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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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dem Standpunkte der Kongregation aus dieser Inhalt sein mochte, die Correct-
heit der Form mußte dem Buche Sicherheit gewähren. Außer einer Vorrede,
in welcher ausdrücklich hervorgehoben wurde, der Zweck des Werkes sei die
Beweisführung von der Richtigkeit de^s ptolemäischen Systems gegenüber von
dem durchaus verwerflichen und auch mit Fug und Recht von der heiligen
Congregation verworfenen Systeme des Kopernikus, außer dieser Vorrede diente
dem Werke ein doppeltes Imprimatur zum Schutze, das des florentinischen wie
des römischen Censors. Beide hatten demnach die Gespräche einer Prüfung
unterzogen und nichts darin gesunden, was nicht hätte gedruckt werden dürfen.

Wir können sogar mit Wahrscheinlichkeit die Druckerlaubniß noch zu einer
höheren Instanz hinauf verfolgen. Der römische Censor, Palastmeister Riccardi,
erklärte am 23. April 1633 (M. 127), er habe das Imprimatur nur im Ein¬
verständnisse mit seiner Heiligkeit selbst ertheilt, er wies ein diese Aussage be¬
stätigendes Billet des päpstlichen Privatsecretärs Ciampoli vor, das dieser in
der persönlichen Gegenwart von Urban dem Achten geschrieben haben will.
Und wenn auch der Papst später die Wahrheit dieser Aussagen in Abrede stellte,
wenn Riccardi und Ciampoli ihrer Stellen deshalb entsetzt wurden (M. 113),
so scheinen sie doch weit eher bestraft worden zu sein, weil sie 1633 die Wahr¬
heit sagten, als weil sie 1632 eigenmächtig gehandelt hatten. Dann erscheint
aber auch die Vorrede in ganz anderem Lichte, welche Riccardi mit einem
Briefe vom 19. Juli 1631 von Rom nach Florenz schickte (M. 114), und als
ausdrückliche Bedingung zur Erlangung der Druckerlaubniß es angab, daß jene
Vorrede dem Werte vorangeschickt werde, eine Vorrede, die somit möglicherweise
auch bis auf Urban den Achten zurückzuführen ist. Jedenfalls verschwindet
damit der Vorwurf der Feigheit, den man Galilei wohl mitunter darüber ge¬
macht hat, daß er in der Vorrede Heuchlerischerweiseden entgegengesetzten Zweck
angegeben habe, als den er eigentlich im Auge hatte. Und von diesem Ge¬
sichtspunkte aus ist auch zu würdigen, was H. Vosen (S. 21) sagt: "Man
fühlte sehr begreiflichen Unwillen über solch eine listig ausgedachte Form, den
Weisungen der kirchlichen Autorität zu entwischen, die fast wie absichtliche Ver¬
höhnung dieser Autorität erschien. Kein Wunder also, daß man die Gefährlich¬
keit eines solchen Beispiels um so höher anschlug, je bedeutender der Mann
war, von welchem es ausging, und dergleichen nicht ohne nachdrückliche Rüge
lassen zu dürfen glaubte."

Das konnte der wahre Grund nicht sein zu dem Prvceßverfahren, welches
jetzt gegen Galilei eingeleitet wurde; das war nur eine Art von Vorwand, den
man benutzte, ebenso wie es nur ein Vorwand war, daß man jetzt auf das an
Galilei persönlich erlassene Verbot Von 1616 zurückgriff. Hatte er sich durch
Übertretung desselben strafbar gemacht, nun so war diese Uebertretung schon im
Saggiatore vorhanden, so mußte schon damals eingeschritten werden. Was


dem Standpunkte der Kongregation aus dieser Inhalt sein mochte, die Correct-
heit der Form mußte dem Buche Sicherheit gewähren. Außer einer Vorrede,
in welcher ausdrücklich hervorgehoben wurde, der Zweck des Werkes sei die
Beweisführung von der Richtigkeit de^s ptolemäischen Systems gegenüber von
dem durchaus verwerflichen und auch mit Fug und Recht von der heiligen
Congregation verworfenen Systeme des Kopernikus, außer dieser Vorrede diente
dem Werke ein doppeltes Imprimatur zum Schutze, das des florentinischen wie
des römischen Censors. Beide hatten demnach die Gespräche einer Prüfung
unterzogen und nichts darin gesunden, was nicht hätte gedruckt werden dürfen.

