würden darunter das altbekannte nordschleswigsche: „öl vit hupe spät öl er"
verstehe», Andere die Reichsverfassung mit dem Schützenkönig Ernst, Andere
Personalunion mit Dänemark, wieder Andre Oestreich mit dem Fürstentag, noch
Andrem „nur nicht preußisch werden". Man kann wohl mit Recht von den¬
jenigen, welche der Anschluß an Deutschland zusammenführt, sagen: diese wissen
nicht, was sie wollen, ober sie wagen nicht zu sagen, was sie wollen."

„Wenn Manche sich damit trösten, daß wenigstens die liberalen Elemente
Preußens sich mit einem solchen Anschluß an Deutschland genügen lassen und
doch nicht so unmenschlich sein würden, zu verlangen, daß die Herzogtümer
sich ohne Vorbehalt für eine Unterordnung unter Preußen erklären sollen, so
ist dieser Trost gewiß sehr kindlich. Jeder Preuße empfindet es ganz klar, daß
der Anschluß an Preußen eine Wirklichkeit, der Anschluß an Deutschland leere
Redensart ist, und daß Preußen ein Recht hat. zu fordern, daß man sich ihm
rückhaltslos unterordnet. Deutschland ist in politischer Beziehung zur Zeit noch
ein Chaos, und an ein solches lehnt man sich nicht an. Ein Staat ferner,
welchem seine Unterthanen im Interesse Deutschlands große Opfer gebracht
haben, wird sich nicht mit einigen sympathischen Phrasen zufriedenstellen und
seine berechtigten Forderungen von der Entscheidung eines Factors abhängen
lassen, für dessen Existenz die maßgebenden Normen noch nicht festgestellt sind."

„So lange man allerdings meint, ein Anschluß an Preußen sei unthun-
lich, weil dort eine dreijährige Dienstzeit existirt, ist freilich ein näheres Ein¬
gehen auf die Frage nicht nöthig; denn so lange man so oder ähnlich raison--
rire, wird der Anschluß an Preußen offenbar nur aufgefaßt als Gefälligkeit
unsrerseits, auf die wir nur einzugehen nöthig hätten, wenn man auch uns
große Zugeständnisse machte, namentlich das eine Zugeständnis,, daß der Staat
Preußen nach unserem Geschmack regiert werde. Die Sache liegt aber so, daß
der Anschluß an Preußen, selbst wenn er uns Opfer auferlegt, im Interesse
deutscher Entwickelung nothwendig ist."

Und ebenso im Interesse Schleswigs-Holsieins, sagt ein anderer Artikel des
Blattes. „Bergessen wir nicht, daß es sich vorzugsweise darum handelt, Preußen
zu gewinnen. Es mag richtig sein, daß Preußen gegen den entschiedenen Wider-


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[0058] „Glauben etwa diejenigen, welche für einen Anschluß der Herzogtümer an Deutschland Plaidiren, damit der Frage über den Anschluß an Preußen auszuweichen? Wahrlich, zu solchem Wahn gehört eine unübertroffne Kurzsichtig¬ keit. Dazu gehört der Köhlerglaube, daß Preußen harmlos genug sei, sich mit solchen Redensarten abfertigen zu lassen. Freilich, es giebt Leute, welche meinen, damit einen ganz klaren und präcisen Gedanken ausgesprochen zu baben. Wir aber sind überzeugt, wenn alle diejenigen, welche jetzt den Anschluß an Deutschland betonen, sich über die Bedeutung dieser Worte erklären sollten, so würde sich herausstellen, daß dieses Motto ein Wort für alles sei. Einige würden darunter das altbekannte nordschleswigsche: „öl vit hupe spät öl er" verstehe», Andere die Reichsverfassung mit dem Schützenkönig Ernst, Andere Personalunion mit Dänemark, wieder Andre Oestreich mit dem Fürstentag, noch Andrem „nur nicht preußisch werden". Man kann wohl mit Recht von den¬ jenigen, welche der Anschluß an Deutschland zusammenführt, sagen: diese wissen nicht, was sie wollen, ober sie wagen nicht zu sagen, was sie wollen." „Wenn Manche sich damit trösten, daß wenigstens die liberalen Elemente Preußens sich mit einem solchen Anschluß an Deutschland genügen lassen und doch nicht so unmenschlich sein würden, zu verlangen, daß die Herzogtümer sich ohne Vorbehalt für eine Unterordnung unter Preußen erklären sollen, so ist dieser Trost gewiß sehr kindlich. Jeder Preuße empfindet es ganz klar, daß der Anschluß an Preußen eine Wirklichkeit, der Anschluß an Deutschland leere Redensart ist, und daß Preußen ein Recht hat. zu fordern, daß man sich ihm rückhaltslos unterordnet. Deutschland ist in politischer Beziehung zur Zeit noch ein Chaos, und an ein solches lehnt man sich nicht an. Ein Staat ferner, welchem seine Unterthanen im Interesse Deutschlands große Opfer gebracht haben, wird sich nicht mit einigen sympathischen Phrasen zufriedenstellen und seine berechtigten Forderungen von der Entscheidung eines Factors abhängen lassen, für dessen Existenz die maßgebenden Normen noch nicht festgestellt sind." „So lange man allerdings meint, ein Anschluß an Preußen sei unthun- lich, weil dort eine dreijährige Dienstzeit existirt, ist freilich ein näheres Ein¬ gehen auf die Frage nicht nöthig; denn so lange man so oder ähnlich raison-- rire, wird der Anschluß an Preußen offenbar nur aufgefaßt als Gefälligkeit unsrerseits, auf die wir nur einzugehen nöthig hätten, wenn man auch uns große Zugeständnisse machte, namentlich das eine Zugeständnis,, daß der Staat Preußen nach unserem Geschmack regiert werde. Die Sache liegt aber so, daß der Anschluß an Preußen, selbst wenn er uns Opfer auferlegt, im Interesse deutscher Entwickelung nothwendig ist." Und ebenso im Interesse Schleswigs-Holsieins, sagt ein anderer Artikel des Blattes. „Bergessen wir nicht, daß es sich vorzugsweise darum handelt, Preußen zu gewinnen. Es mag richtig sein, daß Preußen gegen den entschiedenen Wider-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/58>, abgerufen am 12.12.2024.