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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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der die Rheinarmee damals commandirte. Hierauf folgten Verhandlungen hin
und her, während deren das sächsische Corps nach Coblenz und dessen Nachbar¬
schaft verlegt wurde, wo dasselbe den 15. September eintraf. Dort erschien
der General v. Müffling als Bevollmächtigter des Oberbefehlshabers der Armee,
um die Sache zu ordnen. Es gelang ihm durch ernste und milde Vorstellungen,
die Aufregung zu beschwichtigen, und die sächsischen Commandeure unterschrieben
einen Revers, in welchem sie sich verpflichteten, bis zur Entscheidung über
Sachsen die verbündeten Mächte als alleinigen Souverain anzuerkennen, als
ob sie ihnen geschworen hätten, auch keiner andern Autorität zu folgen,
als dem ihnen vorgesetzten commandirenden General vom dritten deutschen
Armeecorps. Die Adresse reichten sie jetzt in abgeänderter Form ein, nach
welcher sie sich auf die Erklärung beschränkten, daß sie sich des Eides gegen
ihren König nicht unbedingt entbunden erachteten, und den Wunsch hinzufügten,
unter dessen Scepter zurückzukehren.

In dieser Gestalt ging die Adresse nach Wien ab, während Thielmann
einen ausführlichen Bericht über die Angelegenheit an Kaiser Alexander schickte.
Mit einer ähnlichen Bewegung hatte Repnin bei dem in Sachsen zurückgebliebnen
Truppentheile zu thun. Stein, der als Haupt der Centralverwaltung durch
Kleist, Thielmann, Müffling und Repnin über alle diese Vorgänge genau unter¬
richtet war. sprach in dienstlichen Schreiben seine scharfe Mißbilligung über die
Adresse aus. Er meinte, die bewaffnete Macht habe sich nicht in Staatssachen
zu mischen, und es sei gerathen, den schwachen General Lecoq und den intri¬
ganten Obersten v. Zezschwitz zu entfernen, den übrigen Offizieren eine Rüge
zu ertheilen und das Corps zu verlegen.

Dieser Rath wurde leider nicht befolgt, und bald, als vom October an
die widersprechendsten Gerüchte zu den Truppen drangen, gewann die Bewegung
neues Leben. Die Uebergabe der Verwaltung Sachsens an Preußen wurde
in Koblenz zuerst als förmliche Auslieferung des Landes bezeichnet, dann, als
der Streit der Mächte in Wien sich steigerte, behauptete man das gerade Gegen¬
theil. Lecocq hatte die Dreistigkeit, sich am Geburtstag Friedrich Augusts
(23. December) geradezu feindlich gegen Preußen zu äußern. Er wurde daher
vom Corps entfernt. Oberst v. Zezschwitz, der eigentliche Träger und SchKrer
des vom Hofe ausgegangnen Treibens im sächsischen Offizierscorps, blieb leider.
Zu Anfang des Februar 1816 kam das Corps, welches beiläufig ungefähr
14,000 Mann stark war. nach Köln, gegen Ende des März wurde es nach
Aachen, dann nach Lüttich verlegt.

Schnell folgten in dieser Zeit die Nachrichten, daß Sachsen getheilt werden
solle, daß der König sich widersetze, daß Napoleon in Frankreich gelandet sei.
General Thielmann forderte schon am 22. Februar von den Offizieren die Er¬
klärung, wer bei der Theilung in preußische Dienste übertreten, wer in sächsischen


der die Rheinarmee damals commandirte. Hierauf folgten Verhandlungen hin
und her, während deren das sächsische Corps nach Coblenz und dessen Nachbar¬
schaft verlegt wurde, wo dasselbe den 15. September eintraf. Dort erschien
der General v. Müffling als Bevollmächtigter des Oberbefehlshabers der Armee,
um die Sache zu ordnen. Es gelang ihm durch ernste und milde Vorstellungen,
die Aufregung zu beschwichtigen, und die sächsischen Commandeure unterschrieben
einen Revers, in welchem sie sich verpflichteten, bis zur Entscheidung über
Sachsen die verbündeten Mächte als alleinigen Souverain anzuerkennen, als
ob sie ihnen geschworen hätten, auch keiner andern Autorität zu folgen,
als dem ihnen vorgesetzten commandirenden General vom dritten deutschen
Armeecorps. Die Adresse reichten sie jetzt in abgeänderter Form ein, nach
welcher sie sich auf die Erklärung beschränkten, daß sie sich des Eides gegen
ihren König nicht unbedingt entbunden erachteten, und den Wunsch hinzufügten,
unter dessen Scepter zurückzukehren.

In dieser Gestalt ging die Adresse nach Wien ab, während Thielmann
einen ausführlichen Bericht über die Angelegenheit an Kaiser Alexander schickte.
Mit einer ähnlichen Bewegung hatte Repnin bei dem in Sachsen zurückgebliebnen
Truppentheile zu thun. Stein, der als Haupt der Centralverwaltung durch
Kleist, Thielmann, Müffling und Repnin über alle diese Vorgänge genau unter¬
richtet war. sprach in dienstlichen Schreiben seine scharfe Mißbilligung über die
Adresse aus. Er meinte, die bewaffnete Macht habe sich nicht in Staatssachen
zu mischen, und es sei gerathen, den schwachen General Lecoq und den intri¬
ganten Obersten v. Zezschwitz zu entfernen, den übrigen Offizieren eine Rüge
zu ertheilen und das Corps zu verlegen.

