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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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oder Hannoveraner, sondern der königlich preußische Corvcttencapitän Werner.
Da Raketenmörser und Frcmcisboote doch nicht in Actenkästen verschlossen zu
halten sind, sondern leidlich geräumiger Schuppen bedürfen, die bei der Zahl
von neunzehn auch wohl nicht alle in Einöden und Wäldern versteckt liegen
werden, so ist es noch immer räthselhaft, wie ihre Existenz sich selbst in den
Mittelpunkten des preußischen Seehandels so lange jeder allgemeineren Kunde
hat entziehen können, -- räthselhaft sogar dann noch, wenn man annehmen
wollte, sie seien niemals mit der nöthigen Mannschaft ausgestattet, geschweige
denn im Stande gewesen, einen schiffbrüchigen Menschen zu retten. Was aber
von der preußischen Negierung immerhin überrascht, das lautet nur natürlich
von der mecklenburgischen Regierung. Auch von dieser hat die Welt erst in
Kiel ohne ihr Zuthun erfahren, daß sie auf Fischland, einem zum großherzog-
lichen Domanium gehörenden Küstenstrich, ein Rettungsboot, und zwar ein
Peakesches, aufgestellt habe. Wir haben also zwanzig von Staatswegen er¬
richtete Rcttungsanstalten, welche so gut wie niemand kennen würde, hätten
nicht eifrige Patrioten auf eigne Faust sie erst entdeckt und dann öffentlich be¬
kannt gemacht. Dies genügt vollkommen, um die Fähigkeit unsrer Regierungen
ZU solchen Unternehmungen im Allgemeinen darzuthun. Boote und Mörser,
im Schuppen verschlossen, sind doch keine Leuchtthürme, daß sie jedem ins Auge
strahlten, der überhaupt sehen kann, und selbst von Leuchtfeuern gilt die all¬
gemeine Bekanntheit in der seefahrenden Welt als ein nothwendiges, unent¬
behrliches Zubehör. Wenn ein Schiff in Sturm oder unbekanntes Fahrwasser
längs einer Küste geräth, so ist es ihm vom höchsten Werthe, zu wissen, wo
es auf den Beistand einer wohlausgerüsteten und bereiten Rettungsmannschaft
ZU rechnen hat. Aber noch aus einem anderen Grunde bedarf das Nettungs-
wcsen der größten Oeffentlichkeit: wegen des unersetzlichen Antriebes für die
zum Retten taugliche Mannschaft, der in der öffentlichen Theilnahme an ihrem
mühevollen und gefährlichen Handwerk liegt. Ein geheimes Rettungswescn
taugt für ein Land ungefähr ebensoviel wie ein geheimes Feuerlöschwesen für
eine Stadt taugen würde. Sollte daher in Deutschland aus der Sache etwas
werden, so müßte sie dem Staate, der Geheimnißkrämerei der Bureaukratie aus der
Hand genommen werden, zumal bis heute nur die Nation als solche, unab¬
hängig von den einzelnen Staaten, in welche sie zerfällt, sich im Stande er¬
wiesen hat, neue organische Aufgaben im Sinne der Centralisation und nationalen
Einheit zu lösen.

Es war Ende 1860 oder Anfang 1861. als der erste thatkräftige Versuch
von Privatpersonen zur Einbürgerung der englischen Rettungsanstalten in
Deutschland gemacht wurde. Ein Landstrich, der bis dahin durch keinerlei
patriotische oder praktisch-politische Initiative, sondern eher durch kalte, zähe
Ablehnung alles Positiven geglänzt hatte, die hannöversche Provinz Ostfriesland,


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oder Hannoveraner, sondern der königlich preußische Corvcttencapitän Werner.
Da Raketenmörser und Frcmcisboote doch nicht in Actenkästen verschlossen zu
halten sind, sondern leidlich geräumiger Schuppen bedürfen, die bei der Zahl
von neunzehn auch wohl nicht alle in Einöden und Wäldern versteckt liegen
werden, so ist es noch immer räthselhaft, wie ihre Existenz sich selbst in den
Mittelpunkten des preußischen Seehandels so lange jeder allgemeineren Kunde
hat entziehen können, — räthselhaft sogar dann noch, wenn man annehmen
wollte, sie seien niemals mit der nöthigen Mannschaft ausgestattet, geschweige
denn im Stande gewesen, einen schiffbrüchigen Menschen zu retten. Was aber
von der preußischen Negierung immerhin überrascht, das lautet nur natürlich
von der mecklenburgischen Regierung. Auch von dieser hat die Welt erst in
Kiel ohne ihr Zuthun erfahren, daß sie auf Fischland, einem zum großherzog-
lichen Domanium gehörenden Küstenstrich, ein Rettungsboot, und zwar ein
Peakesches, aufgestellt habe. Wir haben also zwanzig von Staatswegen er¬
richtete Rcttungsanstalten, welche so gut wie niemand kennen würde, hätten
nicht eifrige Patrioten auf eigne Faust sie erst entdeckt und dann öffentlich be¬
kannt gemacht. Dies genügt vollkommen, um die Fähigkeit unsrer Regierungen
ZU solchen Unternehmungen im Allgemeinen darzuthun. Boote und Mörser,
im Schuppen verschlossen, sind doch keine Leuchtthürme, daß sie jedem ins Auge
strahlten, der überhaupt sehen kann, und selbst von Leuchtfeuern gilt die all¬
gemeine Bekanntheit in der seefahrenden Welt als ein nothwendiges, unent¬
behrliches Zubehör. Wenn ein Schiff in Sturm oder unbekanntes Fahrwasser
längs einer Küste geräth, so ist es ihm vom höchsten Werthe, zu wissen, wo
es auf den Beistand einer wohlausgerüsteten und bereiten Rettungsmannschaft
ZU rechnen hat. Aber noch aus einem anderen Grunde bedarf das Nettungs-
wcsen der größten Oeffentlichkeit: wegen des unersetzlichen Antriebes für die
zum Retten taugliche Mannschaft, der in der öffentlichen Theilnahme an ihrem
mühevollen und gefährlichen Handwerk liegt. Ein geheimes Rettungswescn
taugt für ein Land ungefähr ebensoviel wie ein geheimes Feuerlöschwesen für
eine Stadt taugen würde. Sollte daher in Deutschland aus der Sache etwas
werden, so müßte sie dem Staate, der Geheimnißkrämerei der Bureaukratie aus der
Hand genommen werden, zumal bis heute nur die Nation als solche, unab¬
hängig von den einzelnen Staaten, in welche sie zerfällt, sich im Stande er¬
wiesen hat, neue organische Aufgaben im Sinne der Centralisation und nationalen
Einheit zu lösen.

Es war Ende 1860 oder Anfang 1861. als der erste thatkräftige Versuch
von Privatpersonen zur Einbürgerung der englischen Rettungsanstalten in
Deutschland gemacht wurde. Ein Landstrich, der bis dahin durch keinerlei
patriotische oder praktisch-politische Initiative, sondern eher durch kalte, zähe
Ablehnung alles Positiven geglänzt hatte, die hannöversche Provinz Ostfriesland,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/471>, abgerufen am 12.12.2024.