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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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der Stadt Betylua (Letxlüa), welche den Zugang zu Jubela beherrscht, sich
tapfer zu wehren. Die Lage dieser sonst nie erwähnten Stadt ist nicht ganz
genau bekannt, doch erhellt aus den Angaben des Buches zur Genüge, daß
sie im nördlichen Samaria lag und einen wichtigen Punkt zum Widerstand
gegen die bildete, welche von der Ebene Jezreel (Esdrelon) in das Bergland
eindringen wollten^ um gegen Jerusalem zu ziehen.

Ganz Israel bereitet sich nicht blos mit irdischen, sondern auch mit geistigen
Waffen, Gebet und Fasten, zum Widerstände vor. Olopherncs ist über die
Widerspenstigkeit aufs höchste entrüstet. Er hält mit den Führern der Nachbar¬
völker, welche des Landes kundig sind, Kriegsrath. Hier entwickelt ihm nun
Achior, der Häuptling der Ammoniter (deren Land das der Juden im Osten
begrenzt) die Geschichte und die religiösen Verhältnisse der Jsraeliten. Er zeigt,
wie sich ihr nationales Glück und Unglück stets genau darnach richtet, ob sie
ihrem Gott treu sind oder nicht. Nur wenn sie gegen Gott gesündigt hätten,
sagt er, könnte Olophernes ihnen etwas anhaben; wo nicht, möge er von
seinem Unternehmen gegen sie abstehen, denn Gott werde sie dann schützen.
Diese Rede erregt den tiefsten Unwillen des Feldherrn und des Heeres. Olo¬
phernes, der keinen Gott als den Nebukadnezar anerkennt, befiehlt, den Achior
an die Juden auszuliefern, damit er ihr Schicksal theile und mit ihnen in
seine Hände zurückfalle, die ihn dann mitleidslos umbringen sollen. Er wird
daher in der Nähe der Festung gebunden; die Juden befreien ihn und nehmen
ihn zu sich.

Nun beginnt die Belagerung von Betylua. Auf den Rath der Nachbar¬
völker schneidet Olophernes den Bewohnern das Wasser ab und bringt sie da¬
durch in die äußerste Noth. Nach 34 Tagen geht ihnen das Wasser fast gänzlich
aus; das schmachtende Volk bestürmt die Leiter, an ihrer Spitze den Priester
Ozias, die Stadt dem Feinde zu übergeben, und letzterer versteht sich endlich
zu dem Versprechen, dies zu thun, wenn Gott nicht in den nächsten fünf
Tagen die Erlösung aus der Noth bringe, auf die er noch immer vertrauens¬
voll hofft.

Das hört Judith, eine schöne, reiche und überaus fromme Wittwe; sie
ruft die Obersten der Stadt zu sich, verweist ihnen ihre schwächliche Nachgiebig¬
keit gegen das Volk und bittet um Erlaubniß, in der Nacht aus der Stadt zu
gehn, da Gott dieser durch ihre Hand innerhalb der Frist Rettung bringen
werde; was sie vorhabe, könne sie aber nicht sagen. Ozias und die andern
entschuldigen sich und gehn auf ihre Bitte ein.

Nachdem sich Judith durch Fasten und Gebet vorbereitet hat, schmückt sie
sich aufs Schönste und wird in der Nacht mit ihrer Magd, welche einen Vor-
rath gesetzlich reiner Speisen bei sich trägt, aus der Stadt gelassen. Die
assyrischen Wachen halten sie an und führen sie auf ihr Begehren zum Olo.


der Stadt Betylua (Letxlüa), welche den Zugang zu Jubela beherrscht, sich
tapfer zu wehren. Die Lage dieser sonst nie erwähnten Stadt ist nicht ganz
genau bekannt, doch erhellt aus den Angaben des Buches zur Genüge, daß
sie im nördlichen Samaria lag und einen wichtigen Punkt zum Widerstand
gegen die bildete, welche von der Ebene Jezreel (Esdrelon) in das Bergland
eindringen wollten^ um gegen Jerusalem zu ziehen.

Ganz Israel bereitet sich nicht blos mit irdischen, sondern auch mit geistigen
Waffen, Gebet und Fasten, zum Widerstände vor. Olopherncs ist über die
Widerspenstigkeit aufs höchste entrüstet. Er hält mit den Führern der Nachbar¬
völker, welche des Landes kundig sind, Kriegsrath. Hier entwickelt ihm nun
Achior, der Häuptling der Ammoniter (deren Land das der Juden im Osten
begrenzt) die Geschichte und die religiösen Verhältnisse der Jsraeliten. Er zeigt,
wie sich ihr nationales Glück und Unglück stets genau darnach richtet, ob sie
ihrem Gott treu sind oder nicht. Nur wenn sie gegen Gott gesündigt hätten,
sagt er, könnte Olophernes ihnen etwas anhaben; wo nicht, möge er von
seinem Unternehmen gegen sie abstehen, denn Gott werde sie dann schützen.
Diese Rede erregt den tiefsten Unwillen des Feldherrn und des Heeres. Olo¬
phernes, der keinen Gott als den Nebukadnezar anerkennt, befiehlt, den Achior
an die Juden auszuliefern, damit er ihr Schicksal theile und mit ihnen in
seine Hände zurückfalle, die ihn dann mitleidslos umbringen sollen. Er wird
daher in der Nähe der Festung gebunden; die Juden befreien ihn und nehmen
ihn zu sich.

