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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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der Dinge, wie Preußen sie fordert, für den sogenannten engen Anschluß, scheint
uns nicht zweifelhaft; doch wird das einer weiteren staatsrechtlichen und politischen
Erwägung bedürfen, welche nicht hierher gehört.

Alles dies gilt, wie gesagt, nur von Schleswig; aber soll wirklich die Ein¬
heit und Unteilbarkeit als der wichtigste Grundsatz des Schleswig-holsteinischen
Staatsrechts gelten, so wird Holstein dem Bruderlande sich anbequemen müssen.
Jedenfalls würde sich vom Rechtsstandpunkt wenig dagegen einwenden lassen,
wenn die alliirten Mächte Titel und Wappen von Schleswig-Holstein und
Lauenburg als Anspruchswappen annähmen. Hat man doch sogar dem König
von Dänemark nicht verwehrt, eben diese Jnsignien als Gedächtnißwappen
fortzuführen.

Der Anspruch des Herzogs Friedrich auf die Erbfolge, aus das ctominium
utilo, bleibt bei alledem unverändert.
''

Noch eine Schlußbemerkung. Vielleicht wird mancher Leser fragen, wie es
zugeht, daß in der ganzen langwierigen Erbfolgeliteratur der letzten Jahre dieser
wichtige Punkt gar nicht zur Sprache gekommen ist? Das erklärt sich leicht.

Die deutschen Publicisten hatten allerdings keine Veranlassung, ein Rechts¬
verhältniß zu betonen, das, wie Lornscn (a. a. O. S. 393) ganz richtig be¬
merkt, nur dazu hätte dienen können, auch für die Zukunft ebenso nutzlose als
gehässige Reibungen mit Dänemark hervorzurufen. Diese Rücksicht ward für
uns hinfällig, seit die Schleswig-holsteinische Frage eine ausschließlich innere An¬
gelegenheit Deutschlands geworden ist.

Die dänischen Publicisten ihrerseits haben offenbar auf dies minus dem
Gewicht gelegt, weil sie ein irmM in Händen zu haben glaubten, nämlich ti
sogenannte Incorporation Schleswigs vom Jahr 1721. (Vgl. darüber das,
Votum von v. d. Pfordten Ur. XX. XXXVI und XXXVII.) Diese Incor¬
poration ist allerdings "eine Erfindung der neuern Zeit", wie Herr v. d. Pfordten
sagt; aber die eiderdänische Schule, welche seit lange die Publicistik und
Politik Dänemarks beherrschte, hatte dieselbe zu einem Hauptglaubensartikel
erhoben. Und zwar bedeutete nach eiderdänischer Auffassung der Vorgang von
1721 nichts anderes, als daß Schleswig dem Königreich einverleibt und der
Thronfolgeordnung des dänischen Königsgesetzes unterworfen sei; dieser Verän¬
derung sollten auch gleichzeitig die sonderburgischen Herzoge sich gefügt und
dieselbe eidlich anerkannt haben. Verhielt es sich so und war damit der
Besitz Schleswigs der dänischen Krone für immer gesichert, so war es aller¬
dings überflüssig, auf das gedachte Rechtsverhältniß einzugehen; man durfte
davon schweigen.




der Dinge, wie Preußen sie fordert, für den sogenannten engen Anschluß, scheint
uns nicht zweifelhaft; doch wird das einer weiteren staatsrechtlichen und politischen
Erwägung bedürfen, welche nicht hierher gehört.

Alles dies gilt, wie gesagt, nur von Schleswig; aber soll wirklich die Ein¬
heit und Unteilbarkeit als der wichtigste Grundsatz des Schleswig-holsteinischen
Staatsrechts gelten, so wird Holstein dem Bruderlande sich anbequemen müssen.
Jedenfalls würde sich vom Rechtsstandpunkt wenig dagegen einwenden lassen,
wenn die alliirten Mächte Titel und Wappen von Schleswig-Holstein und
Lauenburg als Anspruchswappen annähmen. Hat man doch sogar dem König
von Dänemark nicht verwehrt, eben diese Jnsignien als Gedächtnißwappen
fortzuführen.

Der Anspruch des Herzogs Friedrich auf die Erbfolge, aus das ctominium
utilo, bleibt bei alledem unverändert.
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Noch eine Schlußbemerkung. Vielleicht wird mancher Leser fragen, wie es
zugeht, daß in der ganzen langwierigen Erbfolgeliteratur der letzten Jahre dieser
wichtige Punkt gar nicht zur Sprache gekommen ist? Das erklärt sich leicht.

Die deutschen Publicisten hatten allerdings keine Veranlassung, ein Rechts¬
verhältniß zu betonen, das, wie Lornscn (a. a. O. S. 393) ganz richtig be¬
merkt, nur dazu hätte dienen können, auch für die Zukunft ebenso nutzlose als
gehässige Reibungen mit Dänemark hervorzurufen. Diese Rücksicht ward für
uns hinfällig, seit die Schleswig-holsteinische Frage eine ausschließlich innere An¬
gelegenheit Deutschlands geworden ist.

Die dänischen Publicisten ihrerseits haben offenbar auf dies minus dem
Gewicht gelegt, weil sie ein irmM in Händen zu haben glaubten, nämlich ti
sogenannte Incorporation Schleswigs vom Jahr 1721. (Vgl. darüber das,
Votum von v. d. Pfordten Ur. XX. XXXVI und XXXVII.) Diese Incor¬
poration ist allerdings „eine Erfindung der neuern Zeit", wie Herr v. d. Pfordten
sagt; aber die eiderdänische Schule, welche seit lange die Publicistik und
Politik Dänemarks beherrschte, hatte dieselbe zu einem Hauptglaubensartikel
erhoben. Und zwar bedeutete nach eiderdänischer Auffassung der Vorgang von
1721 nichts anderes, als daß Schleswig dem Königreich einverleibt und der
Thronfolgeordnung des dänischen Königsgesetzes unterworfen sei; dieser Verän¬
derung sollten auch gleichzeitig die sonderburgischen Herzoge sich gefügt und
dieselbe eidlich anerkannt haben. Verhielt es sich so und war damit der
Besitz Schleswigs der dänischen Krone für immer gesichert, so war es aller¬
dings überflüssig, auf das gedachte Rechtsverhältniß einzugehen; man durfte
davon schweigen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/53>, abgerufen am 12.12.2024.