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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Entwachsene, sondern etwa wie die Zöglinge der sächsischen Fürstenschulen
behandelt.

Zwar werden auch an den englischen Universitäten gewöhnlich vier Ab¬
theilungen unterschieden, die sich ,Meu1tiW" nennen, dieselben haben aber sehr
wenig mit unsern Facultäten gemein; in der theologischen finden wohl einige
Vortrage über theologische Gegenstände, in der medicinischen einige über Heil¬
kunde, in der juristischen einige über Fächer der Rechtswissenschaft statt, aber
alles dies ist Nebensache, und sowohl nach der Zahl der Unterrichtsgegenstände
als nach der der Lehrer nimmt an allen Universitäten, namentlich aber an den
beiden größten in England (Oxford und Cambridge) die ?g.ente^ ok ^res,
die philosophische Abtheilung b/i weitem den größten Raum ein. Die Fach¬
bildung liegt sast ganz außerhalb der Hochschule. Wer sich zum Arzt ausbilden
will, geht entweder in besondere medicinische Schulen oder schließt sich an einen
prakticirenden Jünger des Aeskulap an. Der nach einer Advocaien- oder
Richterstelle strebende junge Mann sucht sich in einem "Inn" das nöthige Wissen
zu verschaffen. Der zum Geistlichen Bestimmte studirt entweder privatim die
theologischen Disciplinen, welche die Universität nicht lehrt, oder besucht ein
Seminar zu diesem Zweck, wobei zu bemerken ist. daß nach Bischof Whatelcy
"die Theologie keine Wissenschaft" und daß nach englischer Ansicht Hebräisch
dem Theologen nicht viel nöthiger als Sanskrit ist.

Die drei Königreiche haben zusammen elf Universitäten, von denen zwei
(eine katholische und eine protestantische) auf Irland, fünf auf Schottland und
vier (Oxford. Cambridge, Durham und London) auf England kommen. Außer¬
dem hat "Kings College" in London ganz die Einrichtung einer Hochschule,
doch führt es nicht den Namen "vniversitz", weil es keine akademischen Grade
ertheilt. Das Recht nämlich, solche Grade zu verleihen, steht nur gewissen
Körperschaften zu, und eine solche Körperschaft führt eben den Namen llruvei'sit,^,
die dazu gehörigen Lehranstalten heißen "volle^Sö". Jene Körperschaft entspricht
ungefähr unseren Universitätssenaten oder Prüfungscommissionen, doch sind die
Mitglieder derselben keineswegs immer als Professoren thätig.

Die protestantische Universität in Dublin ist 1691, die katholische erst
18ö0 gegründet. Die fünf schottischen Hochschulen (in Edinburg, Glasgow,
Se. Andrews, zwei in Aberdeen) sind im fünfzehnten und sechzehnten Jahr¬
hundert entstanden. Oxford und Cambridge gehen in ihren Ansängen sogar auf
das dreizehnte Jahrhundert zurück, ganz neu in England sind die Universitäten
London, welche 1828, und Durham. welche 1837 gestiftet wurde.

Die alten Hochschulen ruhen sämmtlich auf Stiftungen und Vermächtnissen
von Privatleuten. Der Staat hat auf sie keinerlei, directen Einfluß, wie er
sich überhaupt um das Unterrichtswesen so gut wie gar nicht kümmert. In
den Familien einzelner Stifter haben sich Stimmen bei Behebung von Frei-


Entwachsene, sondern etwa wie die Zöglinge der sächsischen Fürstenschulen
behandelt.

Zwar werden auch an den englischen Universitäten gewöhnlich vier Ab¬
theilungen unterschieden, die sich ,Meu1tiW" nennen, dieselben haben aber sehr
wenig mit unsern Facultäten gemein; in der theologischen finden wohl einige
Vortrage über theologische Gegenstände, in der medicinischen einige über Heil¬
kunde, in der juristischen einige über Fächer der Rechtswissenschaft statt, aber
alles dies ist Nebensache, und sowohl nach der Zahl der Unterrichtsgegenstände
als nach der der Lehrer nimmt an allen Universitäten, namentlich aber an den
beiden größten in England (Oxford und Cambridge) die ?g.ente^ ok ^res,
die philosophische Abtheilung b/i weitem den größten Raum ein. Die Fach¬
bildung liegt sast ganz außerhalb der Hochschule. Wer sich zum Arzt ausbilden
will, geht entweder in besondere medicinische Schulen oder schließt sich an einen
prakticirenden Jünger des Aeskulap an. Der nach einer Advocaien- oder
Richterstelle strebende junge Mann sucht sich in einem „Inn" das nöthige Wissen
zu verschaffen. Der zum Geistlichen Bestimmte studirt entweder privatim die
theologischen Disciplinen, welche die Universität nicht lehrt, oder besucht ein
Seminar zu diesem Zweck, wobei zu bemerken ist. daß nach Bischof Whatelcy
„die Theologie keine Wissenschaft" und daß nach englischer Ansicht Hebräisch
dem Theologen nicht viel nöthiger als Sanskrit ist.