Nun beginnt die Belagerung von Betylua. Auf den Rath der Nachbar¬
völker schneidet Olophernes den Bewohnern das Wasser ab und bringt sie da¬
durch in die äußerste Noth. Nach 34 Tagen geht ihnen das Wasser fast gänzlich
aus; das schmachtende Volk bestürmt die Leiter, an ihrer Spitze den Priester
Ozias, die Stadt dem Feinde zu übergeben, und letzterer versteht sich endlich
zu dem Versprechen, dies zu thun, wenn Gott nicht in den nächsten fünf
Tagen die Erlösung aus der Noth bringe, auf die er noch immer vertrauens¬
voll hofft.

Das hört Judith, eine schöne, reiche und überaus fromme Wittwe; sie
ruft die Obersten der Stadt zu sich, verweist ihnen ihre schwächliche Nachgiebig¬
keit gegen das Volk und bittet um Erlaubniß, in der Nacht aus der Stadt zu
gehn, da Gott dieser durch ihre Hand innerhalb der Frist Rettung bringen
werde; was sie vorhabe, könne sie aber nicht sagen. Ozias und die andern
entschuldigen sich und gehn auf ihre Bitte ein.

Nachdem sich Judith durch Fasten und Gebet vorbereitet hat, schmückt sie
sich aufs Schönste und wird in der Nacht mit ihrer Magd, welche einen Vor-
rath gesetzlich reiner Speisen bei sich trägt, aus der Stadt gelassen. Die
assyrischen Wachen halten sie an und führen sie auf ihr Begehren zum Olo.


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[0480] der Stadt Betylua (Letxlüa), welche den Zugang zu Jubela beherrscht, sich tapfer zu wehren. Die Lage dieser sonst nie erwähnten Stadt ist nicht ganz genau bekannt, doch erhellt aus den Angaben des Buches zur Genüge, daß sie im nördlichen Samaria lag und einen wichtigen Punkt zum Widerstand gegen die bildete, welche von der Ebene Jezreel (Esdrelon) in das Bergland eindringen wollten^ um gegen Jerusalem zu ziehen. Ganz Israel bereitet sich nicht blos mit irdischen, sondern auch mit geistigen Waffen, Gebet und Fasten, zum Widerstände vor. Olopherncs ist über die Widerspenstigkeit aufs höchste entrüstet. Er hält mit den Führern der Nachbar¬ völker, welche des Landes kundig sind, Kriegsrath. Hier entwickelt ihm nun Achior, der Häuptling der Ammoniter (deren Land das der Juden im Osten begrenzt) die Geschichte und die religiösen Verhältnisse der Jsraeliten. Er zeigt, wie sich ihr nationales Glück und Unglück stets genau darnach richtet, ob sie ihrem Gott treu sind oder nicht. Nur wenn sie gegen Gott gesündigt hätten, sagt er, könnte Olophernes ihnen etwas anhaben; wo nicht, möge er von seinem Unternehmen gegen sie abstehen, denn Gott werde sie dann schützen. Diese Rede erregt den tiefsten Unwillen des Feldherrn und des Heeres. Olo¬ phernes, der keinen Gott als den Nebukadnezar anerkennt, befiehlt, den Achior an die Juden auszuliefern, damit er ihr Schicksal theile und mit ihnen in seine Hände zurückfalle, die ihn dann mitleidslos umbringen sollen. Er wird daher in der Nähe der Festung gebunden; die Juden befreien ihn und nehmen ihn zu sich. Nun beginnt die Belagerung von Betylua. Auf den Rath der Nachbar¬ völker schneidet Olophernes den Bewohnern das Wasser ab und bringt sie da¬ durch in die äußerste Noth. Nach 34 Tagen geht ihnen das Wasser fast gänzlich aus; das schmachtende Volk bestürmt die Leiter, an ihrer Spitze den Priester Ozias, die Stadt dem Feinde zu übergeben, und letzterer versteht sich endlich zu dem Versprechen, dies zu thun, wenn Gott nicht in den nächsten fünf Tagen die Erlösung aus der Noth bringe, auf die er noch immer vertrauens¬ voll hofft. Das hört Judith, eine schöne, reiche und überaus fromme Wittwe; sie ruft die Obersten der Stadt zu sich, verweist ihnen ihre schwächliche Nachgiebig¬ keit gegen das Volk und bittet um Erlaubniß, in der Nacht aus der Stadt zu gehn, da Gott dieser durch ihre Hand innerhalb der Frist Rettung bringen werde; was sie vorhabe, könne sie aber nicht sagen. Ozias und die andern entschuldigen sich und gehn auf ihre Bitte ein. Nachdem sich Judith durch Fasten und Gebet vorbereitet hat, schmückt sie sich aufs Schönste und wird in der Nacht mit ihrer Magd, welche einen Vor- rath gesetzlich reiner Speisen bei sich trägt, aus der Stadt gelassen. Die assyrischen Wachen halten sie an und führen sie auf ihr Begehren zum Olo.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/480>, abgerufen am 29.06.2024.