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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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von seinen ..Vaterrechten auf sie" und rief ihnen feierlich zu: "Mir und meiner
Sache habt ihr geschworen"), mir wolltet ihr treu, hold und gewärtig sein."
Und eine zweite Kundmachung des sächsischen Königs vom 27. September er¬
klärte, daß "Unterthanentreue heilig sein sollte", und führte seinen Sachsen zu
Gemüthe, "unbedingt unterwürfig und gehorsam zu sein", drohte auch, "mit
unnachsichtiger Strenge die gegen Rebellen und Vaterlandsverräther in den Ge¬
setzen geordneten Strafen ohne Rücksicht und Ausnahme in Anwendung zu
bringen". In der That, es mußte sehr übel stehen mit der Stimmung des
Volkes und der Armee, wenn man genöthigt war, in diesem Tone über "wahre
Ehre" zu belehren!

So kam die Schlacht bei Leipzig heran. Friedrich August war zum zweiten
Mal von Dresden geflüchtet. Napoleon hatte ihm freigestellt, seinen Aufenthalt
in Torgau oder Leipzig zu nehmen. Der alte König hatte das letztere vor¬
gezogen. Am Tage des Treffens bei Liebertwolkwitz kam er in einem langen
von seiner Leibgarde escortirten Wagenzuge mit der Königin hier an und stieg
am Markt im thomäschen Hause ab.

Die sächsischen Truppen standen am 16. October unter Reynier bei Duden.
Reynier begriff das Mißliche ihrer Lage und kannte ihre üble Stimmung. So
schickte er einen sächsischen Offizier, v. Schreibershofen, an den eben in Leipzig
eingetroffenen König, um ihm zu sagen, "daß. falls er über seine Truppen zu
verfügen wünsche, Reynier dem Befehle nachkommen und sie, vielleicht nach
Torgau, entlassen wolle." Der König aber beließ es beim Alten. Schreibers¬
hofen hatte auch eine Meldung an Napoleon zu überbringe", wahrscheinlich in
Betreff der Unzuverlässigkeit der Sachsen; denn in der Nacht zum 18. kam
von letzterem der Befehl, dieselben nach Torgau zu schicken, doch war der Weg
nicht mehr offen. Inzwischen wären die Sachsen am 17. von Eilenvurg aus
in die französische Schlachtlinie eingerückt, und zwar standen sie theils in Leip¬
zig, theils bei Stötteritz (hier nur Reiterei), theils auf dem linken Flügel Na¬
poleons bei Paunsdorf und dem Vorwerk "Der heitere Blick" und waren hier
circa 4.000 Mann stark, mit 19 Geschützen und 652 Pferden. Den Oberbefehl
führte v. Zehnden, unter ihm commandirten die Infanterie der Generalmajor
v. Ryssel und der Oberst Brause. Beim Eintreffen auf dem Schlachtfelde hielt
Zeschau eine Anrede an sie, in welcher es hieß: "Wir werden in diesen Tagen
im eigentlichen Sinne für unsern König fechten; er ist in Leipzig.' Jeder treue
Sachse hat also Ursache, alle seine Kräfte doppelt anzustrengen, um seine Pflicht
zu erfüllen." Er schloß mit einem Hoch auf den König und glaubte überzeugt
sein zu können, daß "ein guter Geist die Masse beseelte".



") Erinnern wir uns dessen, wenn es sich jetzt in Schleswig-Holstein um den Fahnen
eit handelt und -Misse Stimmen denselben als etwas Nebensächliches ansehen wollen."

von seinen ..Vaterrechten auf sie" und rief ihnen feierlich zu: „Mir und meiner
Sache habt ihr geschworen"), mir wolltet ihr treu, hold und gewärtig sein."
Und eine zweite Kundmachung des sächsischen Königs vom 27. September er¬
klärte, daß „Unterthanentreue heilig sein sollte", und führte seinen Sachsen zu
Gemüthe, „unbedingt unterwürfig und gehorsam zu sein", drohte auch, „mit
unnachsichtiger Strenge die gegen Rebellen und Vaterlandsverräther in den Ge¬
setzen geordneten Strafen ohne Rücksicht und Ausnahme in Anwendung zu
bringen". In der That, es mußte sehr übel stehen mit der Stimmung des
Volkes und der Armee, wenn man genöthigt war, in diesem Tone über „wahre
Ehre" zu belehren!

So kam die Schlacht bei Leipzig heran. Friedrich August war zum zweiten
Mal von Dresden geflüchtet. Napoleon hatte ihm freigestellt, seinen Aufenthalt
in Torgau oder Leipzig zu nehmen. Der alte König hatte das letztere vor¬
gezogen. Am Tage des Treffens bei Liebertwolkwitz kam er in einem langen
von seiner Leibgarde escortirten Wagenzuge mit der Königin hier an und stieg
am Markt im thomäschen Hause ab.

