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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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die eine bestimmte Kleidung, wenigstens eine vorgeschriebne Mütze, den Irsnener
seiner schirmlosen Ulanenmützc ähnlich) tragen. Manche derselben beziehen
Stipendien, viele erhalten wenigstens Wohnung und Essen unentgeltlich. Von
einem Studentenleben wie an den deutschen Universitäten ist nicht die Rede.
Nur wenn in den Gebäuden der Colleges kein Raum mehr ist, darf der
Studirende eine Privatwohnung nehmen, dann aber immer nur in besonders
dazu bestimmten Häusern der Stadt. Wie es sonst in den Colleges zugeht,
beschreibt Thackeray im "Arthur Pendennis" ausführlich. Ursprünglich sollten
die. Colleges keine Lehranstalten sein, sondern bloße Alumnate oder Complete.
Die Vorlesungen waren in den Localitäten der University und zwar von den
Mitgliedern derselben zu ertheilen. Jetzt kommen öffentliche Vorträge durch die
hierfür besoldeten Professoren selten mehr vor, der Unterricht wird vielmehr
an jedem einzelnen College von verschiedenen Lehrern, die aus der Zahl der
Fellows genommen sind, auf ihren Zimmern ertheilt. Jeder neu ankommende
Student wird einem Fellow zugewiesen, welcher als "Hofmeister" (tutor) das
Verhalten desselben zu überwachen, dessen Studien zu regeln und dessen ge-
sammte Angelegenheiten zu ordnen und zu verwalten hat. Dieser Hofmeister
nimmt bisweilen den Unterricht seines Pflegebefohlenen und dessen Ablichtung
für das Bochelor-Examen allein in die Hand, bisweilen überträgt er einen
Theil dieser Aufgabe auf einen andern Fellow, häufig auch tritt er die ganze
Unterweisung des betreffenden jungen Mannes an einen oder mehre Collegen
ab und besorgt nur die Ueberwachung des Studiums und des gesammten Thuns
und Treibens seines Zöglings.

Der Tutor beschäftigt sich mit den ihm zugetheilten Musensöhnen in ge¬
meinschaftlichen Lehrstunden, von denen jedoch nur wenige auf den Tag kommen,
regt zu Privatarbeiten an, ertheilt Rath für die Benutzung von Büchern, giebt
auch gelegentlich Aufsätze auf, die er dann durchgeht. War ein Student, welcher
das Examen für den B. A.-Greld machen soll, nicht fleißig, so muß ihm im
letzten Jahre ein "Privatlehrer" (private tutor), wieder aus dem Kreise der
Fellows, Hilfe bringen, eine Thätigkeit, die. der unsrer "Einpauker" gleich,
mit dem technischen Ausdruck "Org-awing" (Stopfen z. B. von Geflügel oder
Würsten) bezeichnet wird und sehr häufig in Anwendung kommt.

Eine Verpflichtung, sich als Tutor verwenden zu lassen, erwächst dem
Fellow aus seiner Pfründe nicht. Wenn er aber mehre Studenten annimmt
und nicht blos als Beaufsichtiger. sondern auch als Lehrer derselben thätig ist,
so erzielt er damit ein beträchtliches Einkommen, und so bleibt mancher zeit¬
lebens am College. Da indeß die Fellows mit Ausnahme des jedesmaligen
aus ihrer Mitte gewählten Vorstandes des Colleges nicht heirathen dürfen, so
treten die meisten nach einigen Jahren in eine Pfarre oder ein Schulrectorat
über, wozu die Universität selbst, welche das Patronat über zahlreiche Stellen


die eine bestimmte Kleidung, wenigstens eine vorgeschriebne Mütze, den Irsnener
seiner schirmlosen Ulanenmützc ähnlich) tragen. Manche derselben beziehen
Stipendien, viele erhalten wenigstens Wohnung und Essen unentgeltlich. Von
einem Studentenleben wie an den deutschen Universitäten ist nicht die Rede.
Nur wenn in den Gebäuden der Colleges kein Raum mehr ist, darf der
Studirende eine Privatwohnung nehmen, dann aber immer nur in besonders
dazu bestimmten Häusern der Stadt. Wie es sonst in den Colleges zugeht,
beschreibt Thackeray im „Arthur Pendennis" ausführlich. Ursprünglich sollten
die. Colleges keine Lehranstalten sein, sondern bloße Alumnate oder Complete.
Die Vorlesungen waren in den Localitäten der University und zwar von den
Mitgliedern derselben zu ertheilen. Jetzt kommen öffentliche Vorträge durch die
hierfür besoldeten Professoren selten mehr vor, der Unterricht wird vielmehr
an jedem einzelnen College von verschiedenen Lehrern, die aus der Zahl der
Fellows genommen sind, auf ihren Zimmern ertheilt. Jeder neu ankommende
Student wird einem Fellow zugewiesen, welcher als „Hofmeister" (tutor) das
Verhalten desselben zu überwachen, dessen Studien zu regeln und dessen ge-
sammte Angelegenheiten zu ordnen und zu verwalten hat. Dieser Hofmeister
nimmt bisweilen den Unterricht seines Pflegebefohlenen und dessen Ablichtung
für das Bochelor-Examen allein in die Hand, bisweilen überträgt er einen
Theil dieser Aufgabe auf einen andern Fellow, häufig auch tritt er die ganze
Unterweisung des betreffenden jungen Mannes an einen oder mehre Collegen
ab und besorgt nur die Ueberwachung des Studiums und des gesammten Thuns
und Treibens seines Zöglings.

