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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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lich staatsmännischen Bedenken gehindert, sich dem Zuge seiner Begeisterung an¬
zuschließen, boten ihm aufs willigste die Hand. Zunächst erging also im vorigen
Herbste an den ostfriesischen und den Hamburger Verein die Einladung, in
Gemeinschaft mit dem bremer Verein zur Bildung einer allgemeinen deutschen
Rettungsgesellschaft zu schreiten. Aber beide Nachbarvereine lehnten ab: der
ostfriesische unter Berufung auf seinen in der That eigenthümlichen Standpunkt,
der Hamburger anfangs ohne alle Angabe von Gründen. Es scheint, daß der
in Hamburg vorhandenen Unlust die Ablehnung des ostfriesischen Vereins vollends
die Oberhand verschaffte. Man hätte sonst in der Unmöglichkeit, die dem
Hamburger Verkehr so gefährlichen Gewässer der schleswigschen Westküste von
Hamburg aus mit Stationen, ja selbst nur die Hamburger Insel Neuwerk mit
der erforderlichen Mannschaft auszustatten, wahrhaftig Beweggründe genug
gehabt, den bremer Plan nicht so lakonisch von der Hand zu weisen, sondern
mindestens doch einmal gemeinschaftlich in Betracht zu ziehen. Zu dem Letzten
wäre es wohl unter allen Umständen auch gekommen, hätten die Bremer einige
der Matadore ihrer Börse unter sich gehabt. Das Fehlen fast aller derartigen
Namen konnte kaum umhin, in Hamburg gewisse Bedenken zu erwecken. Da
man diesen aber alsbald die stärkste Wirkung gab, die Verhandlungen nicht so¬
wohl abbrach als gar nicht erst einmal anknüpfte, so beraubte man sich jeder
Gelegenheit zu erkennen, daß bei dem bremer Vorschlage nicht ein kleinlicher,
vaterstädtischer oder gar persönlicher Ehrgeiz, nicht eine avstracte theoretische Be¬
geisterung, sondern thatkräftige Vaterlands- und Menschenliebe verbunden mit
tüchtiger Kenntniß der Sache in ihrem ganzen Umfang die Triebfeder sei.

In Bremen brauchte man sich übrigens durch die motivirte Ablehnung der Ost¬
friesen und durch die unmotivirte der Hamburger nicht entmuthigen zu lassen.
Man begegnete dafür in andern, unbefangeneren Kreisen einer desto wärmeren
Theilnahme. Tief ins Binnenland hinein, bis nach Leipzig und Elberfeld,
antwortete dem noch nicht einmal an das große Publicum.gerichteten Aufruf
ein lebhafter Widerhall. Man forderte die bremer Patrioten auf, ihren
edlen Gedanken der ersten abschlägigen Antworten halber nicht unter den
Scheffel zu stellen. Und was das Erfreulichste, wie das Werthvollste war-
beinah gleichzeitig mit dem or. Emminghaus hatte noch ein andrer that¬
kräftiger Mann, der preußische Corvettencapitän Werner die Idee eines deutschen
Centralvereins ergriffen. Er bestimmte die Redaction des Unterhaltungsblattes
"Daheim", einen Aufruf zu Beiträgen zu veröffentlichen, der verhältnißmäßig
reichliche Früchte trug, -- regte in Magdeburg, Halberstadt und andern Binnen¬
städten ein näheres Interesse an der Sache an, -- rief schließlich in Stettin
und Danzig den Entschluß ins Leben, auf die Spur der drei Nordsecvcreine
zu treten, aber mit stetem Hinblick auf das Ziel eines nationalen Hauptvcreins,
dessen Unentbehrlichkeit er im "Daheim" schlagend nachwies, literarisch unter-


lich staatsmännischen Bedenken gehindert, sich dem Zuge seiner Begeisterung an¬
zuschließen, boten ihm aufs willigste die Hand. Zunächst erging also im vorigen
Herbste an den ostfriesischen und den Hamburger Verein die Einladung, in
Gemeinschaft mit dem bremer Verein zur Bildung einer allgemeinen deutschen
Rettungsgesellschaft zu schreiten. Aber beide Nachbarvereine lehnten ab: der
ostfriesische unter Berufung auf seinen in der That eigenthümlichen Standpunkt,
der Hamburger anfangs ohne alle Angabe von Gründen. Es scheint, daß der
in Hamburg vorhandenen Unlust die Ablehnung des ostfriesischen Vereins vollends
die Oberhand verschaffte. Man hätte sonst in der Unmöglichkeit, die dem
Hamburger Verkehr so gefährlichen Gewässer der schleswigschen Westküste von
Hamburg aus mit Stationen, ja selbst nur die Hamburger Insel Neuwerk mit
der erforderlichen Mannschaft auszustatten, wahrhaftig Beweggründe genug
gehabt, den bremer Plan nicht so lakonisch von der Hand zu weisen, sondern
mindestens doch einmal gemeinschaftlich in Betracht zu ziehen. Zu dem Letzten
wäre es wohl unter allen Umständen auch gekommen, hätten die Bremer einige
der Matadore ihrer Börse unter sich gehabt. Das Fehlen fast aller derartigen
Namen konnte kaum umhin, in Hamburg gewisse Bedenken zu erwecken. Da
man diesen aber alsbald die stärkste Wirkung gab, die Verhandlungen nicht so¬
wohl abbrach als gar nicht erst einmal anknüpfte, so beraubte man sich jeder
Gelegenheit zu erkennen, daß bei dem bremer Vorschlage nicht ein kleinlicher,
vaterstädtischer oder gar persönlicher Ehrgeiz, nicht eine avstracte theoretische Be¬
geisterung, sondern thatkräftige Vaterlands- und Menschenliebe verbunden mit
tüchtiger Kenntniß der Sache in ihrem ganzen Umfang die Triebfeder sei.

In Bremen brauchte man sich übrigens durch die motivirte Ablehnung der Ost¬
friesen und durch die unmotivirte der Hamburger nicht entmuthigen zu lassen.
Man begegnete dafür in andern, unbefangeneren Kreisen einer desto wärmeren
Theilnahme. Tief ins Binnenland hinein, bis nach Leipzig und Elberfeld,
antwortete dem noch nicht einmal an das große Publicum.gerichteten Aufruf
ein lebhafter Widerhall. Man forderte die bremer Patrioten auf, ihren
edlen Gedanken der ersten abschlägigen Antworten halber nicht unter den
Scheffel zu stellen. Und was das Erfreulichste, wie das Werthvollste war-
beinah gleichzeitig mit dem or. Emminghaus hatte noch ein andrer that¬
kräftiger Mann, der preußische Corvettencapitän Werner die Idee eines deutschen
Centralvereins ergriffen. Er bestimmte die Redaction des Unterhaltungsblattes
„Daheim", einen Aufruf zu Beiträgen zu veröffentlichen, der verhältnißmäßig
reichliche Früchte trug, — regte in Magdeburg, Halberstadt und andern Binnen¬
städten ein näheres Interesse an der Sache an, — rief schließlich in Stettin
und Danzig den Entschluß ins Leben, auf die Spur der drei Nordsecvcreine
zu treten, aber mit stetem Hinblick auf das Ziel eines nationalen Hauptvcreins,
dessen Unentbehrlichkeit er im „Daheim" schlagend nachwies, literarisch unter-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/474>, abgerufen am 28.09.2024.