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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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der Art besitzt (Oxford und Cambridge habe" zusammen über 700 Pfarreien zu
vergeben) behilflich sein kann. Andere Fellows rücken zu Mitgliedern der
University auf.

In Cambridge sind die Einrichtungen denen von Oxford im Wesentlichen
ähnlich. Es giebt hier siebzehn Colleges, von denen das älteste im Jahre 1257
gegründet wurde, und nicht weniger als 430 Fellowships. Auch an der alten
(protestantischen) Universität in Dublin verhält sichs ähnlich, nur in kleinerem
Maßstab; denn dieselbe hat nur ein großes College. Die schottischen Hoch¬
schulen, die beiläufig junge Leute von dem Alter unsrer Quartaner und sehr
geringen Vorkenntnissen zulassen und wegen ihrer nur mäßigen Leistungen in
Mißcredit stehen (nur Edinburg hat Ruf als gute Schule für Mediciner) und die
drei neuen englischen schreiben keine Tutoren vor und lassen die Studenten wohnen,
wo sie wollen. Damit fällt auch das Privatlehrersystem weg; der Unterricht
wird an diesen Anstalten von den Professoren wie bei uns in öffentlichen Vor¬
trägen ertheilt.

Die Gründung der londoner Universität wurde durch die confessionelle
Ausschließlichkeit der beiden englischen Universitäten veranlaßt. Oxford und
Cambridge waren früher nur Mitgliedern der orthodoxen Hochkirche zugänglich.
Jeder Katholik nicht blos, sondern auch jeder Dissenter war für sie rechtlos, und
Dissenter ist jeder, der sich nicht vollständig zu den neununddreißig Artikeln
der anglikanischen Kirche bekennt. Erst 1854 wurde jener Bann gebrochen/)
indem ein Parlamentsbeschluß die beiden Hochschulen zwang, Dissenters zu den
Studien und Prüfungen zuzulassen. Inzwischen hatte 1824 eine von Lord
Brougham geleitete Bewegung begonnen, die das Ziel vor Augen hatte, eine
jedem religiösen Bekenntnisse offenstehende große Hochschule zu schaffen. Die¬
selbe machte rasche Fortschritte, nach zwei Jahren waren bereits 160,000 Pfund
Se. gezeichnet, und 1828 konnte "I^onctoll University" eröffnet werden.

Eifrige Hochkirchler, welche sich durch die Anstrengungen der Dissenters
beunruhigt fühlten, und die es namentlich verdroß, daß gerade die Hauptstadt
des Reichs eine Ketzern zugängliche Hochschule erhalten sollte, waren gleichzeitig
bemüht gewesen, wenigstens für ein Gegengewicht zu sorgen. Besonders die
Geistlichkeit that, was sie konnte, und so gelang es. die nöthigen Mittel auf¬
zubringen, um in London eine zweite, aber aus die Staatskirche sich stützende
und theologische Vorlesungen in sich aufnehmende Hochschule ins Leben zu rufen.
Diese wurde ebenfalls 1828 eröffnet und erhielt, nachdem der König der Bitte
um Annahme des Patronats entsprochen, den Namen "Kings College".



') In Sachsen braucht man sich hierüber nicht zu echaussiren-, denn hier wird noch heut"
kein Reformirler Professor an der Landesuniversität, gleichviel ob sein Fach mit der Theologie
W Beziehung steht oder nicht. D. Red.

der Art besitzt (Oxford und Cambridge habe» zusammen über 700 Pfarreien zu
vergeben) behilflich sein kann. Andere Fellows rücken zu Mitgliedern der
University auf.

In Cambridge sind die Einrichtungen denen von Oxford im Wesentlichen
ähnlich. Es giebt hier siebzehn Colleges, von denen das älteste im Jahre 1257
gegründet wurde, und nicht weniger als 430 Fellowships. Auch an der alten
(protestantischen) Universität in Dublin verhält sichs ähnlich, nur in kleinerem
Maßstab; denn dieselbe hat nur ein großes College. Die schottischen Hoch¬
schulen, die beiläufig junge Leute von dem Alter unsrer Quartaner und sehr
geringen Vorkenntnissen zulassen und wegen ihrer nur mäßigen Leistungen in
Mißcredit stehen (nur Edinburg hat Ruf als gute Schule für Mediciner) und die
drei neuen englischen schreiben keine Tutoren vor und lassen die Studenten wohnen,
wo sie wollen. Damit fällt auch das Privatlehrersystem weg; der Unterricht
wird an diesen Anstalten von den Professoren wie bei uns in öffentlichen Vor¬
trägen ertheilt.

