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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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erklärte Hardenberg im Namen seines Königs, daß eine Theilung Sachsens
zwar ein Uebel sei, daß man aber in das von allen Seiten verlangte Opfer
willigen wolle, worauf Forderungen folgten, durch welche Preußen im Wesent-
lichen das Gebiet in Anspruch nahm, welches es heute wirklich besitzt. Am
10. Februar nahm Oestreich diese Vorschläge an, und die andern auf dem
Kongreß vertretenen Mächte folgten.

Die sächsische Hospartei war außer sich hierüber. Auf Oestreichs Betrieb
ließ man den König nach Preßburg gehen, indem man dort eher seine Ein-
willigung zu der Uebereinkunft der Mächte zu erlangen hoffte, die es ermög-
lichen sollte, ihn der Gefangenschaft zu entlassen. Man täuschte sich, Friedrich
August blieb hartnäckig dabei, diese Einwilligung zu versagen. Die Folgen
davon trafen nicht die rechte Stelle, sondern nur unwissende Werkzeuge dieser
Politik ohnmächtigen Widerstandes gegen ein selbstverschuldetes und wenn
nicht für das Land, sicher für den König noch viel zu günstig ausgefallenes
Schicksal.

Damit sind wir zu dem eigentlichen Gegenstand unserer Betrachtung ge-
langt. Nach der Schlacht bei Leipzig war ein Theil der sächsischen Armee in
Sachsen zurückgeblieben, der größere unter v. Thielmann nach dem westlichen
Deutschland dirigirt worden. Das Corps wurde der preußischen Armee vom
Niederrhein, insbesondere dem dritten deutschen Armeecorps zugewiesen, welches
damals eben gebildet worden. Im August 1814 standen diese sächsischen Truppen
bei Marburg in Hessen, als bei ihnen der Hauptmann v. Langenau, Bruder
des östreichischen Generalquartiermeisters, erschien. Derselbe kam in anderer
dienstlicher Mission und nur auf der Durchreise hierher, brachte aber von dem
jüngeren Bruder des Königs von Sachsen, dem damals in Prag lebenden
Prinzen Maximilian, einen geheimen wichtigen Auftrag mit. Bei dessen Aus¬
führung wurde er von dem General Lecoq und dem Obersten v. Zezschwitz
lebhaft unterstützt, und so lief am 31. August das Ergebniß desselben, eine
Adresse an die verbündeten Monarchen um Herstellung eines ungetheilten Sachsen
unter Friedrich August, mit zahlreichen Unterschriften von sächsischen Offizieren
bedeckt, bei v. Thielmann ein. Es war die Majorität der letzteren, welche
hier sprach; die Offiziere der Cavalerie, der ersten leichten Jnfanteriebrigade
und der Sappeurcompagnie beschränkten sich auf den Ausdruck ihrer Ergeben¬
heit für den König, ohne eine politische Meinung zu äußern. General v. Thiel-
en"um hatte kurz vorher bei einem am Geburtstag des Königs von Preußen
veranstalteten Festmahl seinem Wunsche nach Vereinigung Sachsens mit Preußen
unverhohlen Ausdruck gegeben und damit bei den übrigen Herren stark an¬
gestoßen. Ais er jetzt die Commandeure auf das Ungebührliche ihres Schrittes
aufmerksam machte, bestanden sie auf der Einsendung der Adresse.

Nun ging die Meldung an den preußischen General v. Kleist nach Aachen.


Grenzboten II. 186ö. ^

erklärte Hardenberg im Namen seines Königs, daß eine Theilung Sachsens
zwar ein Uebel sei, daß man aber in das von allen Seiten verlangte Opfer
willigen wolle, worauf Forderungen folgten, durch welche Preußen im Wesent-
lichen das Gebiet in Anspruch nahm, welches es heute wirklich besitzt. Am
10. Februar nahm Oestreich diese Vorschläge an, und die andern auf dem
Kongreß vertretenen Mächte folgten.

Die sächsische Hospartei war außer sich hierüber. Auf Oestreichs Betrieb
ließ man den König nach Preßburg gehen, indem man dort eher seine Ein-
willigung zu der Uebereinkunft der Mächte zu erlangen hoffte, die es ermög-
lichen sollte, ihn der Gefangenschaft zu entlassen. Man täuschte sich, Friedrich
August blieb hartnäckig dabei, diese Einwilligung zu versagen. Die Folgen
davon trafen nicht die rechte Stelle, sondern nur unwissende Werkzeuge dieser
Politik ohnmächtigen Widerstandes gegen ein selbstverschuldetes und wenn
nicht für das Land, sicher für den König noch viel zu günstig ausgefallenes
Schicksal.

Damit sind wir zu dem eigentlichen Gegenstand unserer Betrachtung ge-
langt. Nach der Schlacht bei Leipzig war ein Theil der sächsischen Armee in
Sachsen zurückgeblieben, der größere unter v. Thielmann nach dem westlichen
Deutschland dirigirt worden. Das Corps wurde der preußischen Armee vom
Niederrhein, insbesondere dem dritten deutschen Armeecorps zugewiesen, welches
damals eben gebildet worden. Im August 1814 standen diese sächsischen Truppen
bei Marburg in Hessen, als bei ihnen der Hauptmann v. Langenau, Bruder
des östreichischen Generalquartiermeisters, erschien. Derselbe kam in anderer
dienstlicher Mission und nur auf der Durchreise hierher, brachte aber von dem
jüngeren Bruder des Königs von Sachsen, dem damals in Prag lebenden
Prinzen Maximilian, einen geheimen wichtigen Auftrag mit. Bei dessen Aus¬
führung wurde er von dem General Lecoq und dem Obersten v. Zezschwitz
lebhaft unterstützt, und so lief am 31. August das Ergebniß desselben, eine
Adresse an die verbündeten Monarchen um Herstellung eines ungetheilten Sachsen
unter Friedrich August, mit zahlreichen Unterschriften von sächsischen Offizieren
bedeckt, bei v. Thielmann ein. Es war die Majorität der letzteren, welche
hier sprach; die Offiziere der Cavalerie, der ersten leichten Jnfanteriebrigade
und der Sappeurcompagnie beschränkten sich auf den Ausdruck ihrer Ergeben¬
heit für den König, ohne eine politische Meinung zu äußern. General v. Thiel-
en«um hatte kurz vorher bei einem am Geburtstag des Königs von Preußen
veranstalteten Festmahl seinem Wunsche nach Vereinigung Sachsens mit Preußen
unverhohlen Ausdruck gegeben und damit bei den übrigen Herren stark an¬
gestoßen. Ais er jetzt die Commandeure auf das Ungebührliche ihres Schrittes
aufmerksam machte, bestanden sie auf der Einsendung der Adresse.

Nun ging die Meldung an den preußischen General v. Kleist nach Aachen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/527>, abgerufen am 29.06.2024.