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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Erst 1836 erlangte die London University das Recht, eine Prüfungs¬
commission zur Ertheilung akademischer Grade zu bilden, und von da an blieb
jener Name "uf diese Körperschaft beschränkt, während die Hochschule selbst
die Benennung "London University College" erhielt. Jene Körperschaft prüft
auch für Kings College; da jedoch University College die Theologie ausschließt,
so kann London University keine theologischen Baccalaureate und Doctorate
ertheilen, und wenn Studenten von Kings College später nach solchen Titeln
Verlangen tragen, müssen sie sich nach Oxford oder Cambridge wenden.

Lehranstalten, welche sich "(Zolle^es" nennen und sich einer Hochschule
nach englischem Begriff auch mehr oder weniger nähern, ohne jedoch mit einer
"University- in Beziehung zu stehen oder von einer solchen anerkannt zu sein,
giebt es in den drei Königreichen noch mehre. Ja man hal. wie in Amerika,
sogar .Mle^es lor I.aäiöL", Damenhochschulen, von denen einige, z. B.
Queens College in Londo." und die gleichnamige Anstalt in Glasgow einen
sehr ausgedehnten Lehrplan mit Latein, Griechisch, Mathematik und Philosophie
aufweisen.

Unsern Gymnasien entsprechen in England die sogenannten "ttmmmar-
Leliools". dach nur die älteren; denn die in neuester Zeit entstandenen gleichen,
indem sie außer den alten Sprachen auch neuere, sowie Mathematik und Natur-
Wissenschaften in größerer Ausdehnung lehren, als unsere Gelehrtenschulen,
mehr unsern Realschulen. Eine englische Vrammar-LeKool heißt "öffentlich"
(xudlie), wenn sie auf einem bestimmten Statut beruht und durch einen Ver¬
waltungsrath (truLtevs) überwacht wird. Alle andern Institute dieser Art --
und diese bilden die Mehrzahl -- sind reine Privatunteinehmungen einzelner
Pädagogen, welchr niemandem Rechenschaft abzulegen haben. Diese Privat¬
gymnasien, welche sich oft den hochtönenden Namen von Akademien beilegen,
bieten die mannigfaltigsten Stufen in ihren Leistungen dar, und neben sehr acht¬
baren Anstalten finden sich auch solche, die auf Speculantenschwindel hinauslaufen.

Die Grenze zwischen der Universität und der auf sie vorbereitenden Schule
ist. wie schon angedeutet, in England nicht so streng gezogen, wie in Deutsch,
land, und zwar weder in Betreff des Lehrstoffs, noch hinsichtlich des Alters
der Schüler. Während englische Universitäten junge Leute mit sechzehn Jahren
zulassen, bleiben an den großen Grammar-schools die Schüler häufig bis in
ihr zwanzigstes Jahr.

Das höchste Ansehen unter den alten englischen Gymnasien genießt da"
1440 von Heinrich dem Sechsten gestiftete Etoncollege bei Windsor, welches
von den Söhnen der ersten Adelsfamilien besucht wird und gewöhnlich über
siebenhundert Schüler hat. Convict ist diese großartige Anstalt nur für 70 Frei¬
schüler. Den außerhalb wohnenden Zöglingen sind Tutoren aus den Lehrern
gesetzt. Alle Schüler haben besondere Tracht.


Erst 1836 erlangte die London University das Recht, eine Prüfungs¬
commission zur Ertheilung akademischer Grade zu bilden, und von da an blieb
jener Name «uf diese Körperschaft beschränkt, während die Hochschule selbst
die Benennung „London University College" erhielt. Jene Körperschaft prüft
auch für Kings College; da jedoch University College die Theologie ausschließt,
so kann London University keine theologischen Baccalaureate und Doctorate
ertheilen, und wenn Studenten von Kings College später nach solchen Titeln
Verlangen tragen, müssen sie sich nach Oxford oder Cambridge wenden.

Lehranstalten, welche sich „(Zolle^es" nennen und sich einer Hochschule
nach englischem Begriff auch mehr oder weniger nähern, ohne jedoch mit einer
„University- in Beziehung zu stehen oder von einer solchen anerkannt zu sein,
giebt es in den drei Königreichen noch mehre. Ja man hal. wie in Amerika,
sogar .Mle^es lor I.aäiöL", Damenhochschulen, von denen einige, z. B.
Queens College in Londo.« und die gleichnamige Anstalt in Glasgow einen
sehr ausgedehnten Lehrplan mit Latein, Griechisch, Mathematik und Philosophie
aufweisen.

