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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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übernahm den Vortritt. Die Urheber des Versuchs aber kannten ihr Volk. Sie
vermieden es sorgsam, dem Unternehmen ein allgemeineres nationales Gepräge
zu geben. Vielmehr schnitten sie dasselbe ganz, auf der einen Seite nach dem
Provinzialparticularismus ihrer Landsleute, auf der anderen nach den Zuständen
des Staates zu, welchem sie angehörten. Wer möchte behaupten, daß sie da¬
mit Unrecht gethan hätten? Das Protectorat, welches sie dem König von
Hannover antrugen, verschaffte ihnen nicht blos eine werthvolle pccuniäre Unter¬
stützung, sondern auch jenen officiellen Nimbus und Credit, welcher z. B. dem
Oberzollinspector Breusing in Emden und dem Strandungscommissar Consul
Steinbömer in Norden gestattete, ihr.e Dienstreisen zur Inspection der Rettungs¬
stationen mitzubenutzen. Die Beschränkung des Unternehmens auf Ostfriesland
setzte die ostfriesische Provinziallandschaft in den Stand, dem Verein alljährlich
1000 Thaler oder die ungefähren Kosten der Anlage einer Rettungsstation zu
bewilligen. Sie sicherte ihm ferner eine Popularität in der Provinz, eine Hinge¬
bung der hauptsächlich betheiligten und in Anspruch zu nehmenden Kreise, welche
andernfalls leicht in Mißtrauen und Kälte hätte umschlagen können. So mag
man gern anerkennen, daß die Ostfriesen den rechten Weg einschlugen, als sie
zunächst für sich blieben, ihre eigne gefahrvolle und wrackreiche Küste mit Nettungs-
anstalten ausstatteten und sich im Uebrigen darauf beschränkten, nach den
Hansestädten Kenntniß von ihrem Vorhaben zu.geben.

Man hätte vielleicht erwarten sollen, daß es nicht nöthig gewesen wäre,
die reichen, lebensvollen Hansestädte über ein so wichtiges Mittel zum Schutze
ihrer Schifffahrt von einem so unbedeutenden Nebenplatze her wie Emden aufzu¬
klären. Zu' ihrer Entschuldigung läßt sich indessen sagen, daß vor ihnen kein
rechtes Feld der Wirksamkeit liegt und folglich ihrem Eifer die Herausforderung
fehlt. Das Gebiet der Städte ist klein; hart an der See hat Hamburg wie
Bremen nur einen einzigen Fleck Land zum Außenhafen, wozu bei Hamburg
noch die Zwcrginsel Neuwerk kommt. Die Mündungen der Elbe und der
Weser, an der die beiden Städte mit ihrer Staatshoheit und Verantwortlich¬
keit betheiligt sind, erfreuen sich theils an und für sich einer größeren Sicherheit
gegen Stürme als die umgebende offene See, theils sind sie durch Bedornung,
Befeuerung, Besetzung mit Lootskuttern und ähnlichen auf Posten stehenden
Schiffen bei weitem mehr gegen die Gefahr verderblicher Schiffbrüche geschützt.
Die bedrohlichen Gewässer für die ganze Menge der Schiffe, welche Hamburg
oder Bremen zum Ausgangs- oder Zielpunkt ihrer Fahrt nehmen, liegen z"
beiden Seiten, westlich von der Wesermündung und nördlich von der Elbmündung,
längs der ostfriesischen und längs der schleswigschen Küste. Die Sicherung der
letzteren gänzlich unterlassen zu haben, während Jütland ringsum mit einem Netze von
sechzehn Stationen versehen wurde, ist ein ewiger Vorwurf gegen die nationale
dänische Regierung von 1831--63, ein schlagender Beweis, daß die Forderungen


übernahm den Vortritt. Die Urheber des Versuchs aber kannten ihr Volk. Sie
vermieden es sorgsam, dem Unternehmen ein allgemeineres nationales Gepräge
zu geben. Vielmehr schnitten sie dasselbe ganz, auf der einen Seite nach dem
Provinzialparticularismus ihrer Landsleute, auf der anderen nach den Zuständen
des Staates zu, welchem sie angehörten. Wer möchte behaupten, daß sie da¬
mit Unrecht gethan hätten? Das Protectorat, welches sie dem König von
Hannover antrugen, verschaffte ihnen nicht blos eine werthvolle pccuniäre Unter¬
stützung, sondern auch jenen officiellen Nimbus und Credit, welcher z. B. dem
Oberzollinspector Breusing in Emden und dem Strandungscommissar Consul
Steinbömer in Norden gestattete, ihr.e Dienstreisen zur Inspection der Rettungs¬
stationen mitzubenutzen. Die Beschränkung des Unternehmens auf Ostfriesland
setzte die ostfriesische Provinziallandschaft in den Stand, dem Verein alljährlich
1000 Thaler oder die ungefähren Kosten der Anlage einer Rettungsstation zu
bewilligen. Sie sicherte ihm ferner eine Popularität in der Provinz, eine Hinge¬
bung der hauptsächlich betheiligten und in Anspruch zu nehmenden Kreise, welche
andernfalls leicht in Mißtrauen und Kälte hätte umschlagen können. So mag
man gern anerkennen, daß die Ostfriesen den rechten Weg einschlugen, als sie
zunächst für sich blieben, ihre eigne gefahrvolle und wrackreiche Küste mit Nettungs-
anstalten ausstatteten und sich im Uebrigen darauf beschränkten, nach den
Hansestädten Kenntniß von ihrem Vorhaben zu.geben.

Man hätte vielleicht erwarten sollen, daß es nicht nöthig gewesen wäre,
die reichen, lebensvollen Hansestädte über ein so wichtiges Mittel zum Schutze
ihrer Schifffahrt von einem so unbedeutenden Nebenplatze her wie Emden aufzu¬
klären. Zu' ihrer Entschuldigung läßt sich indessen sagen, daß vor ihnen kein
rechtes Feld der Wirksamkeit liegt und folglich ihrem Eifer die Herausforderung
fehlt. Das Gebiet der Städte ist klein; hart an der See hat Hamburg wie
Bremen nur einen einzigen Fleck Land zum Außenhafen, wozu bei Hamburg
noch die Zwcrginsel Neuwerk kommt. Die Mündungen der Elbe und der
Weser, an der die beiden Städte mit ihrer Staatshoheit und Verantwortlich¬
keit betheiligt sind, erfreuen sich theils an und für sich einer größeren Sicherheit
gegen Stürme als die umgebende offene See, theils sind sie durch Bedornung,
Befeuerung, Besetzung mit Lootskuttern und ähnlichen auf Posten stehenden
Schiffen bei weitem mehr gegen die Gefahr verderblicher Schiffbrüche geschützt.
Die bedrohlichen Gewässer für die ganze Menge der Schiffe, welche Hamburg
oder Bremen zum Ausgangs- oder Zielpunkt ihrer Fahrt nehmen, liegen z»
beiden Seiten, westlich von der Wesermündung und nördlich von der Elbmündung,
längs der ostfriesischen und längs der schleswigschen Küste. Die Sicherung der
letzteren gänzlich unterlassen zu haben, während Jütland ringsum mit einem Netze von
sechzehn Stationen versehen wurde, ist ein ewiger Vorwurf gegen die nationale
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/472>, abgerufen am 28.09.2024.