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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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oder vorhanden geglaubte Gefahr für den rechtmäßigen Glauben. Es zeigt
daß Pater Gremberger die Wahrheit, sagte, wenn er noch 1634 sich äußerte:
"Hätte Galilei sich die Freundschaft der Väter des Jesuitencollegiums zu be¬
wahren gewußt, so würde er ruhmvoll vor der Welt dastehen und hätte nichts
von all dem Mißgeschick erlitten, und es hätte ihm freigestanden, nach Gut¬
dünken über alle und jede Materie zu schreiben, selbst über die Erdbewegung."
(Neumond S. 410.)

Freilich nachdem am 26. Februar jenes Verbot an Galilei ergangen war,
konnte man nicht umhin, auch das Werk zu verurtheilen, aus welchem Galilei
nur die strengen Folgerungen gezogen hatte, und so wurde am 5. März das
Hauptwerk des Copernicus selbst auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt,
bis es Aenderungen erfahren haben würde. Diese Aenderungen, vom Cardinal
Gaetani herrührend (M. 98) erschienen den 16. Mai 1620 und bestanden ein¬
fach darin, daß die Behauptungen des Copernicus in Hypothesen umgewandelt
wurden, während die eigentliche Beweisführung unangetastet blieb.

Ursprung und Bedeutung dieser Veränderungen sind leicht ersichtlich. Schon
als 1343 das Buch des Copernicus erschien mit der beiden bestehenden con-
fessionellen Richtungen innerhalb des Christenthums Genüge leistenden, doppel¬
ten Empfehlung, der Widmung an Papst Paul den Dritten und der Herausgabe
durch Andreas Osiander, schon damals mochte eben dieser Herausgeber die
Wirkung ahnen, welche das gewaltige Buch auf ängstliche Gemüther machen
konnte. Osiander schickte deshalb eine Vorrede voraus, in welcher mit Rücksicht
auf den allgemeinen Gebrauch der Astronomen Hypothesen aufzustellen, auf
deren Wahrheit es nicht gerade ankomme, wenn sie nur der mathematischen
Beweisführung Dienste leisteten, auch die Lehre von der Bewegung der Eröe
als eine derartige Hypothese dargestellt war. In ähnlicher Weise hatte Masfeo
Barberini dem Galilei den Rath gegeben in hypothetischer Form zu schreiben,
und vor allen Dingen die heilige Schrift aus dem Spiele zu lassen. In diesem
Sinne waren also die Veränderungen, zu welchen Cardinal Gaetani ganze vier Jahre
nöthig hatte, während ebensoviele Stunden dazu genügt hätten; ein sicherer Beweis,
daß dieser Rückzug des heiligen Osficiums nach dem Beschlusse vom 6. März
1616 nicht so leichthin angetreten wurde, sondern jedenfalls den Kampf der
verschiedenen Einflüsse bezeugt, der mit dem Siege der freieren barberinischen
Anschauung endigte; eine Anschauung, die in noch liberalerer Weise in jenen
Worten des Kardinals Baronio sich kundgiebt: "der heilige Geist habe uns
lehren wollen, wie man zum Himmel gelange, nicht wie die Himmelskörper sich
bewegten". (M. 53.)

Bis zum Jahre 1623 Verharrte Galilei der Oeffentlichkeit gegenüber in
Stillschweigen, wenn er auch insgeheim nicht unthätig war, vielmehr alles zu
einem entscheidenden Streiche gegen seine Feinde vorbereitete, sobald eine günstige


oder vorhanden geglaubte Gefahr für den rechtmäßigen Glauben. Es zeigt
daß Pater Gremberger die Wahrheit, sagte, wenn er noch 1634 sich äußerte:
„Hätte Galilei sich die Freundschaft der Väter des Jesuitencollegiums zu be¬
wahren gewußt, so würde er ruhmvoll vor der Welt dastehen und hätte nichts
von all dem Mißgeschick erlitten, und es hätte ihm freigestanden, nach Gut¬
dünken über alle und jede Materie zu schreiben, selbst über die Erdbewegung."
(Neumond S. 410.)

Freilich nachdem am 26. Februar jenes Verbot an Galilei ergangen war,
konnte man nicht umhin, auch das Werk zu verurtheilen, aus welchem Galilei
nur die strengen Folgerungen gezogen hatte, und so wurde am 5. März das
Hauptwerk des Copernicus selbst auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt,
bis es Aenderungen erfahren haben würde. Diese Aenderungen, vom Cardinal
Gaetani herrührend (M. 98) erschienen den 16. Mai 1620 und bestanden ein¬
fach darin, daß die Behauptungen des Copernicus in Hypothesen umgewandelt
wurden, während die eigentliche Beweisführung unangetastet blieb.

