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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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dentender wissenschaftlicher Befähigung aber wird dabei viel weniger gefragt,
als nach der Gebühr, die zwanzig bis fünfzig Pfd. Se. betragt. Die juristischen
Grade sind ohne tiefere Kenntniß des Rechts zu haben, woraus sich erklärt,
daß nicht selten Geistliche Doctoren der Rechte sind.

Verlangt man an den Universitäten für die höhern akademischen Würden
nicht gerade den Nachweis fortgesetzter Beschäftigung mit der betreffenden Wissen¬
schaft, so findet er. wo er beigebracht wird, doch Anerkennung. Und dasselbe
ist der Fall bei den Prüfungen, welche die Bischöfe mit jungen Theologen vor
der Ordination abhalten. Gewöhnlich geht ein solches Examen, durch welches
man sich den Titel "Keverenä" (Ehrwürden) erwirbt, nicht viel über das
Bachelor-Examen hinaus, es gereicht dem Candidaten aber zur Empfehlung,
wenn er den Beweis liefern kann, eingehendere theologische Studien gemacht
zu haben, und das geschieht jetzt am einfachsten durch Vorlegung eines Zeug¬
nisses, daß er sich dem seit einiger Zeit bei den Universitäten Oxford und
Cambridge eingeführten "freiwilligen Examen in der Theologie" unterworfen,
welches einige Zeit nach dem für das Baccalaureat bestanden werden kann,
wenn die dafür vorgeschriebnen (beiläufig ziemlich oberflächlichen) Vorlesungen
besucht sind. Unter der höheren Geistlichkeit Englands hat es niemals an
Männern gemangelt, welche eine gründlichere theologische Bildung achteten, und
der Wunsch, hierzu Gelegenheit zu schaffen, hat hauptsächlich die Gründung der
Hochschule in Durham veranlaßt. Dorthin wendet man sich jetzt vorzugsweise,
wenn man ausgedehntere theologische Studien zu machen beabsichtigt.

Betrachten wir die englischen Universitäten einzeln, so hat Oxford die
früheste Blüthe aufzuweisen und zugleich den größten Besitz. Man schätzt den
jährlichen Ertrag aus dem Vermögen dieser Universität auf 160,000 Pfd. Se.
oder mehr als eine Million Thaler. Sie zählt nicht weniger als vierundzwanzig
zu verschiedenen Zeiten, von 12Si> bis 1714 entstandene, besonders dotirte
Colleges, von denen jedes sein eignes Gebäude, seinen besondern Vorstand und
sein specielles Lehrercollegium hat. Was alle zusammenhält, ist lediglich die
gemeinsame University, die wieder ihr besonderes Gebäude besitzt. Mit Aus¬
nahme der fünf kleinsten, die "Halts" genannt werden, verfügt jedes College
über eine Anzahl Pfründen für solche junge Männer, die nach überstandnen
Baccalaureatsexamen hier noch längere Zeit den Studien obliegen wollen. Wer
in eine solche Pfründe (die in 100 und 400 Pfd. Se. jährlich und freier
Station besteht) eingesetzt ist, heißt ,FsI!on" (College, Genosse). Im Ganzen
bestehen in Oxford S40 solche Pfründnerstellen, englisch I^IIonsdips, von denen
ein Theil nur an Söhne bestimmter Familien oder Kandidaten gewisser Graf¬
schaften vergeben werden darf, während die übrigen durch ein Examen erlangt
werden.

Außer den Fellows wohnen und speisen in den Colleges auch die Studenten,


dentender wissenschaftlicher Befähigung aber wird dabei viel weniger gefragt,
als nach der Gebühr, die zwanzig bis fünfzig Pfd. Se. betragt. Die juristischen
Grade sind ohne tiefere Kenntniß des Rechts zu haben, woraus sich erklärt,
daß nicht selten Geistliche Doctoren der Rechte sind.

Verlangt man an den Universitäten für die höhern akademischen Würden
nicht gerade den Nachweis fortgesetzter Beschäftigung mit der betreffenden Wissen¬
schaft, so findet er. wo er beigebracht wird, doch Anerkennung. Und dasselbe
ist der Fall bei den Prüfungen, welche die Bischöfe mit jungen Theologen vor
der Ordination abhalten. Gewöhnlich geht ein solches Examen, durch welches
man sich den Titel „Keverenä" (Ehrwürden) erwirbt, nicht viel über das
Bachelor-Examen hinaus, es gereicht dem Candidaten aber zur Empfehlung,
wenn er den Beweis liefern kann, eingehendere theologische Studien gemacht
zu haben, und das geschieht jetzt am einfachsten durch Vorlegung eines Zeug¬
nisses, daß er sich dem seit einiger Zeit bei den Universitäten Oxford und
Cambridge eingeführten „freiwilligen Examen in der Theologie" unterworfen,
welches einige Zeit nach dem für das Baccalaureat bestanden werden kann,
wenn die dafür vorgeschriebnen (beiläufig ziemlich oberflächlichen) Vorlesungen
besucht sind. Unter der höheren Geistlichkeit Englands hat es niemals an
Männern gemangelt, welche eine gründlichere theologische Bildung achteten, und
der Wunsch, hierzu Gelegenheit zu schaffen, hat hauptsächlich die Gründung der
Hochschule in Durham veranlaßt. Dorthin wendet man sich jetzt vorzugsweise,
wenn man ausgedehntere theologische Studien zu machen beabsichtigt.