Unsern Gymnasien entsprechen in England die sogenannten „ttmmmar-
Leliools". dach nur die älteren; denn die in neuester Zeit entstandenen gleichen,
indem sie außer den alten Sprachen auch neuere, sowie Mathematik und Natur-
Wissenschaften in größerer Ausdehnung lehren, als unsere Gelehrtenschulen,
mehr unsern Realschulen. Eine englische Vrammar-LeKool heißt „öffentlich"
(xudlie), wenn sie auf einem bestimmten Statut beruht und durch einen Ver¬
waltungsrath (truLtevs) überwacht wird. Alle andern Institute dieser Art —
und diese bilden die Mehrzahl — sind reine Privatunteinehmungen einzelner
Pädagogen, welchr niemandem Rechenschaft abzulegen haben. Diese Privat¬
gymnasien, welche sich oft den hochtönenden Namen von Akademien beilegen,
bieten die mannigfaltigsten Stufen in ihren Leistungen dar, und neben sehr acht¬
baren Anstalten finden sich auch solche, die auf Speculantenschwindel hinauslaufen.

Die Grenze zwischen der Universität und der auf sie vorbereitenden Schule
ist. wie schon angedeutet, in England nicht so streng gezogen, wie in Deutsch,
land, und zwar weder in Betreff des Lehrstoffs, noch hinsichtlich des Alters
der Schüler. Während englische Universitäten junge Leute mit sechzehn Jahren
zulassen, bleiben an den großen Grammar-schools die Schüler häufig bis in
ihr zwanzigstes Jahr.

Das höchste Ansehen unter den alten englischen Gymnasien genießt da»
1440 von Heinrich dem Sechsten gestiftete Etoncollege bei Windsor, welches
von den Söhnen der ersten Adelsfamilien besucht wird und gewöhnlich über
siebenhundert Schüler hat. Convict ist diese großartige Anstalt nur für 70 Frei¬
schüler. Den außerhalb wohnenden Zöglingen sind Tutoren aus den Lehrern
gesetzt. Alle Schüler haben besondere Tracht.


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[0541] Erst 1836 erlangte die London University das Recht, eine Prüfungs¬ commission zur Ertheilung akademischer Grade zu bilden, und von da an blieb jener Name «uf diese Körperschaft beschränkt, während die Hochschule selbst die Benennung „London University College" erhielt. Jene Körperschaft prüft auch für Kings College; da jedoch University College die Theologie ausschließt, so kann London University keine theologischen Baccalaureate und Doctorate ertheilen, und wenn Studenten von Kings College später nach solchen Titeln Verlangen tragen, müssen sie sich nach Oxford oder Cambridge wenden. Lehranstalten, welche sich „(Zolle^es" nennen und sich einer Hochschule nach englischem Begriff auch mehr oder weniger nähern, ohne jedoch mit einer „University- in Beziehung zu stehen oder von einer solchen anerkannt zu sein, giebt es in den drei Königreichen noch mehre. Ja man hal. wie in Amerika, sogar .Mle^es lor I.aäiöL", Damenhochschulen, von denen einige, z. B. Queens College in Londo.« und die gleichnamige Anstalt in Glasgow einen sehr ausgedehnten Lehrplan mit Latein, Griechisch, Mathematik und Philosophie aufweisen. Unsern Gymnasien entsprechen in England die sogenannten „ttmmmar- Leliools". dach nur die älteren; denn die in neuester Zeit entstandenen gleichen, indem sie außer den alten Sprachen auch neuere, sowie Mathematik und Natur- Wissenschaften in größerer Ausdehnung lehren, als unsere Gelehrtenschulen, mehr unsern Realschulen. Eine englische Vrammar-LeKool heißt „öffentlich" (xudlie), wenn sie auf einem bestimmten Statut beruht und durch einen Ver¬ waltungsrath (truLtevs) überwacht wird. Alle andern Institute dieser Art — und diese bilden die Mehrzahl — sind reine Privatunteinehmungen einzelner Pädagogen, welchr niemandem Rechenschaft abzulegen haben. Diese Privat¬ gymnasien, welche sich oft den hochtönenden Namen von Akademien beilegen, bieten die mannigfaltigsten Stufen in ihren Leistungen dar, und neben sehr acht¬ baren Anstalten finden sich auch solche, die auf Speculantenschwindel hinauslaufen. Die Grenze zwischen der Universität und der auf sie vorbereitenden Schule ist. wie schon angedeutet, in England nicht so streng gezogen, wie in Deutsch, land, und zwar weder in Betreff des Lehrstoffs, noch hinsichtlich des Alters der Schüler. Während englische Universitäten junge Leute mit sechzehn Jahren zulassen, bleiben an den großen Grammar-schools die Schüler häufig bis in ihr zwanzigstes Jahr. Das höchste Ansehen unter den alten englischen Gymnasien genießt da» 1440 von Heinrich dem Sechsten gestiftete Etoncollege bei Windsor, welches von den Söhnen der ersten Adelsfamilien besucht wird und gewöhnlich über siebenhundert Schüler hat. Convict ist diese großartige Anstalt nur für 70 Frei¬ schüler. Den außerhalb wohnenden Zöglingen sind Tutoren aus den Lehrern gesetzt. Alle Schüler haben besondere Tracht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/541>, abgerufen am 29.06.2024.