Wir können sogar mit Wahrscheinlichkeit die Druckerlaubniß noch zu einer
höheren Instanz hinauf verfolgen. Der römische Censor, Palastmeister Riccardi,
erklärte am 23. April 1633 (M. 127), er habe das Imprimatur nur im Ein¬
verständnisse mit seiner Heiligkeit selbst ertheilt, er wies ein diese Aussage be¬
stätigendes Billet des päpstlichen Privatsecretärs Ciampoli vor, das dieser in
der persönlichen Gegenwart von Urban dem Achten geschrieben haben will.
Und wenn auch der Papst später die Wahrheit dieser Aussagen in Abrede stellte,
wenn Riccardi und Ciampoli ihrer Stellen deshalb entsetzt wurden (M. 113),
so scheinen sie doch weit eher bestraft worden zu sein, weil sie 1633 die Wahr¬
heit sagten, als weil sie 1632 eigenmächtig gehandelt hatten. Dann erscheint
aber auch die Vorrede in ganz anderem Lichte, welche Riccardi mit einem
Briefe vom 19. Juli 1631 von Rom nach Florenz schickte (M. 114), und als
ausdrückliche Bedingung zur Erlangung der Druckerlaubniß es angab, daß jene
Vorrede dem Werte vorangeschickt werde, eine Vorrede, die somit möglicherweise
auch bis auf Urban den Achten zurückzuführen ist. Jedenfalls verschwindet
damit der Vorwurf der Feigheit, den man Galilei wohl mitunter darüber ge¬
macht hat, daß er in der Vorrede Heuchlerischerweiseden entgegengesetzten Zweck
angegeben habe, als den er eigentlich im Auge hatte. Und von diesem Ge¬
sichtspunkte aus ist auch zu würdigen, was H. Vosen (S. 21) sagt: „Man
fühlte sehr begreiflichen Unwillen über solch eine listig ausgedachte Form, den
Weisungen der kirchlichen Autorität zu entwischen, die fast wie absichtliche Ver¬
höhnung dieser Autorität erschien. Kein Wunder also, daß man die Gefährlich¬
keit eines solchen Beispiels um so höher anschlug, je bedeutender der Mann
war, von welchem es ausging, und dergleichen nicht ohne nachdrückliche Rüge
lassen zu dürfen glaubte."

Das konnte der wahre Grund nicht sein zu dem Prvceßverfahren, welches
jetzt gegen Galilei eingeleitet wurde; das war nur eine Art von Vorwand, den
man benutzte, ebenso wie es nur ein Vorwand war, daß man jetzt auf das an
Galilei persönlich erlassene Verbot Von 1616 zurückgriff. Hatte er sich durch
Übertretung desselben strafbar gemacht, nun so war diese Uebertretung schon im
Saggiatore vorhanden, so mußte schon damals eingeschritten werden. Was


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[0456] dem Standpunkte der Kongregation aus dieser Inhalt sein mochte, die Correct- heit der Form mußte dem Buche Sicherheit gewähren. Außer einer Vorrede, in welcher ausdrücklich hervorgehoben wurde, der Zweck des Werkes sei die Beweisführung von der Richtigkeit de^s ptolemäischen Systems gegenüber von dem durchaus verwerflichen und auch mit Fug und Recht von der heiligen Congregation verworfenen Systeme des Kopernikus, außer dieser Vorrede diente dem Werke ein doppeltes Imprimatur zum Schutze, das des florentinischen wie des römischen Censors. Beide hatten demnach die Gespräche einer Prüfung unterzogen und nichts darin gesunden, was nicht hätte gedruckt werden dürfen. Wir können sogar mit Wahrscheinlichkeit die Druckerlaubniß noch zu einer höheren Instanz hinauf verfolgen. Der römische Censor, Palastmeister Riccardi, erklärte am 23. April 1633 (M. 127), er habe das Imprimatur nur im Ein¬ verständnisse mit seiner Heiligkeit selbst ertheilt, er wies ein diese Aussage be¬ stätigendes Billet des päpstlichen Privatsecretärs Ciampoli vor, das dieser in der persönlichen Gegenwart von Urban dem Achten geschrieben haben will. Und wenn auch der Papst später die Wahrheit dieser Aussagen in Abrede stellte, wenn Riccardi und Ciampoli ihrer Stellen deshalb entsetzt wurden (M. 113), so scheinen sie doch weit eher bestraft worden zu sein, weil sie 1633 die Wahr¬ heit sagten, als weil sie 1632 eigenmächtig gehandelt hatten. Dann erscheint aber auch die Vorrede in ganz anderem Lichte, welche Riccardi mit einem Briefe vom 19. Juli 1631 von Rom nach Florenz schickte (M. 114), und als ausdrückliche Bedingung zur Erlangung der Druckerlaubniß es angab, daß jene Vorrede dem Werte vorangeschickt werde, eine Vorrede, die somit möglicherweise auch bis auf Urban den Achten zurückzuführen ist. Jedenfalls verschwindet damit der Vorwurf der Feigheit, den man Galilei wohl mitunter darüber ge¬ macht hat, daß er in der Vorrede Heuchlerischerweiseden entgegengesetzten Zweck angegeben habe, als den er eigentlich im Auge hatte. Und von diesem Ge¬ sichtspunkte aus ist auch zu würdigen, was H. Vosen (S. 21) sagt: „Man fühlte sehr begreiflichen Unwillen über solch eine listig ausgedachte Form, den Weisungen der kirchlichen Autorität zu entwischen, die fast wie absichtliche Ver¬ höhnung dieser Autorität erschien. Kein Wunder also, daß man die Gefährlich¬ keit eines solchen Beispiels um so höher anschlug, je bedeutender der Mann war, von welchem es ausging, und dergleichen nicht ohne nachdrückliche Rüge lassen zu dürfen glaubte." Das konnte der wahre Grund nicht sein zu dem Prvceßverfahren, welches jetzt gegen Galilei eingeleitet wurde; das war nur eine Art von Vorwand, den man benutzte, ebenso wie es nur ein Vorwand war, daß man jetzt auf das an Galilei persönlich erlassene Verbot Von 1616 zurückgriff. Hatte er sich durch Übertretung desselben strafbar gemacht, nun so war diese Uebertretung schon im Saggiatore vorhanden, so mußte schon damals eingeschritten werden. Was

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/456>, abgerufen am 29.06.2024.