Betrachten wir die englischen Universitäten einzeln, so hat Oxford die
früheste Blüthe aufzuweisen und zugleich den größten Besitz. Man schätzt den
jährlichen Ertrag aus dem Vermögen dieser Universität auf 160,000 Pfd. Se.
oder mehr als eine Million Thaler. Sie zählt nicht weniger als vierundzwanzig
zu verschiedenen Zeiten, von 12Si> bis 1714 entstandene, besonders dotirte
Colleges, von denen jedes sein eignes Gebäude, seinen besondern Vorstand und
sein specielles Lehrercollegium hat. Was alle zusammenhält, ist lediglich die
gemeinsame University, die wieder ihr besonderes Gebäude besitzt. Mit Aus¬
nahme der fünf kleinsten, die „Halts" genannt werden, verfügt jedes College
über eine Anzahl Pfründen für solche junge Männer, die nach überstandnen
Baccalaureatsexamen hier noch längere Zeit den Studien obliegen wollen. Wer
in eine solche Pfründe (die in 100 und 400 Pfd. Se. jährlich und freier
Station besteht) eingesetzt ist, heißt ,FsI!on" (College, Genosse). Im Ganzen
bestehen in Oxford S40 solche Pfründnerstellen, englisch I^IIonsdips, von denen
ein Theil nur an Söhne bestimmter Familien oder Kandidaten gewisser Graf¬
schaften vergeben werden darf, während die übrigen durch ein Examen erlangt
werden.

Außer den Fellows wohnen und speisen in den Colleges auch die Studenten,


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[0538] dentender wissenschaftlicher Befähigung aber wird dabei viel weniger gefragt, als nach der Gebühr, die zwanzig bis fünfzig Pfd. Se. betragt. Die juristischen Grade sind ohne tiefere Kenntniß des Rechts zu haben, woraus sich erklärt, daß nicht selten Geistliche Doctoren der Rechte sind. Verlangt man an den Universitäten für die höhern akademischen Würden nicht gerade den Nachweis fortgesetzter Beschäftigung mit der betreffenden Wissen¬ schaft, so findet er. wo er beigebracht wird, doch Anerkennung. Und dasselbe ist der Fall bei den Prüfungen, welche die Bischöfe mit jungen Theologen vor der Ordination abhalten. Gewöhnlich geht ein solches Examen, durch welches man sich den Titel „Keverenä" (Ehrwürden) erwirbt, nicht viel über das Bachelor-Examen hinaus, es gereicht dem Candidaten aber zur Empfehlung, wenn er den Beweis liefern kann, eingehendere theologische Studien gemacht zu haben, und das geschieht jetzt am einfachsten durch Vorlegung eines Zeug¬ nisses, daß er sich dem seit einiger Zeit bei den Universitäten Oxford und Cambridge eingeführten „freiwilligen Examen in der Theologie" unterworfen, welches einige Zeit nach dem für das Baccalaureat bestanden werden kann, wenn die dafür vorgeschriebnen (beiläufig ziemlich oberflächlichen) Vorlesungen besucht sind. Unter der höheren Geistlichkeit Englands hat es niemals an Männern gemangelt, welche eine gründlichere theologische Bildung achteten, und der Wunsch, hierzu Gelegenheit zu schaffen, hat hauptsächlich die Gründung der Hochschule in Durham veranlaßt. Dorthin wendet man sich jetzt vorzugsweise, wenn man ausgedehntere theologische Studien zu machen beabsichtigt. Betrachten wir die englischen Universitäten einzeln, so hat Oxford die früheste Blüthe aufzuweisen und zugleich den größten Besitz. Man schätzt den jährlichen Ertrag aus dem Vermögen dieser Universität auf 160,000 Pfd. Se. oder mehr als eine Million Thaler. Sie zählt nicht weniger als vierundzwanzig zu verschiedenen Zeiten, von 12Si> bis 1714 entstandene, besonders dotirte Colleges, von denen jedes sein eignes Gebäude, seinen besondern Vorstand und sein specielles Lehrercollegium hat. Was alle zusammenhält, ist lediglich die gemeinsame University, die wieder ihr besonderes Gebäude besitzt. Mit Aus¬ nahme der fünf kleinsten, die „Halts" genannt werden, verfügt jedes College über eine Anzahl Pfründen für solche junge Männer, die nach überstandnen Baccalaureatsexamen hier noch längere Zeit den Studien obliegen wollen. Wer in eine solche Pfründe (die in 100 und 400 Pfd. Se. jährlich und freier Station besteht) eingesetzt ist, heißt ,FsI!on" (College, Genosse). Im Ganzen bestehen in Oxford S40 solche Pfründnerstellen, englisch I^IIonsdips, von denen ein Theil nur an Söhne bestimmter Familien oder Kandidaten gewisser Graf¬ schaften vergeben werden darf, während die übrigen durch ein Examen erlangt werden. Außer den Fellows wohnen und speisen in den Colleges auch die Studenten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/538>, abgerufen am 29.06.2024.