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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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nicht vermöglichen Classen des englischen Volks Gelegenheit darbietet, Gymnasial¬
oder Realschulbildung zu erlangen, ja im glücklichen Fall die Universität zu
beziehen. Es ist dies das 1SS2 von Eduard dem Sechsten gestiftete "Christs
Hospital" -- ein Alumnat, welches jetzt über fünfzigtausend Pfund jährliche
Einkünfte hat und gegen 1S00 Knaben völlig kostenfrei erzieht. Bei der ge¬
nannten Schülerzahl ist eine mit der Anstalt verbundene Vorschule in Hereford
eingerechnet, welche Knaben von 7 bis 10 Jahren, wenn sie lesen können,
ausnimmt, sie in den Elementarfächern und den Anfängen der lateinischen
Sprache unterrichtet und die besseren mit 12 bis 14 Jahren der Hauptanstalt
zu weiterer Ausbildung zusendet. Hier gliedert, sich der Unterricht nach drei
Hauptrichtungen, sodaß eine classische, eine mathematische und eine gewerblich-
commerzielle Abtheilung zu unterscheiden ist, je nach dem Vorherrschen entweder
der alten Sprachen oder der Mathematik und des Zeichnens oder endlich der
neuern Sprachen. Die meisten Schüler werden für einen industriellen Beruf
vorbereitet. Von den Schülern der mathematischen Abtheilung widmen sich
viele dem Seedienst, und wenn diese später das dafür bestimmte Examen be¬
stehen , empfangen sie eine Ausstattung. Nur die Elite der Schüler wird zu
den eigentlichen Gymnasialstudien zugelassen und für den Abgang zur Universität
ausgebildet, wo 16 Freistellen für sie bestehen. Christs Hospital steht unter
dem Patronat der Krone und einem Kuratorium, welches zunächst aus den
Gemeindebehörden der londoner City gebildet ist, dem sich aber jeder anschließen
kann, der eine Einzahlung von 600 Pfund leistet. Solcher beitragender Mit¬
glieder, von denen jedes das Recht hat, je nach vier Jahren einen Knaben zur
Aufnahme vorzuschlagen, giebt es jetzt gegen fünfhundert. Auch an dieser An¬
stalt sind die Einrichtungen zum Theil noch recht alterthümlich, namentlich
tragen die Knaben noch heute die zur Zeit der Stiftung eingeführte Kleidung,
gelbe Strümpfe, blauen Leibrock mit Metallknöpfen und rothen Gürtel, nach
welcher sie im Volksmunde "blue eoats" genannt werden.

In Schottland übernehmen gewöhnlich die Universitäten zugleich die Auf¬
gabe der Gymnasien. Wo dort eine besondere Gelehrtenschule besteht, führt
sie den Namen "HiA LeKool" oder "^eaäein?". Die beiden besten dieser
Anstalten befinden sich in Edinburg. Die dortige High-School stammt aus der
Zeit vor der Reformation, hat jetzt einen Deutschen zum Rector und zählt
etwa 400 Schüler. Die dortige Academy wurde 1824 auf Actien gegründet^
hat etwa die gleiche Schülerzahl wie die High-School und enthält neben der
classischen Abtheilung eine Realabtheilung. Diesen Instituten am nächsten stehen,
auch in Betreff der Frequenz, die High-School in Glasgow und die Academy
in Perth. Uebrigens aber wird in Schottland fast an jeder städtischen, ja so¬
gar an mancher Dorfschule Latein getrieben.


nicht vermöglichen Classen des englischen Volks Gelegenheit darbietet, Gymnasial¬
oder Realschulbildung zu erlangen, ja im glücklichen Fall die Universität zu
beziehen. Es ist dies das 1SS2 von Eduard dem Sechsten gestiftete „Christs
Hospital" — ein Alumnat, welches jetzt über fünfzigtausend Pfund jährliche
Einkünfte hat und gegen 1S00 Knaben völlig kostenfrei erzieht. Bei der ge¬
nannten Schülerzahl ist eine mit der Anstalt verbundene Vorschule in Hereford
eingerechnet, welche Knaben von 7 bis 10 Jahren, wenn sie lesen können,
ausnimmt, sie in den Elementarfächern und den Anfängen der lateinischen
Sprache unterrichtet und die besseren mit 12 bis 14 Jahren der Hauptanstalt
zu weiterer Ausbildung zusendet. Hier gliedert, sich der Unterricht nach drei
Hauptrichtungen, sodaß eine classische, eine mathematische und eine gewerblich-
commerzielle Abtheilung zu unterscheiden ist, je nach dem Vorherrschen entweder
der alten Sprachen oder der Mathematik und des Zeichnens oder endlich der
neuern Sprachen. Die meisten Schüler werden für einen industriellen Beruf
vorbereitet. Von den Schülern der mathematischen Abtheilung widmen sich
viele dem Seedienst, und wenn diese später das dafür bestimmte Examen be¬
stehen , empfangen sie eine Ausstattung. Nur die Elite der Schüler wird zu
den eigentlichen Gymnasialstudien zugelassen und für den Abgang zur Universität
ausgebildet, wo 16 Freistellen für sie bestehen. Christs Hospital steht unter
dem Patronat der Krone und einem Kuratorium, welches zunächst aus den
Gemeindebehörden der londoner City gebildet ist, dem sich aber jeder anschließen
kann, der eine Einzahlung von 600 Pfund leistet. Solcher beitragender Mit¬
glieder, von denen jedes das Recht hat, je nach vier Jahren einen Knaben zur
Aufnahme vorzuschlagen, giebt es jetzt gegen fünfhundert. Auch an dieser An¬
stalt sind die Einrichtungen zum Theil noch recht alterthümlich, namentlich
tragen die Knaben noch heute die zur Zeit der Stiftung eingeführte Kleidung,
gelbe Strümpfe, blauen Leibrock mit Metallknöpfen und rothen Gürtel, nach
welcher sie im Volksmunde „blue eoats" genannt werden.

