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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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an Stein schrieb, "kein Dort" und hatte zu lange gezögert, das Rechte, das
hier auch für Sachsen das Nützliche war, zu thun -- suchte preußische, Senfft
östreichische Dienste. "Am 12. Mai" -- wir citiren Hauffer -- "führte Na¬
poleon durch die Spaliere seiner Truppen den König von Sachsen in die
Hauptstadt zurück. Es war eine der letzten demüthigenden Scenen, welche der
Bonapartismus dem deutschen Fürsten bereitet hat. Bei dem harten Loose, das später
den sächsischen Monarchen traf, ist nach deutscher Weise vielfach der Maßstab
gemüthlicher Beurtheilung angelegt und für des Königs persönliche Bonhommie
das Mitgefühl beansprucht worden. Dem gegenüber thut die Erinnerung noth,
wie unwürdig Friedrich August zehn Tage nach dem deutschen Heldenkampfe
bei Lützen das Gefolge des Erbfeindes vergrößerte und ihm seine Truppen
preisgab, damit sie in fremdem Dienst deutsches Blut vergießen halfen."

Die Sachsen fochten fast in allen späteren Schlachten bis Leipzig an der
Seite der Franzosen, bei Bautzen, bei Großbeeren, wo sie sich sehr tapfer
schlugen und dafür später von den Franzosen des Gegentheils geziehen wurden,
bei Dennewitz, wo sich dasselbe wiederholte, indem Ney lügnerischerweise die
Schuld des Mißlingens seines Angriffs vor allem auf die Sachsen warf,
während dieselben ihre soldatische Schuldigkeit in jeder Hinsicht besser gethan
hatten als die französischen Bataillone und Schwadronen, bei Dresden, wo sich
vorzüglich die schwere sächsische Reitei auszeichnete, zuletzt in der Völkerschlacht am
18. October.

Schon nach Dennewitz regte sich, wie in allen rheinbündlerischen Kon¬
tingenten, so auch bei den Sachsen ein mehr oder minder starkes Gefühl der
widernatürlichen Stellung, in der sie sich befanden. Man schlug sich für Frank¬
reich gegen Deutsche, man hatte -- was deutlicher empfunden wurde -- dafür
auf wenig Anerkennung in den Bulletins, vielmehr auf Verdrehung der Wahr¬
heit und auf Zurücksetzung gegen die Franzosen zu rechnen, man wurde in Rück¬
sicht der Verpflegung und Bequartierung stets den Franzosen nachgesetzt, man
mußte Aeußerungen, wie die Neys gegen den würtembergischen General Fran-
quemont hören: "Es liegt in unserm Interesse, daß ihr alle umkommt, damit
ihr nicht am Ende gegen uns fechtet."

Nicht wenige von den bei Dennewitz gefangnen Sachsen, froh, aus den
französischen Reihen gerissen zu sein, zeigten sich bereit, mitzukämpfen für
Deutschlands Unabhängigkeit. Da hielt Bülow den Augenblick für günstig, die
gesammte sächsische Mannschaft zu sich herüberzuziehen. Bülow richtete einen
Brief an den Oberbefehlshaber derselben, General v. Zeschau, stellte ihm vor,
daß es seine Pflicht sei. "seinen König aus dieser schmachvollen Unterwürfigkeit
zu befreien, und fuhr im Geiste, der das preußische Heer damals beseelte, fort:
"Die wahre Ehre gebietet dem Soldaten den Kampf für die Freiheit und das
Wohl des Vaterlandes. Der Eid' der Treue, den er dem ersten Bürger des


an Stein schrieb, „kein Dort" und hatte zu lange gezögert, das Rechte, das
hier auch für Sachsen das Nützliche war, zu thun — suchte preußische, Senfft
östreichische Dienste. „Am 12. Mai" — wir citiren Hauffer — „führte Na¬
poleon durch die Spaliere seiner Truppen den König von Sachsen in die
Hauptstadt zurück. Es war eine der letzten demüthigenden Scenen, welche der
Bonapartismus dem deutschen Fürsten bereitet hat. Bei dem harten Loose, das später
den sächsischen Monarchen traf, ist nach deutscher Weise vielfach der Maßstab
gemüthlicher Beurtheilung angelegt und für des Königs persönliche Bonhommie
das Mitgefühl beansprucht worden. Dem gegenüber thut die Erinnerung noth,
wie unwürdig Friedrich August zehn Tage nach dem deutschen Heldenkampfe
bei Lützen das Gefolge des Erbfeindes vergrößerte und ihm seine Truppen
preisgab, damit sie in fremdem Dienst deutsches Blut vergießen halfen."

Die Sachsen fochten fast in allen späteren Schlachten bis Leipzig an der
Seite der Franzosen, bei Bautzen, bei Großbeeren, wo sie sich sehr tapfer
schlugen und dafür später von den Franzosen des Gegentheils geziehen wurden,
bei Dennewitz, wo sich dasselbe wiederholte, indem Ney lügnerischerweise die
Schuld des Mißlingens seines Angriffs vor allem auf die Sachsen warf,
während dieselben ihre soldatische Schuldigkeit in jeder Hinsicht besser gethan
hatten als die französischen Bataillone und Schwadronen, bei Dresden, wo sich
vorzüglich die schwere sächsische Reitei auszeichnete, zuletzt in der Völkerschlacht am
18. October.

Schon nach Dennewitz regte sich, wie in allen rheinbündlerischen Kon¬
tingenten, so auch bei den Sachsen ein mehr oder minder starkes Gefühl der
widernatürlichen Stellung, in der sie sich befanden. Man schlug sich für Frank¬
reich gegen Deutsche, man hatte — was deutlicher empfunden wurde — dafür
auf wenig Anerkennung in den Bulletins, vielmehr auf Verdrehung der Wahr¬
heit und auf Zurücksetzung gegen die Franzosen zu rechnen, man wurde in Rück¬
sicht der Verpflegung und Bequartierung stets den Franzosen nachgesetzt, man
mußte Aeußerungen, wie die Neys gegen den würtembergischen General Fran-
quemont hören: „Es liegt in unserm Interesse, daß ihr alle umkommt, damit
ihr nicht am Ende gegen uns fechtet."

Nicht wenige von den bei Dennewitz gefangnen Sachsen, froh, aus den
französischen Reihen gerissen zu sein, zeigten sich bereit, mitzukämpfen für
Deutschlands Unabhängigkeit. Da hielt Bülow den Augenblick für günstig, die
gesammte sächsische Mannschaft zu sich herüberzuziehen. Bülow richtete einen
Brief an den Oberbefehlshaber derselben, General v. Zeschau, stellte ihm vor,
daß es seine Pflicht sei. „seinen König aus dieser schmachvollen Unterwürfigkeit
zu befreien, und fuhr im Geiste, der das preußische Heer damals beseelte, fort:
„Die wahre Ehre gebietet dem Soldaten den Kampf für die Freiheit und das
Wohl des Vaterlandes. Der Eid' der Treue, den er dem ersten Bürger des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/442>, abgerufen am 29.06.2024.