Die sächsischen Truppen standen am 16. October unter Reynier bei Duden.
Reynier begriff das Mißliche ihrer Lage und kannte ihre üble Stimmung. So
schickte er einen sächsischen Offizier, v. Schreibershofen, an den eben in Leipzig
eingetroffenen König, um ihm zu sagen, „daß. falls er über seine Truppen zu
verfügen wünsche, Reynier dem Befehle nachkommen und sie, vielleicht nach
Torgau, entlassen wolle." Der König aber beließ es beim Alten. Schreibers¬
hofen hatte auch eine Meldung an Napoleon zu überbringe», wahrscheinlich in
Betreff der Unzuverlässigkeit der Sachsen; denn in der Nacht zum 18. kam
von letzterem der Befehl, dieselben nach Torgau zu schicken, doch war der Weg
nicht mehr offen. Inzwischen wären die Sachsen am 17. von Eilenvurg aus
in die französische Schlachtlinie eingerückt, und zwar standen sie theils in Leip¬
zig, theils bei Stötteritz (hier nur Reiterei), theils auf dem linken Flügel Na¬
poleons bei Paunsdorf und dem Vorwerk „Der heitere Blick" und waren hier
circa 4.000 Mann stark, mit 19 Geschützen und 652 Pferden. Den Oberbefehl
führte v. Zehnden, unter ihm commandirten die Infanterie der Generalmajor
v. Ryssel und der Oberst Brause. Beim Eintreffen auf dem Schlachtfelde hielt
Zeschau eine Anrede an sie, in welcher es hieß: „Wir werden in diesen Tagen
im eigentlichen Sinne für unsern König fechten; er ist in Leipzig.' Jeder treue
Sachse hat also Ursache, alle seine Kräfte doppelt anzustrengen, um seine Pflicht
zu erfüllen." Er schloß mit einem Hoch auf den König und glaubte überzeugt
sein zu können, daß „ein guter Geist die Masse beseelte".



") Erinnern wir uns dessen, wenn es sich jetzt in Schleswig-Holstein um den Fahnen
eit handelt und -Misse Stimmen denselben als etwas Nebensächliches ansehen wollen."
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[0444] von seinen ..Vaterrechten auf sie" und rief ihnen feierlich zu: „Mir und meiner Sache habt ihr geschworen"), mir wolltet ihr treu, hold und gewärtig sein." Und eine zweite Kundmachung des sächsischen Königs vom 27. September er¬ klärte, daß „Unterthanentreue heilig sein sollte", und führte seinen Sachsen zu Gemüthe, „unbedingt unterwürfig und gehorsam zu sein", drohte auch, „mit unnachsichtiger Strenge die gegen Rebellen und Vaterlandsverräther in den Ge¬ setzen geordneten Strafen ohne Rücksicht und Ausnahme in Anwendung zu bringen". In der That, es mußte sehr übel stehen mit der Stimmung des Volkes und der Armee, wenn man genöthigt war, in diesem Tone über „wahre Ehre" zu belehren! So kam die Schlacht bei Leipzig heran. Friedrich August war zum zweiten Mal von Dresden geflüchtet. Napoleon hatte ihm freigestellt, seinen Aufenthalt in Torgau oder Leipzig zu nehmen. Der alte König hatte das letztere vor¬ gezogen. Am Tage des Treffens bei Liebertwolkwitz kam er in einem langen von seiner Leibgarde escortirten Wagenzuge mit der Königin hier an und stieg am Markt im thomäschen Hause ab. Die sächsischen Truppen standen am 16. October unter Reynier bei Duden. Reynier begriff das Mißliche ihrer Lage und kannte ihre üble Stimmung. So schickte er einen sächsischen Offizier, v. Schreibershofen, an den eben in Leipzig eingetroffenen König, um ihm zu sagen, „daß. falls er über seine Truppen zu verfügen wünsche, Reynier dem Befehle nachkommen und sie, vielleicht nach Torgau, entlassen wolle." Der König aber beließ es beim Alten. Schreibers¬ hofen hatte auch eine Meldung an Napoleon zu überbringe», wahrscheinlich in Betreff der Unzuverlässigkeit der Sachsen; denn in der Nacht zum 18. kam von letzterem der Befehl, dieselben nach Torgau zu schicken, doch war der Weg nicht mehr offen. Inzwischen wären die Sachsen am 17. von Eilenvurg aus in die französische Schlachtlinie eingerückt, und zwar standen sie theils in Leip¬ zig, theils bei Stötteritz (hier nur Reiterei), theils auf dem linken Flügel Na¬ poleons bei Paunsdorf und dem Vorwerk „Der heitere Blick" und waren hier circa 4.000 Mann stark, mit 19 Geschützen und 652 Pferden. Den Oberbefehl führte v. Zehnden, unter ihm commandirten die Infanterie der Generalmajor v. Ryssel und der Oberst Brause. Beim Eintreffen auf dem Schlachtfelde hielt Zeschau eine Anrede an sie, in welcher es hieß: „Wir werden in diesen Tagen im eigentlichen Sinne für unsern König fechten; er ist in Leipzig.' Jeder treue Sachse hat also Ursache, alle seine Kräfte doppelt anzustrengen, um seine Pflicht zu erfüllen." Er schloß mit einem Hoch auf den König und glaubte überzeugt sein zu können, daß „ein guter Geist die Masse beseelte". ") Erinnern wir uns dessen, wenn es sich jetzt in Schleswig-Holstein um den Fahnen eit handelt und -Misse Stimmen denselben als etwas Nebensächliches ansehen wollen."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/444>, abgerufen am 28.09.2024.