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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Rüstungen Zeit- zu gewinnen trachtete. Angenehmer war, daß Oestreich vom
sächsischen Cabinet sorgfältige Vermeidung aller Schritte Verlangte, welche zu
einem Bruch mit Frankreich führen könnten; denn hiermit war dem König die
Möglichkeit offen gelassen, sich nach Befinden Napoleon wieder mehr zu nähern.
Mit Preußen und Rußland die von den Umständen gebotenen Beziehungen
anzuknüpfen, sollte dadurch nicht ausgeschlossen sein.

Von Prag, wohin sich der König jetzt begab, richtete er unterm 29. April
an den König von Preußen ein Schreiben, in welchem er demselben meldete,
daß er sich bewogen gefunden habe, sich "den Maßregeln Oestreichs in Be¬
ziehung auf die von demselben mit Zustimmung der kriegführenden Mächte
übernommene bewaffnete Mediation anzuschließen" und daß er sich "in Betracht
dieses Verhältnisses schmeichle", der König werde "der Anwendung der zum
Behuf jenes von allen Seiten als wohlthätig anerkannten Zwecks dienenden
Mittel" in den sächsischen Staaten keine Hindernisse entgegensetzen und eine
feindliche Behandlung dieser Staaten nicht gestatten." "In ebenmäßigen Ver¬
trauen aus Ew. Majestät gerechte Denkungsart," fuhr das Schreiben fort,
"sehe ich auch zugleich mit der Aufhebung des Kriegszustandes der Wiederher¬
stellung eines tractatenmäßigen Besitzes im kottbuser Kreise entgegen, indem deren
erleuchteter Beurtheilung die gemeinschädlichem Folgen eines Grundsatzes nicht
entgehen können, welcher die Sicherheit des Besitzstandes zwischen benachbarten
Mächten aufheben würde."

Inzwischen war Napoleon durch Thietmarus Verhalten in Torgau und
durch des Königs Weigerung, die ihn begleitende Reiterei zur französischen
Armee stoßen zu lassen, argwöhnisch geworden. Napoleon verlangte die Reiter¬
regimenter nochmals und ließ merken, daß ihm dieses Erkalten der Freundschaft
Friedrich Augusts sehr mißfalle. Bald darauf mußte der Herzog von Weimar
dem König in Prag in einem Briefe die Nothwendigkeit klar machen, sich für
oder gegen Frankreich zu entscheiden, und andeuten, daß eine Abweichung von
der bisher innegehaltenen Politik den Verlust Sachsens zur Folge haben werde.
Und als dieses Schreiben keinen Eindruck machte, erschien der französische Ge¬
sandte am sächsischen Hofe, Herr v. Serra, abermals mit der Forderung, die
Festung Torgau und die sächsische Cavallerie dem Kaiser zur Verfügung zu
stellen. Der König versprach, sich die Sache zu überlegen, aber Tags nachher
stellte Senfft dem Gesandten eine Note zu, welche eine wiederholte Ablehnung
des Verlangens Napoleons enthielt. Der Bruch mit Frankreich schien vollendet,
der Anschluß an Oestreich entschieden zu sein. siegten die Verbündeten bei
dem ersten jetzt herannahenden Zusammentreffen mit dem französischen Heere,
so würde sich der wiener Hof ohne Zweifel schon damals auf ihre Seite ge¬
stellt und so würde aller Wahrscheinlichkeit nach Sachsen, der östreichischen Po¬
litik folgend, sich des Schutzes derselben erfreut und seine spätere Theilung


Rüstungen Zeit- zu gewinnen trachtete. Angenehmer war, daß Oestreich vom
sächsischen Cabinet sorgfältige Vermeidung aller Schritte Verlangte, welche zu
einem Bruch mit Frankreich führen könnten; denn hiermit war dem König die
Möglichkeit offen gelassen, sich nach Befinden Napoleon wieder mehr zu nähern.
Mit Preußen und Rußland die von den Umständen gebotenen Beziehungen
anzuknüpfen, sollte dadurch nicht ausgeschlossen sein.

Von Prag, wohin sich der König jetzt begab, richtete er unterm 29. April
an den König von Preußen ein Schreiben, in welchem er demselben meldete,
daß er sich bewogen gefunden habe, sich „den Maßregeln Oestreichs in Be¬
ziehung auf die von demselben mit Zustimmung der kriegführenden Mächte
übernommene bewaffnete Mediation anzuschließen" und daß er sich „in Betracht
dieses Verhältnisses schmeichle", der König werde „der Anwendung der zum
Behuf jenes von allen Seiten als wohlthätig anerkannten Zwecks dienenden
Mittel" in den sächsischen Staaten keine Hindernisse entgegensetzen und eine
feindliche Behandlung dieser Staaten nicht gestatten." „In ebenmäßigen Ver¬
trauen aus Ew. Majestät gerechte Denkungsart," fuhr das Schreiben fort,
„sehe ich auch zugleich mit der Aufhebung des Kriegszustandes der Wiederher¬
stellung eines tractatenmäßigen Besitzes im kottbuser Kreise entgegen, indem deren
erleuchteter Beurtheilung die gemeinschädlichem Folgen eines Grundsatzes nicht
entgehen können, welcher die Sicherheit des Besitzstandes zwischen benachbarten
Mächten aufheben würde."

Inzwischen war Napoleon durch Thietmarus Verhalten in Torgau und
durch des Königs Weigerung, die ihn begleitende Reiterei zur französischen
Armee stoßen zu lassen, argwöhnisch geworden. Napoleon verlangte die Reiter¬
regimenter nochmals und ließ merken, daß ihm dieses Erkalten der Freundschaft
Friedrich Augusts sehr mißfalle. Bald darauf mußte der Herzog von Weimar
dem König in Prag in einem Briefe die Nothwendigkeit klar machen, sich für
oder gegen Frankreich zu entscheiden, und andeuten, daß eine Abweichung von
der bisher innegehaltenen Politik den Verlust Sachsens zur Folge haben werde.
Und als dieses Schreiben keinen Eindruck machte, erschien der französische Ge¬
sandte am sächsischen Hofe, Herr v. Serra, abermals mit der Forderung, die
Festung Torgau und die sächsische Cavallerie dem Kaiser zur Verfügung zu
stellen. Der König versprach, sich die Sache zu überlegen, aber Tags nachher
stellte Senfft dem Gesandten eine Note zu, welche eine wiederholte Ablehnung
des Verlangens Napoleons enthielt. Der Bruch mit Frankreich schien vollendet,
der Anschluß an Oestreich entschieden zu sein. siegten die Verbündeten bei
dem ersten jetzt herannahenden Zusammentreffen mit dem französischen Heere,
so würde sich der wiener Hof ohne Zweifel schon damals auf ihre Seite ge¬
stellt und so würde aller Wahrscheinlichkeit nach Sachsen, der östreichischen Po¬
litik folgend, sich des Schutzes derselben erfreut und seine spätere Theilung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/440>, abgerufen am 29.06.2024.