Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Die älteste Grammar-School ist das im Jahr 1387 gegründete Winchester
College. Ebenfalls aus alter Zeit stammt die Rugby School in der Nähe von
Coventry, die sich unter ihrem 1842 gestorbenen Rector Arnold, einem auch
in Deutschland bekannten tüchtigen Schulmanne, einen ehrenvollen Ruf erworben
hat. Andere angesehene alte Gymnasien sind Harrow School bei London,
dann Se. Pauls School und Westminster School. beide in der Hauptstadt
selbst.

Fast alle alten Gymnasien Englands haben Alumnate und bedeutendes
Vermögen , welches sich davon herschreibt, daß die ursprünglichen Schenkungen
meist in Grundstücken bestanden, deren Werth sich im Laufe der Zeit verviel¬
fältigte. Die Mehrzahl derselben bewahrt in ihren Einrichtungen und Bräuchen,
der Tracht der Schüler, selbst in der Lehrmethode zum Theil das Herkommen
früherer Jahrhunderte. Die Prügelstrafe (SoMriA) kommt in allen bei be¬
stimmten Vergehen in Anwendung, kann aber an den großen Anstalten dieser
Gattung nur vom Rector im Amtskleide vollstreckt werden und gilt nicht für
beschimpfend. In Eton tritt blos in der obersten Classe, bei achtzehnjährigen
Jünglingen, statt der Auspeitschung RückVersetzung in eine niedrigere Classe
ein, wo dann mit dem Degradirten bei neuen Vergehen keine Ausnahme von
der reßula daeuli gemacht wird. In Rugby wurde unter Arnold nur die
Lüge, in England das Schimpflichste Laster, mit Prügeln gestraft. Die Disciplin
ist durchweg stramm und auf Gewöhnung an strengen Gehorsam gegen die
Schulgesetze gerichtet; indeß fühlen die Schüler sich dadurch nicht gedrückt, da
man sie in Dingen, die nicht unter die Vorschrift fallen, wenig oder nicht be¬
engt. Den älteren Gymnasiasten ist. wie früher und theilweise noch jetzt auf
den sächsischen Fürstenschulen, eine gewisse Autorität über die jüngeren einge¬
räumt. Jeder Schüler der obern Classen hat einen "tag'" (wörtlich Plackholz,
dann etwa unser "Fuchs") aus einer unteren Classe, den er, allerdings unter
Controle des Tutors, maßregeln und zu allerlei Dienstleistungen anhalten kann,
den er aber auch gegen Angriffe andrer Schüler zu schützen pflegt -- ein Pen¬
nalismus, der in Meißen und Grimma noch bis vor wenigen Jahren ebenfalls
in vergnüglichster Blüthe stand.

Bei Preisvertheilungen werden den Schülern nicht blos laute Beifallsbe¬
zeugungen gegen Kameraden und Lehrer gestattet, sondern man sieht ihnen auch Kund¬
gebungen des Mißfallens nach, wenn etwa eine Auszeichnung von ihnen nicht
für verdient betrachtet wird. Außer ernsten Feierlichkeiten haben die Anstalten
auch heitere Feste, Auszüge, Wettspiele, dramatische Aufführungen, bei denen
die Schüler die Unternehmer sind und die Lehrer sich nur anschließen. Die
innere Ausstattung der geräumigen, äußerlich meist sehr stattlichen Schulgebäude
ist höchst einfach. Man ehrt und schont die alterthümlichen Haus- und Schul-
geräthe, namentlich die Wandvertäfelungen, in welche abgehende Schüler ihre


Die älteste Grammar-School ist das im Jahr 1387 gegründete Winchester
College. Ebenfalls aus alter Zeit stammt die Rugby School in der Nähe von
Coventry, die sich unter ihrem 1842 gestorbenen Rector Arnold, einem auch
in Deutschland bekannten tüchtigen Schulmanne, einen ehrenvollen Ruf erworben
hat. Andere angesehene alte Gymnasien sind Harrow School bei London,
dann Se. Pauls School und Westminster School. beide in der Hauptstadt
selbst.