Die Gründung der londoner Universität wurde durch die confessionelle
Ausschließlichkeit der beiden englischen Universitäten veranlaßt. Oxford und
Cambridge waren früher nur Mitgliedern der orthodoxen Hochkirche zugänglich.
Jeder Katholik nicht blos, sondern auch jeder Dissenter war für sie rechtlos, und
Dissenter ist jeder, der sich nicht vollständig zu den neununddreißig Artikeln
der anglikanischen Kirche bekennt. Erst 1854 wurde jener Bann gebrochen/)
indem ein Parlamentsbeschluß die beiden Hochschulen zwang, Dissenters zu den
Studien und Prüfungen zuzulassen. Inzwischen hatte 1824 eine von Lord
Brougham geleitete Bewegung begonnen, die das Ziel vor Augen hatte, eine
jedem religiösen Bekenntnisse offenstehende große Hochschule zu schaffen. Die¬
selbe machte rasche Fortschritte, nach zwei Jahren waren bereits 160,000 Pfund
Se. gezeichnet, und 1828 konnte „I^onctoll University" eröffnet werden.

Eifrige Hochkirchler, welche sich durch die Anstrengungen der Dissenters
beunruhigt fühlten, und die es namentlich verdroß, daß gerade die Hauptstadt
des Reichs eine Ketzern zugängliche Hochschule erhalten sollte, waren gleichzeitig
bemüht gewesen, wenigstens für ein Gegengewicht zu sorgen. Besonders die
Geistlichkeit that, was sie konnte, und so gelang es. die nöthigen Mittel auf¬
zubringen, um in London eine zweite, aber aus die Staatskirche sich stützende
und theologische Vorlesungen in sich aufnehmende Hochschule ins Leben zu rufen.
Diese wurde ebenfalls 1828 eröffnet und erhielt, nachdem der König der Bitte
um Annahme des Patronats entsprochen, den Namen „Kings College".



') In Sachsen braucht man sich hierüber nicht zu echaussiren-, denn hier wird noch heut«
kein Reformirler Professor an der Landesuniversität, gleichviel ob sein Fach mit der Theologie
W Beziehung steht oder nicht. D. Red.
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[0540] der Art besitzt (Oxford und Cambridge habe» zusammen über 700 Pfarreien zu vergeben) behilflich sein kann. Andere Fellows rücken zu Mitgliedern der University auf. In Cambridge sind die Einrichtungen denen von Oxford im Wesentlichen ähnlich. Es giebt hier siebzehn Colleges, von denen das älteste im Jahre 1257 gegründet wurde, und nicht weniger als 430 Fellowships. Auch an der alten (protestantischen) Universität in Dublin verhält sichs ähnlich, nur in kleinerem Maßstab; denn dieselbe hat nur ein großes College. Die schottischen Hoch¬ schulen, die beiläufig junge Leute von dem Alter unsrer Quartaner und sehr geringen Vorkenntnissen zulassen und wegen ihrer nur mäßigen Leistungen in Mißcredit stehen (nur Edinburg hat Ruf als gute Schule für Mediciner) und die drei neuen englischen schreiben keine Tutoren vor und lassen die Studenten wohnen, wo sie wollen. Damit fällt auch das Privatlehrersystem weg; der Unterricht wird an diesen Anstalten von den Professoren wie bei uns in öffentlichen Vor¬ trägen ertheilt. Die Gründung der londoner Universität wurde durch die confessionelle Ausschließlichkeit der beiden englischen Universitäten veranlaßt. Oxford und Cambridge waren früher nur Mitgliedern der orthodoxen Hochkirche zugänglich. Jeder Katholik nicht blos, sondern auch jeder Dissenter war für sie rechtlos, und Dissenter ist jeder, der sich nicht vollständig zu den neununddreißig Artikeln der anglikanischen Kirche bekennt. Erst 1854 wurde jener Bann gebrochen/) indem ein Parlamentsbeschluß die beiden Hochschulen zwang, Dissenters zu den Studien und Prüfungen zuzulassen. Inzwischen hatte 1824 eine von Lord Brougham geleitete Bewegung begonnen, die das Ziel vor Augen hatte, eine jedem religiösen Bekenntnisse offenstehende große Hochschule zu schaffen. Die¬ selbe machte rasche Fortschritte, nach zwei Jahren waren bereits 160,000 Pfund Se. gezeichnet, und 1828 konnte „I^onctoll University" eröffnet werden. Eifrige Hochkirchler, welche sich durch die Anstrengungen der Dissenters beunruhigt fühlten, und die es namentlich verdroß, daß gerade die Hauptstadt des Reichs eine Ketzern zugängliche Hochschule erhalten sollte, waren gleichzeitig bemüht gewesen, wenigstens für ein Gegengewicht zu sorgen. Besonders die Geistlichkeit that, was sie konnte, und so gelang es. die nöthigen Mittel auf¬ zubringen, um in London eine zweite, aber aus die Staatskirche sich stützende und theologische Vorlesungen in sich aufnehmende Hochschule ins Leben zu rufen. Diese wurde ebenfalls 1828 eröffnet und erhielt, nachdem der König der Bitte um Annahme des Patronats entsprochen, den Namen „Kings College". ') In Sachsen braucht man sich hierüber nicht zu echaussiren-, denn hier wird noch heut« kein Reformirler Professor an der Landesuniversität, gleichviel ob sein Fach mit der Theologie W Beziehung steht oder nicht. D. Red.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/540>, abgerufen am 28.09.2024.