In Schottland übernehmen gewöhnlich die Universitäten zugleich die Auf¬
gabe der Gymnasien. Wo dort eine besondere Gelehrtenschule besteht, führt
sie den Namen „HiA LeKool" oder „^eaäein?". Die beiden besten dieser
Anstalten befinden sich in Edinburg. Die dortige High-School stammt aus der
Zeit vor der Reformation, hat jetzt einen Deutschen zum Rector und zählt
etwa 400 Schüler. Die dortige Academy wurde 1824 auf Actien gegründet^
hat etwa die gleiche Schülerzahl wie die High-School und enthält neben der
classischen Abtheilung eine Realabtheilung. Diesen Instituten am nächsten stehen,
auch in Betreff der Frequenz, die High-School in Glasgow und die Academy
in Perth. Uebrigens aber wird in Schottland fast an jeder städtischen, ja so¬
gar an mancher Dorfschule Latein getrieben.


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[0544] nicht vermöglichen Classen des englischen Volks Gelegenheit darbietet, Gymnasial¬ oder Realschulbildung zu erlangen, ja im glücklichen Fall die Universität zu beziehen. Es ist dies das 1SS2 von Eduard dem Sechsten gestiftete „Christs Hospital" — ein Alumnat, welches jetzt über fünfzigtausend Pfund jährliche Einkünfte hat und gegen 1S00 Knaben völlig kostenfrei erzieht. Bei der ge¬ nannten Schülerzahl ist eine mit der Anstalt verbundene Vorschule in Hereford eingerechnet, welche Knaben von 7 bis 10 Jahren, wenn sie lesen können, ausnimmt, sie in den Elementarfächern und den Anfängen der lateinischen Sprache unterrichtet und die besseren mit 12 bis 14 Jahren der Hauptanstalt zu weiterer Ausbildung zusendet. Hier gliedert, sich der Unterricht nach drei Hauptrichtungen, sodaß eine classische, eine mathematische und eine gewerblich- commerzielle Abtheilung zu unterscheiden ist, je nach dem Vorherrschen entweder der alten Sprachen oder der Mathematik und des Zeichnens oder endlich der neuern Sprachen. Die meisten Schüler werden für einen industriellen Beruf vorbereitet. Von den Schülern der mathematischen Abtheilung widmen sich viele dem Seedienst, und wenn diese später das dafür bestimmte Examen be¬ stehen , empfangen sie eine Ausstattung. Nur die Elite der Schüler wird zu den eigentlichen Gymnasialstudien zugelassen und für den Abgang zur Universität ausgebildet, wo 16 Freistellen für sie bestehen. Christs Hospital steht unter dem Patronat der Krone und einem Kuratorium, welches zunächst aus den Gemeindebehörden der londoner City gebildet ist, dem sich aber jeder anschließen kann, der eine Einzahlung von 600 Pfund leistet. Solcher beitragender Mit¬ glieder, von denen jedes das Recht hat, je nach vier Jahren einen Knaben zur Aufnahme vorzuschlagen, giebt es jetzt gegen fünfhundert. Auch an dieser An¬ stalt sind die Einrichtungen zum Theil noch recht alterthümlich, namentlich tragen die Knaben noch heute die zur Zeit der Stiftung eingeführte Kleidung, gelbe Strümpfe, blauen Leibrock mit Metallknöpfen und rothen Gürtel, nach welcher sie im Volksmunde „blue eoats" genannt werden. In Schottland übernehmen gewöhnlich die Universitäten zugleich die Auf¬ gabe der Gymnasien. Wo dort eine besondere Gelehrtenschule besteht, führt sie den Namen „HiA LeKool" oder „^eaäein?". Die beiden besten dieser Anstalten befinden sich in Edinburg. Die dortige High-School stammt aus der Zeit vor der Reformation, hat jetzt einen Deutschen zum Rector und zählt etwa 400 Schüler. Die dortige Academy wurde 1824 auf Actien gegründet^ hat etwa die gleiche Schülerzahl wie die High-School und enthält neben der classischen Abtheilung eine Realabtheilung. Diesen Instituten am nächsten stehen, auch in Betreff der Frequenz, die High-School in Glasgow und die Academy in Perth. Uebrigens aber wird in Schottland fast an jeder städtischen, ja so¬ gar an mancher Dorfschule Latein getrieben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/544>, abgerufen am 29.06.2024.