Die drei Königreiche haben zusammen elf Universitäten, von denen zwei
(eine katholische und eine protestantische) auf Irland, fünf auf Schottland und
vier (Oxford. Cambridge, Durham und London) auf England kommen. Außer¬
dem hat „Kings College" in London ganz die Einrichtung einer Hochschule,
doch führt es nicht den Namen „vniversitz", weil es keine akademischen Grade
ertheilt. Das Recht nämlich, solche Grade zu verleihen, steht nur gewissen
Körperschaften zu, und eine solche Körperschaft führt eben den Namen llruvei'sit,^,
die dazu gehörigen Lehranstalten heißen „volle^Sö". Jene Körperschaft entspricht
ungefähr unseren Universitätssenaten oder Prüfungscommissionen, doch sind die
Mitglieder derselben keineswegs immer als Professoren thätig.

Die protestantische Universität in Dublin ist 1691, die katholische erst
18ö0 gegründet. Die fünf schottischen Hochschulen (in Edinburg, Glasgow,
Se. Andrews, zwei in Aberdeen) sind im fünfzehnten und sechzehnten Jahr¬
hundert entstanden. Oxford und Cambridge gehen in ihren Ansängen sogar auf
das dreizehnte Jahrhundert zurück, ganz neu in England sind die Universitäten
London, welche 1828, und Durham. welche 1837 gestiftet wurde.

Die alten Hochschulen ruhen sämmtlich auf Stiftungen und Vermächtnissen
von Privatleuten. Der Staat hat auf sie keinerlei, directen Einfluß, wie er
sich überhaupt um das Unterrichtswesen so gut wie gar nicht kümmert. In
den Familien einzelner Stifter haben sich Stimmen bei Behebung von Frei-


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[0536] Entwachsene, sondern etwa wie die Zöglinge der sächsischen Fürstenschulen behandelt. Zwar werden auch an den englischen Universitäten gewöhnlich vier Ab¬ theilungen unterschieden, die sich ,Meu1tiW" nennen, dieselben haben aber sehr wenig mit unsern Facultäten gemein; in der theologischen finden wohl einige Vortrage über theologische Gegenstände, in der medicinischen einige über Heil¬ kunde, in der juristischen einige über Fächer der Rechtswissenschaft statt, aber alles dies ist Nebensache, und sowohl nach der Zahl der Unterrichtsgegenstände als nach der der Lehrer nimmt an allen Universitäten, namentlich aber an den beiden größten in England (Oxford und Cambridge) die ?g.ente^ ok ^res, die philosophische Abtheilung b/i weitem den größten Raum ein. Die Fach¬ bildung liegt sast ganz außerhalb der Hochschule. Wer sich zum Arzt ausbilden will, geht entweder in besondere medicinische Schulen oder schließt sich an einen prakticirenden Jünger des Aeskulap an. Der nach einer Advocaien- oder Richterstelle strebende junge Mann sucht sich in einem „Inn" das nöthige Wissen zu verschaffen. Der zum Geistlichen Bestimmte studirt entweder privatim die theologischen Disciplinen, welche die Universität nicht lehrt, oder besucht ein Seminar zu diesem Zweck, wobei zu bemerken ist. daß nach Bischof Whatelcy „die Theologie keine Wissenschaft" und daß nach englischer Ansicht Hebräisch dem Theologen nicht viel nöthiger als Sanskrit ist. Die drei Königreiche haben zusammen elf Universitäten, von denen zwei (eine katholische und eine protestantische) auf Irland, fünf auf Schottland und vier (Oxford. Cambridge, Durham und London) auf England kommen. Außer¬ dem hat „Kings College" in London ganz die Einrichtung einer Hochschule, doch führt es nicht den Namen „vniversitz", weil es keine akademischen Grade ertheilt. Das Recht nämlich, solche Grade zu verleihen, steht nur gewissen Körperschaften zu, und eine solche Körperschaft führt eben den Namen llruvei'sit,^, die dazu gehörigen Lehranstalten heißen „volle^Sö". Jene Körperschaft entspricht ungefähr unseren Universitätssenaten oder Prüfungscommissionen, doch sind die Mitglieder derselben keineswegs immer als Professoren thätig. Die protestantische Universität in Dublin ist 1691, die katholische erst 18ö0 gegründet. Die fünf schottischen Hochschulen (in Edinburg, Glasgow, Se. Andrews, zwei in Aberdeen) sind im fünfzehnten und sechzehnten Jahr¬ hundert entstanden. Oxford und Cambridge gehen in ihren Ansängen sogar auf das dreizehnte Jahrhundert zurück, ganz neu in England sind die Universitäten London, welche 1828, und Durham. welche 1837 gestiftet wurde. Die alten Hochschulen ruhen sämmtlich auf Stiftungen und Vermächtnissen von Privatleuten. Der Staat hat auf sie keinerlei, directen Einfluß, wie er sich überhaupt um das Unterrichtswesen so gut wie gar nicht kümmert. In den Familien einzelner Stifter haben sich Stimmen bei Behebung von Frei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/536>, abgerufen am 29.06.2024.