Fast alle alten Gymnasien Englands haben Alumnate und bedeutendes
Vermögen , welches sich davon herschreibt, daß die ursprünglichen Schenkungen
meist in Grundstücken bestanden, deren Werth sich im Laufe der Zeit verviel¬
fältigte. Die Mehrzahl derselben bewahrt in ihren Einrichtungen und Bräuchen,
der Tracht der Schüler, selbst in der Lehrmethode zum Theil das Herkommen
früherer Jahrhunderte. Die Prügelstrafe (SoMriA) kommt in allen bei be¬
stimmten Vergehen in Anwendung, kann aber an den großen Anstalten dieser
Gattung nur vom Rector im Amtskleide vollstreckt werden und gilt nicht für
beschimpfend. In Eton tritt blos in der obersten Classe, bei achtzehnjährigen
Jünglingen, statt der Auspeitschung RückVersetzung in eine niedrigere Classe
ein, wo dann mit dem Degradirten bei neuen Vergehen keine Ausnahme von
der reßula daeuli gemacht wird. In Rugby wurde unter Arnold nur die
Lüge, in England das Schimpflichste Laster, mit Prügeln gestraft. Die Disciplin
ist durchweg stramm und auf Gewöhnung an strengen Gehorsam gegen die
Schulgesetze gerichtet; indeß fühlen die Schüler sich dadurch nicht gedrückt, da
man sie in Dingen, die nicht unter die Vorschrift fallen, wenig oder nicht be¬
engt. Den älteren Gymnasiasten ist. wie früher und theilweise noch jetzt auf
den sächsischen Fürstenschulen, eine gewisse Autorität über die jüngeren einge¬
räumt. Jeder Schüler der obern Classen hat einen „tag'" (wörtlich Plackholz,
dann etwa unser „Fuchs") aus einer unteren Classe, den er, allerdings unter
Controle des Tutors, maßregeln und zu allerlei Dienstleistungen anhalten kann,
den er aber auch gegen Angriffe andrer Schüler zu schützen pflegt — ein Pen¬
nalismus, der in Meißen und Grimma noch bis vor wenigen Jahren ebenfalls
in vergnüglichster Blüthe stand.

Bei Preisvertheilungen werden den Schülern nicht blos laute Beifallsbe¬
zeugungen gegen Kameraden und Lehrer gestattet, sondern man sieht ihnen auch Kund¬
gebungen des Mißfallens nach, wenn etwa eine Auszeichnung von ihnen nicht
für verdient betrachtet wird. Außer ernsten Feierlichkeiten haben die Anstalten
auch heitere Feste, Auszüge, Wettspiele, dramatische Aufführungen, bei denen
die Schüler die Unternehmer sind und die Lehrer sich nur anschließen. Die
innere Ausstattung der geräumigen, äußerlich meist sehr stattlichen Schulgebäude
ist höchst einfach. Man ehrt und schont die alterthümlichen Haus- und Schul-
geräthe, namentlich die Wandvertäfelungen, in welche abgehende Schüler ihre