Der Tutor beschäftigt sich mit den ihm zugetheilten Musensöhnen in ge¬
meinschaftlichen Lehrstunden, von denen jedoch nur wenige auf den Tag kommen,
regt zu Privatarbeiten an, ertheilt Rath für die Benutzung von Büchern, giebt
auch gelegentlich Aufsätze auf, die er dann durchgeht. War ein Student, welcher
das Examen für den B. A.-Greld machen soll, nicht fleißig, so muß ihm im
letzten Jahre ein „Privatlehrer" (private tutor), wieder aus dem Kreise der
Fellows, Hilfe bringen, eine Thätigkeit, die. der unsrer „Einpauker" gleich,
mit dem technischen Ausdruck „Org-awing" (Stopfen z. B. von Geflügel oder
Würsten) bezeichnet wird und sehr häufig in Anwendung kommt.

Eine Verpflichtung, sich als Tutor verwenden zu lassen, erwächst dem
Fellow aus seiner Pfründe nicht. Wenn er aber mehre Studenten annimmt
und nicht blos als Beaufsichtiger. sondern auch als Lehrer derselben thätig ist,
so erzielt er damit ein beträchtliches Einkommen, und so bleibt mancher zeit¬
lebens am College. Da indeß die Fellows mit Ausnahme des jedesmaligen
aus ihrer Mitte gewählten Vorstandes des Colleges nicht heirathen dürfen, so
treten die meisten nach einigen Jahren in eine Pfarre oder ein Schulrectorat
über, wozu die Universität selbst, welche das Patronat über zahlreiche Stellen


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[0539] die eine bestimmte Kleidung, wenigstens eine vorgeschriebne Mütze, den Irsnener seiner schirmlosen Ulanenmützc ähnlich) tragen. Manche derselben beziehen Stipendien, viele erhalten wenigstens Wohnung und Essen unentgeltlich. Von einem Studentenleben wie an den deutschen Universitäten ist nicht die Rede. Nur wenn in den Gebäuden der Colleges kein Raum mehr ist, darf der Studirende eine Privatwohnung nehmen, dann aber immer nur in besonders dazu bestimmten Häusern der Stadt. Wie es sonst in den Colleges zugeht, beschreibt Thackeray im „Arthur Pendennis" ausführlich. Ursprünglich sollten die. Colleges keine Lehranstalten sein, sondern bloße Alumnate oder Complete. Die Vorlesungen waren in den Localitäten der University und zwar von den Mitgliedern derselben zu ertheilen. Jetzt kommen öffentliche Vorträge durch die hierfür besoldeten Professoren selten mehr vor, der Unterricht wird vielmehr an jedem einzelnen College von verschiedenen Lehrern, die aus der Zahl der Fellows genommen sind, auf ihren Zimmern ertheilt. Jeder neu ankommende Student wird einem Fellow zugewiesen, welcher als „Hofmeister" (tutor) das Verhalten desselben zu überwachen, dessen Studien zu regeln und dessen ge- sammte Angelegenheiten zu ordnen und zu verwalten hat. Dieser Hofmeister nimmt bisweilen den Unterricht seines Pflegebefohlenen und dessen Ablichtung für das Bochelor-Examen allein in die Hand, bisweilen überträgt er einen Theil dieser Aufgabe auf einen andern Fellow, häufig auch tritt er die ganze Unterweisung des betreffenden jungen Mannes an einen oder mehre Collegen ab und besorgt nur die Ueberwachung des Studiums und des gesammten Thuns und Treibens seines Zöglings. Der Tutor beschäftigt sich mit den ihm zugetheilten Musensöhnen in ge¬ meinschaftlichen Lehrstunden, von denen jedoch nur wenige auf den Tag kommen, regt zu Privatarbeiten an, ertheilt Rath für die Benutzung von Büchern, giebt auch gelegentlich Aufsätze auf, die er dann durchgeht. War ein Student, welcher das Examen für den B. A.-Greld machen soll, nicht fleißig, so muß ihm im letzten Jahre ein „Privatlehrer" (private tutor), wieder aus dem Kreise der Fellows, Hilfe bringen, eine Thätigkeit, die. der unsrer „Einpauker" gleich, mit dem technischen Ausdruck „Org-awing" (Stopfen z. B. von Geflügel oder Würsten) bezeichnet wird und sehr häufig in Anwendung kommt. Eine Verpflichtung, sich als Tutor verwenden zu lassen, erwächst dem Fellow aus seiner Pfründe nicht. Wenn er aber mehre Studenten annimmt und nicht blos als Beaufsichtiger. sondern auch als Lehrer derselben thätig ist, so erzielt er damit ein beträchtliches Einkommen, und so bleibt mancher zeit¬ lebens am College. Da indeß die Fellows mit Ausnahme des jedesmaligen aus ihrer Mitte gewählten Vorstandes des Colleges nicht heirathen dürfen, so treten die meisten nach einigen Jahren in eine Pfarre oder ein Schulrectorat über, wozu die Universität selbst, welche das Patronat über zahlreiche Stellen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/539>, abgerufen am 29.06.2024.