Ursprung und Bedeutung dieser Veränderungen sind leicht ersichtlich. Schon
als 1343 das Buch des Copernicus erschien mit der beiden bestehenden con-
fessionellen Richtungen innerhalb des Christenthums Genüge leistenden, doppel¬
ten Empfehlung, der Widmung an Papst Paul den Dritten und der Herausgabe
durch Andreas Osiander, schon damals mochte eben dieser Herausgeber die
Wirkung ahnen, welche das gewaltige Buch auf ängstliche Gemüther machen
konnte. Osiander schickte deshalb eine Vorrede voraus, in welcher mit Rücksicht
auf den allgemeinen Gebrauch der Astronomen Hypothesen aufzustellen, auf
deren Wahrheit es nicht gerade ankomme, wenn sie nur der mathematischen
Beweisführung Dienste leisteten, auch die Lehre von der Bewegung der Eröe
als eine derartige Hypothese dargestellt war. In ähnlicher Weise hatte Masfeo
Barberini dem Galilei den Rath gegeben in hypothetischer Form zu schreiben,
und vor allen Dingen die heilige Schrift aus dem Spiele zu lassen. In diesem
Sinne waren also die Veränderungen, zu welchen Cardinal Gaetani ganze vier Jahre
nöthig hatte, während ebensoviele Stunden dazu genügt hätten; ein sicherer Beweis,
daß dieser Rückzug des heiligen Osficiums nach dem Beschlusse vom 6. März
1616 nicht so leichthin angetreten wurde, sondern jedenfalls den Kampf der
verschiedenen Einflüsse bezeugt, der mit dem Siege der freieren barberinischen
Anschauung endigte; eine Anschauung, die in noch liberalerer Weise in jenen
Worten des Kardinals Baronio sich kundgiebt: „der heilige Geist habe uns
lehren wollen, wie man zum Himmel gelange, nicht wie die Himmelskörper sich
bewegten". (M. 53.)

Bis zum Jahre 1623 Verharrte Galilei der Oeffentlichkeit gegenüber in
Stillschweigen, wenn er auch insgeheim nicht unthätig war, vielmehr alles zu
einem entscheidenden Streiche gegen seine Feinde vorbereitete, sobald eine günstige


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[0454] oder vorhanden geglaubte Gefahr für den rechtmäßigen Glauben. Es zeigt daß Pater Gremberger die Wahrheit, sagte, wenn er noch 1634 sich äußerte: „Hätte Galilei sich die Freundschaft der Väter des Jesuitencollegiums zu be¬ wahren gewußt, so würde er ruhmvoll vor der Welt dastehen und hätte nichts von all dem Mißgeschick erlitten, und es hätte ihm freigestanden, nach Gut¬ dünken über alle und jede Materie zu schreiben, selbst über die Erdbewegung." (Neumond S. 410.) Freilich nachdem am 26. Februar jenes Verbot an Galilei ergangen war, konnte man nicht umhin, auch das Werk zu verurtheilen, aus welchem Galilei nur die strengen Folgerungen gezogen hatte, und so wurde am 5. März das Hauptwerk des Copernicus selbst auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt, bis es Aenderungen erfahren haben würde. Diese Aenderungen, vom Cardinal Gaetani herrührend (M. 98) erschienen den 16. Mai 1620 und bestanden ein¬ fach darin, daß die Behauptungen des Copernicus in Hypothesen umgewandelt wurden, während die eigentliche Beweisführung unangetastet blieb. Ursprung und Bedeutung dieser Veränderungen sind leicht ersichtlich. Schon als 1343 das Buch des Copernicus erschien mit der beiden bestehenden con- fessionellen Richtungen innerhalb des Christenthums Genüge leistenden, doppel¬ ten Empfehlung, der Widmung an Papst Paul den Dritten und der Herausgabe durch Andreas Osiander, schon damals mochte eben dieser Herausgeber die Wirkung ahnen, welche das gewaltige Buch auf ängstliche Gemüther machen konnte. Osiander schickte deshalb eine Vorrede voraus, in welcher mit Rücksicht auf den allgemeinen Gebrauch der Astronomen Hypothesen aufzustellen, auf deren Wahrheit es nicht gerade ankomme, wenn sie nur der mathematischen Beweisführung Dienste leisteten, auch die Lehre von der Bewegung der Eröe als eine derartige Hypothese dargestellt war. In ähnlicher Weise hatte Masfeo Barberini dem Galilei den Rath gegeben in hypothetischer Form zu schreiben, und vor allen Dingen die heilige Schrift aus dem Spiele zu lassen. In diesem Sinne waren also die Veränderungen, zu welchen Cardinal Gaetani ganze vier Jahre nöthig hatte, während ebensoviele Stunden dazu genügt hätten; ein sicherer Beweis, daß dieser Rückzug des heiligen Osficiums nach dem Beschlusse vom 6. März 1616 nicht so leichthin angetreten wurde, sondern jedenfalls den Kampf der verschiedenen Einflüsse bezeugt, der mit dem Siege der freieren barberinischen Anschauung endigte; eine Anschauung, die in noch liberalerer Weise in jenen Worten des Kardinals Baronio sich kundgiebt: „der heilige Geist habe uns lehren wollen, wie man zum Himmel gelange, nicht wie die Himmelskörper sich bewegten". (M. 53.) Bis zum Jahre 1623 Verharrte Galilei der Oeffentlichkeit gegenüber in Stillschweigen, wenn er auch insgeheim nicht unthätig war, vielmehr alles zu einem entscheidenden Streiche gegen seine Feinde vorbereitete, sobald eine günstige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/454>, abgerufen am 29.06.2024.