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0542" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283339"/>
          <p xml:id="ID_1713"> Die älteste Grammar-School ist das im Jahr 1387 gegründete Winchester<lb/>
College. Ebenfalls aus alter Zeit stammt die Rugby School in der Nähe von<lb/>
Coventry, die sich unter ihrem 1842 gestorbenen Rector Arnold, einem auch<lb/>
in Deutschland bekannten tüchtigen Schulmanne, einen ehrenvollen Ruf erworben<lb/>
hat. Andere angesehene alte Gymnasien sind Harrow School bei London,<lb/>
dann Se. Pauls School und Westminster School. beide in der Hauptstadt<lb/>
selbst.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1714"> Fast alle alten Gymnasien Englands haben Alumnate und bedeutendes<lb/>
Vermögen , welches sich davon herschreibt, daß die ursprünglichen Schenkungen<lb/>
meist in Grundstücken bestanden, deren Werth sich im Laufe der Zeit verviel¬<lb/>
fältigte. Die Mehrzahl derselben bewahrt in ihren Einrichtungen und Bräuchen,<lb/>
der Tracht der Schüler, selbst in der Lehrmethode zum Theil das Herkommen<lb/>
früherer Jahrhunderte. Die Prügelstrafe (SoMriA) kommt in allen bei be¬<lb/>
stimmten Vergehen in Anwendung, kann aber an den großen Anstalten dieser<lb/>
Gattung nur vom Rector im Amtskleide vollstreckt werden und gilt nicht für<lb/>
beschimpfend. In Eton tritt blos in der obersten Classe, bei achtzehnjährigen<lb/>
Jünglingen, statt der Auspeitschung RückVersetzung in eine niedrigere Classe<lb/>
ein, wo dann mit dem Degradirten bei neuen Vergehen keine Ausnahme von<lb/>
der reßula daeuli gemacht wird. In Rugby wurde unter Arnold nur die<lb/>
Lüge, in England das Schimpflichste Laster, mit Prügeln gestraft. Die Disciplin<lb/>
ist durchweg stramm und auf Gewöhnung an strengen Gehorsam gegen die<lb/>
Schulgesetze gerichtet; indeß fühlen die Schüler sich dadurch nicht gedrückt, da<lb/>
man sie in Dingen, die nicht unter die Vorschrift fallen, wenig oder nicht be¬<lb/>
engt. Den älteren Gymnasiasten ist. wie früher und theilweise noch jetzt auf<lb/>
den sächsischen Fürstenschulen, eine gewisse Autorität über die jüngeren einge¬<lb/>
räumt. Jeder Schüler der obern Classen hat einen &#x201E;tag'" (wörtlich Plackholz,<lb/>
dann etwa unser &#x201E;Fuchs") aus einer unteren Classe, den er, allerdings unter<lb/>
Controle des Tutors, maßregeln und zu allerlei Dienstleistungen anhalten kann,<lb/>
den er aber auch gegen Angriffe andrer Schüler zu schützen pflegt &#x2014; ein Pen¬<lb/>
nalismus, der in Meißen und Grimma noch bis vor wenigen Jahren ebenfalls<lb/>
in vergnüglichster Blüthe stand.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1715" next="#ID_1716"> Bei Preisvertheilungen werden den Schülern nicht blos laute Beifallsbe¬<lb/>
zeugungen gegen Kameraden und Lehrer gestattet, sondern man sieht ihnen auch Kund¬<lb/>
gebungen des Mißfallens nach, wenn etwa eine Auszeichnung von ihnen nicht<lb/>
für verdient betrachtet wird. Außer ernsten Feierlichkeiten haben die Anstalten<lb/>
auch heitere Feste, Auszüge, Wettspiele, dramatische Aufführungen, bei denen<lb/>
die Schüler die Unternehmer sind und die Lehrer sich nur anschließen. Die<lb/>
innere Ausstattung der geräumigen, äußerlich meist sehr stattlichen Schulgebäude<lb/>
ist höchst einfach. Man ehrt und schont die alterthümlichen Haus- und Schul-<lb/>
geräthe, namentlich die Wandvertäfelungen, in welche abgehende Schüler ihre</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0542] Die älteste Grammar-School ist das im Jahr 1387 gegründete Winchester College. Ebenfalls aus alter Zeit stammt die Rugby School in der Nähe von Coventry, die sich unter ihrem 1842 gestorbenen Rector Arnold, einem auch in Deutschland bekannten tüchtigen Schulmanne, einen ehrenvollen Ruf erworben hat. Andere angesehene alte Gymnasien sind Harrow School bei London, dann Se. Pauls School und Westminster School. beide in der Hauptstadt selbst. Fast alle alten Gymnasien Englands haben Alumnate und bedeutendes Vermögen , welches sich davon herschreibt, daß die ursprünglichen Schenkungen meist in Grundstücken bestanden, deren Werth sich im Laufe der Zeit verviel¬ fältigte. Die Mehrzahl derselben bewahrt in ihren Einrichtungen und Bräuchen, der Tracht der Schüler, selbst in der Lehrmethode zum Theil das Herkommen früherer Jahrhunderte. Die Prügelstrafe (SoMriA) kommt in allen bei be¬ stimmten Vergehen in Anwendung, kann aber an den großen Anstalten dieser Gattung nur vom Rector im Amtskleide vollstreckt werden und gilt nicht für beschimpfend. In Eton tritt blos in der obersten Classe, bei achtzehnjährigen Jünglingen, statt der Auspeitschung RückVersetzung in eine niedrigere Classe ein, wo dann mit dem Degradirten bei neuen Vergehen keine Ausnahme von der reßula daeuli gemacht wird. In Rugby wurde unter Arnold nur die Lüge, in England das Schimpflichste Laster, mit Prügeln gestraft. Die Disciplin ist durchweg stramm und auf Gewöhnung an strengen Gehorsam gegen die Schulgesetze gerichtet; indeß fühlen die Schüler sich dadurch nicht gedrückt, da man sie in Dingen, die nicht unter die Vorschrift fallen, wenig oder nicht be¬ engt. Den älteren Gymnasiasten ist. wie früher und theilweise noch jetzt auf den sächsischen Fürstenschulen, eine gewisse Autorität über die jüngeren einge¬ räumt. Jeder Schüler der obern Classen hat einen „tag'" (wörtlich Plackholz, dann etwa unser „Fuchs") aus einer unteren Classe, den er, allerdings unter Controle des Tutors, maßregeln und zu allerlei Dienstleistungen anhalten kann, den er aber auch gegen Angriffe andrer Schüler zu schützen pflegt — ein Pen¬ nalismus, der in Meißen und Grimma noch bis vor wenigen Jahren ebenfalls in vergnüglichster Blüthe stand. Bei Preisvertheilungen werden den Schülern nicht blos laute Beifallsbe¬ zeugungen gegen Kameraden und Lehrer gestattet, sondern man sieht ihnen auch Kund¬ gebungen des Mißfallens nach, wenn etwa eine Auszeichnung von ihnen nicht für verdient betrachtet wird. Außer ernsten Feierlichkeiten haben die Anstalten auch heitere Feste, Auszüge, Wettspiele, dramatische Aufführungen, bei denen die Schüler die Unternehmer sind und die Lehrer sich nur anschließen. Die innere Ausstattung der geräumigen, äußerlich meist sehr stattlichen Schulgebäude ist höchst einfach. Man ehrt und schont die alterthümlichen Haus- und Schul- geräthe, namentlich die Wandvertäfelungen, in welche abgehende Schüler ihre

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/542
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/542>, abgerufen am 28.09.2024.