Dieser Rath wurde leider nicht befolgt, und bald, als vom October an
die widersprechendsten Gerüchte zu den Truppen drangen, gewann die Bewegung
neues Leben. Die Uebergabe der Verwaltung Sachsens an Preußen wurde
in Koblenz zuerst als förmliche Auslieferung des Landes bezeichnet, dann, als
der Streit der Mächte in Wien sich steigerte, behauptete man das gerade Gegen¬
theil. Lecocq hatte die Dreistigkeit, sich am Geburtstag Friedrich Augusts
(23. December) geradezu feindlich gegen Preußen zu äußern. Er wurde daher
vom Corps entfernt. Oberst v. Zezschwitz, der eigentliche Träger und SchKrer
des vom Hofe ausgegangnen Treibens im sächsischen Offizierscorps, blieb leider.
Zu Anfang des Februar 1816 kam das Corps, welches beiläufig ungefähr
14,000 Mann stark war. nach Köln, gegen Ende des März wurde es nach
Aachen, dann nach Lüttich verlegt.

Schnell folgten in dieser Zeit die Nachrichten, daß Sachsen getheilt werden
solle, daß der König sich widersetze, daß Napoleon in Frankreich gelandet sei.
General Thielmann forderte schon am 22. Februar von den Offizieren die Er¬
klärung, wer bei der Theilung in preußische Dienste übertreten, wer in sächsischen


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[0528] der die Rheinarmee damals commandirte. Hierauf folgten Verhandlungen hin und her, während deren das sächsische Corps nach Coblenz und dessen Nachbar¬ schaft verlegt wurde, wo dasselbe den 15. September eintraf. Dort erschien der General v. Müffling als Bevollmächtigter des Oberbefehlshabers der Armee, um die Sache zu ordnen. Es gelang ihm durch ernste und milde Vorstellungen, die Aufregung zu beschwichtigen, und die sächsischen Commandeure unterschrieben einen Revers, in welchem sie sich verpflichteten, bis zur Entscheidung über Sachsen die verbündeten Mächte als alleinigen Souverain anzuerkennen, als ob sie ihnen geschworen hätten, auch keiner andern Autorität zu folgen, als dem ihnen vorgesetzten commandirenden General vom dritten deutschen Armeecorps. Die Adresse reichten sie jetzt in abgeänderter Form ein, nach welcher sie sich auf die Erklärung beschränkten, daß sie sich des Eides gegen ihren König nicht unbedingt entbunden erachteten, und den Wunsch hinzufügten, unter dessen Scepter zurückzukehren. In dieser Gestalt ging die Adresse nach Wien ab, während Thielmann einen ausführlichen Bericht über die Angelegenheit an Kaiser Alexander schickte. Mit einer ähnlichen Bewegung hatte Repnin bei dem in Sachsen zurückgebliebnen Truppentheile zu thun. Stein, der als Haupt der Centralverwaltung durch Kleist, Thielmann, Müffling und Repnin über alle diese Vorgänge genau unter¬ richtet war. sprach in dienstlichen Schreiben seine scharfe Mißbilligung über die Adresse aus. Er meinte, die bewaffnete Macht habe sich nicht in Staatssachen zu mischen, und es sei gerathen, den schwachen General Lecoq und den intri¬ ganten Obersten v. Zezschwitz zu entfernen, den übrigen Offizieren eine Rüge zu ertheilen und das Corps zu verlegen. Dieser Rath wurde leider nicht befolgt, und bald, als vom October an die widersprechendsten Gerüchte zu den Truppen drangen, gewann die Bewegung neues Leben. Die Uebergabe der Verwaltung Sachsens an Preußen wurde in Koblenz zuerst als förmliche Auslieferung des Landes bezeichnet, dann, als der Streit der Mächte in Wien sich steigerte, behauptete man das gerade Gegen¬ theil. Lecocq hatte die Dreistigkeit, sich am Geburtstag Friedrich Augusts (23. December) geradezu feindlich gegen Preußen zu äußern. Er wurde daher vom Corps entfernt. Oberst v. Zezschwitz, der eigentliche Träger und SchKrer des vom Hofe ausgegangnen Treibens im sächsischen Offizierscorps, blieb leider. Zu Anfang des Februar 1816 kam das Corps, welches beiläufig ungefähr 14,000 Mann stark war. nach Köln, gegen Ende des März wurde es nach Aachen, dann nach Lüttich verlegt. Schnell folgten in dieser Zeit die Nachrichten, daß Sachsen getheilt werden solle, daß der König sich widersetze, daß Napoleon in Frankreich gelandet sei. General Thielmann forderte schon am 22. Februar von den Offizieren die Er¬ klärung, wer bei der Theilung in preußische Dienste übertreten, wer in sächsischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/528>, abgerufen am 28.09.2024.