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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Promittiren, daß ihm eine Rückkehr zu der deutsch-dänischen Gesammtsstaats-
politik später unmöglich sein werde; und dann ist es auch wenigstens denkbar,
daß er auf französische Ermuihigung hin handelte. Er schlug also -- nach dem,
was bis jetzt darüber verlautet hat -- seinem gekrönten Nachbar vor, mit ihm
einen Familienpact und einen eigentlichen Staatsvertrag einzugehen. Jener
sollte so beschaffen sein, daß in nicht zu langer Frist die drei nordischen Kronen
auf einem Haupte vereinigt würden; dieser ein skandinavisches Heer, eine skan¬
dinavische Flotte, eine skandinavische Diplomatie und auswärtige Politik, endlich
ein skandinavisches Parlament ins Leben rufen. Wenn Dänmark auf diese Be¬
dingungen einginge, so sollte Schwedens und Norwegens Macht neben der
inigen dafür einstehen, daß es gegen Süden hin seine nationale Grenze be¬
haupte, also irgendeine ihm günstige Theilungslinie durch Schleswig.

Da von dieser wichtigen und interessanten Proposition einstweilen nichts
bekannt geworden ist als der Kern ihres Inhalts, so fehlen noch die Mittel,
um zu beurtheilen, in welcher Art dieselbe auf den Gang der Dinge im Ganzen
einwirkte. Es ist aber auf alle Fälle wahrscheinlich, daß die damalige über¬
raschende Thätigkeit Rußlands auf die Nachricht von Schwedens kühnem Vor¬
haben zurückzuführen ist. Das Petersburger Cabinet, das sich bis dahin seiner
gegenwärtigen allgemeinen Politik gemäß auch in der Schleswig-holsteinischen
Sache beobachtend verhalten hatte, begann gegen Ende der londoner Con-
fereiizen plötzlich sich eines Abschlusses anzunehmen, der es mindestens vor dem
Aergsten bewahrte, vor der Verwirklichung der skandinavischen Idee. Der
dänische Gesandte am russischen Hofe, Baron Otto Blessen, Bruder unseres
Karl v. Scheel-Plessen und gleich diesem ein ausgemachter Deutschdäne, erschien
urplötzlich in Kopenhagen, warnte den König vor den schwedischen Hintergedanken
und bereitete den bald nachher eintretenden Ministerwechsel vor. der den Eider-
dänen Monrad durch Bluhme. den alten Gesammtstaatsmann von europäischem
Ansehen und Nus ersehe. Es wird wohl die Folge dieser russischen
Sendung gewesen sein, was Christian den Neunten bestimmte, sich den wohl¬
wollenden Nachbar mit guter Manier vom Halse zu schaffen. Er drückte ihm
den Wunsch aus, Holstein in das Schutz- und Trutz-Bündniß mit aufgenommen
zu sehen. König Karl konnte nicht allein auf diese Erweiterung seines wohl¬
bemessenen Vorschlags nicht eingehen, weil sie an die Stelle eines erreichbaren
Zieles ein ganz chimärisches setzte -- er mußte daran auch erkennen, daß am
dänischen Hofe der antiskandinavische Geist noch völlig obenauf sei, und brach da¬
her die Unterhandlungen ab. Natürlich auch in diesem Falle nur. um sie im ge'
eigneten Augenblicke mit besseren Chancen wiederanzuknüpfen.

Mit welchen Augen haben wir Deutschen nun diese Bestrebungen anzu-
sehen? Sollen wir uns gegen sie einnehmen lassen, weil das sogenannte "Haus-
deutschthum" in Kopenhagen, die Deutschdänen hüben und drüben den Star-


Promittiren, daß ihm eine Rückkehr zu der deutsch-dänischen Gesammtsstaats-
politik später unmöglich sein werde; und dann ist es auch wenigstens denkbar,
daß er auf französische Ermuihigung hin handelte. Er schlug also — nach dem,
was bis jetzt darüber verlautet hat — seinem gekrönten Nachbar vor, mit ihm
einen Familienpact und einen eigentlichen Staatsvertrag einzugehen. Jener
sollte so beschaffen sein, daß in nicht zu langer Frist die drei nordischen Kronen
auf einem Haupte vereinigt würden; dieser ein skandinavisches Heer, eine skan¬
dinavische Flotte, eine skandinavische Diplomatie und auswärtige Politik, endlich
ein skandinavisches Parlament ins Leben rufen. Wenn Dänmark auf diese Be¬
dingungen einginge, so sollte Schwedens und Norwegens Macht neben der
inigen dafür einstehen, daß es gegen Süden hin seine nationale Grenze be¬
haupte, also irgendeine ihm günstige Theilungslinie durch Schleswig.

