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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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der Menschlichkeit bei ihr in politischer Parteigesinnung erstickt wurden. Die
andere gefährliche Flanke unsrer Nordseeküste, Ostfriesland und die vorliegen¬
den Inseln, ist durch die Thätigkeit des ostfriesischen Vereins seit 1861 mit acht
Anstalten ausgerüstet, barunter sechs auf den Inseln. Noch im nämlichen Jahre
folgte Hamburg dem gegebenen Beispiel, wenig später auch Bremen. Aus
den angegebnen Ursachen hat jede der beiden Hansestädte bis jetzt nur zwei
Stationen zu gründen vermocht, und der bremer Verein überhaupt noch keine
Vollbrachte Rettung aufzuweisen, während dem ostfriesischen Verein doch schon
65. dem Hamburger Verein einige 20 Menschen ihr Leben danken. Die Absicht
des Hamburger Vereins, auf der wichtigen Insel Neuwerk eine Station zu er¬
richten, ist bisher daran gescheitert, daß dort nur drei Familien wohnen, darunter
vier Erwachsene, mit denen kein Rettungsboot zu bemannen ist. Hierher, oder
auf das erste Feuerschiff der Elbmündung. ebenso wie auf den bremer Leucht¬
thurm in der Wesermündung die nöthige Mannschaft zu legen würde die
nächste, aber auch eine ziemlich schwierige und kostspielige Aufgabe der beiden
hanseatischen Vereine gewesen sein, wenn das deutsche Rcttungswesen in seinem
bisherigen Gange verblieben wäre.

Dem sollte indessen zum Heile des Ganzen nicht so sein. Waren für den
bremer Verein die Aussichten auf reichliche unmittelbare Betheiligung am
Rettungswcrk der Natur der Dinge nach gering, so regten sich in ihm desto
kräftiger die patriotischen Wünsche nach einer allgemeineren Anregung der
Nation und nach Zusammenfassung der zerstreuten Kräfte. Die erste Kunde
von dem emdener Unternehmen hatte keineswegs gleich die ganze bremer
Kaufmannschaft mit dem Drange zu handeln ergriffen. Die Handelskammer,
damals mehr noch als jetzt die Vertreterin des vornehmen, alten Bremen,
lehnte jede Theilnahme an der Begründung eines Rettungsvereins ab. Als
das junge Bremen dennoch dazu schritt, veröffentlichte sie ein Gutachten des
Barsenmeisters, welches sich gegen das Unternehmen aussprach. Indessen hielten
die Vorurtheile nicht lange Stich, als die ersten erfolgreichen Rettungen des
ostfriesischen Vereins bekannt wurden und zum Wetteifer aufforderten. Die
Stimmung schlug bald vollständig um. Diejenigen, welche im Jahre 1862
alles thaten, um die Stiftung des bremer Vereins zu verhindern, reden sich
jetzt gern ein, sie hätten so nur gehandelt, weil sie schon damals von der Noth¬
wendigkeit eines allgemeinen deutschen Vereins durchdrungen gewesen seien. Indessen
überließen sie die Ausführung dieses Gebots der Nothwendigkeit ebenfalls denen,
welche sich durch den Klang der ersten Namen der Börse nicht hatten abschrecken
lassen, etwas Nützliches ins Werk zu setzen. Es war der Schriftführer des
Vereins und Redacteur des bremer Handelsblatts Dr. A. Emminghaus, von
dem die Idee einer zweckmäßigen Centralisation ausging. Seine Genossen
un Vorstand, vermöge ihrer meist anspruchslosen Stellung durch keine vermeint-


der Menschlichkeit bei ihr in politischer Parteigesinnung erstickt wurden. Die
andere gefährliche Flanke unsrer Nordseeküste, Ostfriesland und die vorliegen¬
den Inseln, ist durch die Thätigkeit des ostfriesischen Vereins seit 1861 mit acht
Anstalten ausgerüstet, barunter sechs auf den Inseln. Noch im nämlichen Jahre
folgte Hamburg dem gegebenen Beispiel, wenig später auch Bremen. Aus
den angegebnen Ursachen hat jede der beiden Hansestädte bis jetzt nur zwei
Stationen zu gründen vermocht, und der bremer Verein überhaupt noch keine
Vollbrachte Rettung aufzuweisen, während dem ostfriesischen Verein doch schon
65. dem Hamburger Verein einige 20 Menschen ihr Leben danken. Die Absicht
des Hamburger Vereins, auf der wichtigen Insel Neuwerk eine Station zu er¬
richten, ist bisher daran gescheitert, daß dort nur drei Familien wohnen, darunter
vier Erwachsene, mit denen kein Rettungsboot zu bemannen ist. Hierher, oder
auf das erste Feuerschiff der Elbmündung. ebenso wie auf den bremer Leucht¬
thurm in der Wesermündung die nöthige Mannschaft zu legen würde die
nächste, aber auch eine ziemlich schwierige und kostspielige Aufgabe der beiden
hanseatischen Vereine gewesen sein, wenn das deutsche Rcttungswesen in seinem
bisherigen Gange verblieben wäre.