Da von dieser wichtigen und interessanten Proposition einstweilen nichts
bekannt geworden ist als der Kern ihres Inhalts, so fehlen noch die Mittel,
um zu beurtheilen, in welcher Art dieselbe auf den Gang der Dinge im Ganzen
einwirkte. Es ist aber auf alle Fälle wahrscheinlich, daß die damalige über¬
raschende Thätigkeit Rußlands auf die Nachricht von Schwedens kühnem Vor¬
haben zurückzuführen ist. Das Petersburger Cabinet, das sich bis dahin seiner
gegenwärtigen allgemeinen Politik gemäß auch in der Schleswig-holsteinischen
Sache beobachtend verhalten hatte, begann gegen Ende der londoner Con-
fereiizen plötzlich sich eines Abschlusses anzunehmen, der es mindestens vor dem
Aergsten bewahrte, vor der Verwirklichung der skandinavischen Idee. Der
dänische Gesandte am russischen Hofe, Baron Otto Blessen, Bruder unseres
Karl v. Scheel-Plessen und gleich diesem ein ausgemachter Deutschdäne, erschien
urplötzlich in Kopenhagen, warnte den König vor den schwedischen Hintergedanken
und bereitete den bald nachher eintretenden Ministerwechsel vor. der den Eider-
dänen Monrad durch Bluhme. den alten Gesammtstaatsmann von europäischem
Ansehen und Nus ersehe. Es wird wohl die Folge dieser russischen
Sendung gewesen sein, was Christian den Neunten bestimmte, sich den wohl¬
wollenden Nachbar mit guter Manier vom Halse zu schaffen. Er drückte ihm
den Wunsch aus, Holstein in das Schutz- und Trutz-Bündniß mit aufgenommen
zu sehen. König Karl konnte nicht allein auf diese Erweiterung seines wohl¬
bemessenen Vorschlags nicht eingehen, weil sie an die Stelle eines erreichbaren
Zieles ein ganz chimärisches setzte — er mußte daran auch erkennen, daß am
dänischen Hofe der antiskandinavische Geist noch völlig obenauf sei, und brach da¬
her die Unterhandlungen ab. Natürlich auch in diesem Falle nur. um sie im ge'
eigneten Augenblicke mit besseren Chancen wiederanzuknüpfen.

Mit welchen Augen haben wir Deutschen nun diese Bestrebungen anzu-
sehen? Sollen wir uns gegen sie einnehmen lassen, weil das sogenannte „Haus-
deutschthum" in Kopenhagen, die Deutschdänen hüben und drüben den Star-


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[0518] Promittiren, daß ihm eine Rückkehr zu der deutsch-dänischen Gesammtsstaats- politik später unmöglich sein werde; und dann ist es auch wenigstens denkbar, daß er auf französische Ermuihigung hin handelte. Er schlug also — nach dem, was bis jetzt darüber verlautet hat — seinem gekrönten Nachbar vor, mit ihm einen Familienpact und einen eigentlichen Staatsvertrag einzugehen. Jener sollte so beschaffen sein, daß in nicht zu langer Frist die drei nordischen Kronen auf einem Haupte vereinigt würden; dieser ein skandinavisches Heer, eine skan¬ dinavische Flotte, eine skandinavische Diplomatie und auswärtige Politik, endlich ein skandinavisches Parlament ins Leben rufen. Wenn Dänmark auf diese Be¬ dingungen einginge, so sollte Schwedens und Norwegens Macht neben der inigen dafür einstehen, daß es gegen Süden hin seine nationale Grenze be¬ haupte, also irgendeine ihm günstige Theilungslinie durch Schleswig. Da von dieser wichtigen und interessanten Proposition einstweilen nichts bekannt geworden ist als der Kern ihres Inhalts, so fehlen noch die Mittel, um zu beurtheilen, in welcher Art dieselbe auf den Gang der Dinge im Ganzen einwirkte. Es ist aber auf alle Fälle wahrscheinlich, daß die damalige über¬ raschende Thätigkeit Rußlands auf die Nachricht von Schwedens kühnem Vor¬ haben zurückzuführen ist. Das Petersburger Cabinet, das sich bis dahin seiner gegenwärtigen allgemeinen Politik gemäß auch in der Schleswig-holsteinischen Sache beobachtend verhalten hatte, begann gegen Ende der londoner Con- fereiizen plötzlich sich eines Abschlusses anzunehmen, der es mindestens vor dem Aergsten bewahrte, vor der Verwirklichung der skandinavischen Idee. Der dänische Gesandte am russischen Hofe, Baron Otto Blessen, Bruder unseres Karl v. Scheel-Plessen und gleich diesem ein ausgemachter Deutschdäne, erschien urplötzlich in Kopenhagen, warnte den König vor den schwedischen Hintergedanken und bereitete den bald nachher eintretenden Ministerwechsel vor. der den Eider- dänen Monrad durch Bluhme. den alten Gesammtstaatsmann von europäischem Ansehen und Nus ersehe. Es wird wohl die Folge dieser russischen Sendung gewesen sein, was Christian den Neunten bestimmte, sich den wohl¬ wollenden Nachbar mit guter Manier vom Halse zu schaffen. Er drückte ihm den Wunsch aus, Holstein in das Schutz- und Trutz-Bündniß mit aufgenommen zu sehen. König Karl konnte nicht allein auf diese Erweiterung seines wohl¬ bemessenen Vorschlags nicht eingehen, weil sie an die Stelle eines erreichbaren Zieles ein ganz chimärisches setzte — er mußte daran auch erkennen, daß am dänischen Hofe der antiskandinavische Geist noch völlig obenauf sei, und brach da¬ her die Unterhandlungen ab. Natürlich auch in diesem Falle nur. um sie im ge' eigneten Augenblicke mit besseren Chancen wiederanzuknüpfen. Mit welchen Augen haben wir Deutschen nun diese Bestrebungen anzu- sehen? Sollen wir uns gegen sie einnehmen lassen, weil das sogenannte „Haus- deutschthum" in Kopenhagen, die Deutschdänen hüben und drüben den Star-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/518>, abgerufen am 29.06.2024.