Dem sollte indessen zum Heile des Ganzen nicht so sein. Waren für den
bremer Verein die Aussichten auf reichliche unmittelbare Betheiligung am
Rettungswcrk der Natur der Dinge nach gering, so regten sich in ihm desto
kräftiger die patriotischen Wünsche nach einer allgemeineren Anregung der
Nation und nach Zusammenfassung der zerstreuten Kräfte. Die erste Kunde
von dem emdener Unternehmen hatte keineswegs gleich die ganze bremer
Kaufmannschaft mit dem Drange zu handeln ergriffen. Die Handelskammer,
damals mehr noch als jetzt die Vertreterin des vornehmen, alten Bremen,
lehnte jede Theilnahme an der Begründung eines Rettungsvereins ab. Als
das junge Bremen dennoch dazu schritt, veröffentlichte sie ein Gutachten des
Barsenmeisters, welches sich gegen das Unternehmen aussprach. Indessen hielten
die Vorurtheile nicht lange Stich, als die ersten erfolgreichen Rettungen des
ostfriesischen Vereins bekannt wurden und zum Wetteifer aufforderten. Die
Stimmung schlug bald vollständig um. Diejenigen, welche im Jahre 1862
alles thaten, um die Stiftung des bremer Vereins zu verhindern, reden sich
jetzt gern ein, sie hätten so nur gehandelt, weil sie schon damals von der Noth¬
wendigkeit eines allgemeinen deutschen Vereins durchdrungen gewesen seien. Indessen
überließen sie die Ausführung dieses Gebots der Nothwendigkeit ebenfalls denen,
welche sich durch den Klang der ersten Namen der Börse nicht hatten abschrecken
lassen, etwas Nützliches ins Werk zu setzen. Es war der Schriftführer des
Vereins und Redacteur des bremer Handelsblatts Dr. A. Emminghaus, von
dem die Idee einer zweckmäßigen Centralisation ausging. Seine Genossen
un Vorstand, vermöge ihrer meist anspruchslosen Stellung durch keine vermeint-


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[0473] der Menschlichkeit bei ihr in politischer Parteigesinnung erstickt wurden. Die andere gefährliche Flanke unsrer Nordseeküste, Ostfriesland und die vorliegen¬ den Inseln, ist durch die Thätigkeit des ostfriesischen Vereins seit 1861 mit acht Anstalten ausgerüstet, barunter sechs auf den Inseln. Noch im nämlichen Jahre folgte Hamburg dem gegebenen Beispiel, wenig später auch Bremen. Aus den angegebnen Ursachen hat jede der beiden Hansestädte bis jetzt nur zwei Stationen zu gründen vermocht, und der bremer Verein überhaupt noch keine Vollbrachte Rettung aufzuweisen, während dem ostfriesischen Verein doch schon 65. dem Hamburger Verein einige 20 Menschen ihr Leben danken. Die Absicht des Hamburger Vereins, auf der wichtigen Insel Neuwerk eine Station zu er¬ richten, ist bisher daran gescheitert, daß dort nur drei Familien wohnen, darunter vier Erwachsene, mit denen kein Rettungsboot zu bemannen ist. Hierher, oder auf das erste Feuerschiff der Elbmündung. ebenso wie auf den bremer Leucht¬ thurm in der Wesermündung die nöthige Mannschaft zu legen würde die nächste, aber auch eine ziemlich schwierige und kostspielige Aufgabe der beiden hanseatischen Vereine gewesen sein, wenn das deutsche Rcttungswesen in seinem bisherigen Gange verblieben wäre. Dem sollte indessen zum Heile des Ganzen nicht so sein. Waren für den bremer Verein die Aussichten auf reichliche unmittelbare Betheiligung am Rettungswcrk der Natur der Dinge nach gering, so regten sich in ihm desto kräftiger die patriotischen Wünsche nach einer allgemeineren Anregung der Nation und nach Zusammenfassung der zerstreuten Kräfte. Die erste Kunde von dem emdener Unternehmen hatte keineswegs gleich die ganze bremer Kaufmannschaft mit dem Drange zu handeln ergriffen. Die Handelskammer, damals mehr noch als jetzt die Vertreterin des vornehmen, alten Bremen, lehnte jede Theilnahme an der Begründung eines Rettungsvereins ab. Als das junge Bremen dennoch dazu schritt, veröffentlichte sie ein Gutachten des Barsenmeisters, welches sich gegen das Unternehmen aussprach. Indessen hielten die Vorurtheile nicht lange Stich, als die ersten erfolgreichen Rettungen des ostfriesischen Vereins bekannt wurden und zum Wetteifer aufforderten. Die Stimmung schlug bald vollständig um. Diejenigen, welche im Jahre 1862 alles thaten, um die Stiftung des bremer Vereins zu verhindern, reden sich jetzt gern ein, sie hätten so nur gehandelt, weil sie schon damals von der Noth¬ wendigkeit eines allgemeinen deutschen Vereins durchdrungen gewesen seien. Indessen überließen sie die Ausführung dieses Gebots der Nothwendigkeit ebenfalls denen, welche sich durch den Klang der ersten Namen der Börse nicht hatten abschrecken lassen, etwas Nützliches ins Werk zu setzen. Es war der Schriftführer des Vereins und Redacteur des bremer Handelsblatts Dr. A. Emminghaus, von dem die Idee einer zweckmäßigen Centralisation ausging. Seine Genossen un Vorstand, vermöge ihrer meist anspruchslosen Stellung durch keine vermeint-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/473>, abgerufen am 28.09.2024.